- Lothar König (Theologe)
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Lothar König (* 1954) ist ein deutscher evangelischer Theologe und Stadtjugendpfarrer in Jena. Er wurde einer größeren Öffentlichkeit bekannt, weil die Staatsanwaltschaft Dresden ihm im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen in Dresden am 19. Februar 2011 „aufwieglerischen Landfriedensbruch“ vorwarf. Die Polizei Sachsen durchsuchte im August 2011 seine Dienstwohnung.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Lothar König machte eine Ausbildung als Zerspanungsfacharbeiter und ab 1975 schloss sich eine Ausbildung als Diakon in Eisenach an.[1] Danach studierte er evangelische Theologie in Erfurt und Jena. König wurde Pastor in der Evangelischen Kirche der DDR. Ab 1986 war er Pfarrer in Merseburg. Hier engagierte er sich mit seiner Jungen Gemeinde gegen die DDR-Staatsmacht und organisierte die dortigen Montagsdemos mit. Aus dieser Zeit liegt eine dicke Stasi-Akte mit Abhörprotokollen über ihn vor. Später wurde König Jugendpfarrer in Jena und führte nach dem Mauerfall die Junge Gemeinde weiter. Er leitet unter anderem den Jugendtreff JG-Stadtmitte in Jena. Diese Gruppe organisierte Aktionen gegen Neonazis, Atomkraft und einen Gutscheinumtausch für Flüchtlinge. Bei einer Auseinandersetzung im Eingangsbereich der JG wurde Lothar König 1997 schwer verletzt. Seit 2004 sitzt König im Stadtrat – anfangs für die Grünen und seit November 2006 für die Fraktion „Bürger für Jena“.[2] Seine Tochter ist die thüringische Landtagsabgeordnete Katharina König (Die Linke).
Dresdner Naziaufmarsch
Lothar König war mit seinem VW-Bus bei den Gegendemonstrationen gegen Naziaufmärsche am 19. Februar 2011 in Dresden. Anfang August 2011 hatte Pfarrer Lothar König im Nachrichtenmagazin Der Spiegel die Ermittlungen der sächsischen Polizei nach den Dresdner Krawallen kritisiert. Besonders monierte er den Umstand, dass die Polizei während der teils brutalen Auseinandersetzungen um die Neonazi-Demo auf beiden Seiten rund eine Million Handydaten erfasste. Sie führte anschließend mehr als 600 Ermittlungsverfahren, da über 100 Polizisten verletzt wurden. Wenige Tage nach seinen Äußerungen wurden seine Räume in Jena durchsucht.
Strafrechtliche Verfolgung
Am 10. August 2011 gegen sechs Uhr durchsuchten etwa 30 Ermittler der Staatsanwaltschaft Dresden sowie sächsische Polizisten die Amts- und Wohnräume des Theologen König im thüringischen Jena. Sie beschlagnahmten einen Computer, Unterlagen und seinen Dienstwagen, einen alten blauen VW-Bus. Lothar König selbst war zu der Zeit in Tirol wandern. Anwesend waren allerdings seine Tochter Katharina König und zwei Anwälte. Geäußerte Einwände blieben ohne Ergebnis, sagt Katharina König laut Welt online. Die Staatsanwaltschaft Dresden wirft dem Pfarrer „aufwieglerischen Landfriedensbruch“, Nötigung und Strafvereitelung vor.
Als Fahrer und Halter des Kleintransporters soll König während der Demonstrationen und anschließenden Krawalle gegen den Neonazi-Aufmarsch am 19. Februar in Dresden zu Gewalt aufgerufen haben. Laut Dresdner Staatsanwalt sei aus seiner Lautsprecheranlage auf dem Autodach in einer Menschenmenge unter anderem gerufen worden: „Deckt die Bullen mit Steinen ein“. Daraufhin seien mehrere Steine auf Polizeiwagen geflogen. König soll laut Staatsanwaltschaft versucht haben, ein Einsatzfahrzeug der Polizei von der Straße zu drängen. Er habe Verdächtige in sein Auto aufgenommen.
Lothar König selbst behauptet das Gegenteil: Er habe mit dem Gemeindefahrzeug seinen Einfluss geltend machen und zur Deeskalation beitragen wollen. Er habe dazu eine Kundgebung angemeldet und genehmigt bekommen. Auch würde er das Wort Bullen nicht benutzen.
Reaktionen auf die Hausdurchsuchung und das Ermittlungsverfahren
Am Tag nach der Durchsuchungsaktion versammelten sich 600 Menschen zu einer spontanen Solidaritäts-Demonstration vor dem Jugendtreff JG-Mitte in Jena. In Reden kritisierten zahlreiche Prominente aus Politik und Zivilgesellschaft das Vorgehen der sächsischen Polizei.[3]
Vor allem das umstrittene Vorgehen der sächsischen Beamten erweckte bundesweit bei Kommentatoren negative Reaktionen. Das antifaschistische Bündnis Nazifrei! – Dresden stellt sich quer sieht in der Razzia, wenige Tage nachdem König sich in einem Spiegel-Interview kritisch zu den Ermittlungen in Dresden geäußert hatte, einen Einschüchterungsversuch.[4] Der Thüringische Justizminister Holger Poppenhäger (SPD) bezweifelte die erforderliche Einbindung der thüringischen Behörden und sieht ein großes Informationsdefizit.[5]
Ilse Junkermann, Bischöfin der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands, äußerte sich „bestürzt“ über das Vorgehen der sächsischen Polizei gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer. Sie nannte die Durchsuchung seiner Dienstwohnung und die drohende Verletzung des Seelsorge-Geheimnisses „skandalös“. Die Präsidentin des mitteldeutschen Landeskirchenamts, Brigitte Andrae, reichte Beschwerde beim sächsischen Justizminister Jürgen Martens (FDP) ein. Andrae sagte, es gehe um die Frage der Verhältnismäßigkeit, es sei „höchst bedenklich“, wenn der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz für kirchliche Räume und Amtsträger missachtet werde.[6]
Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Bundestags-Vizepräsidentin aus Thüringen und Präses der EKD-Synode, reichte zusammen mit ihrer sächsischen Fraktionskollegin Monika Lazar einen Katalog mit Fragen an die Bundesregierung ein. Beide wollten wissen, ob die Durchsuchungsaktion rechtens gewesen sei. Außerdem fragten sie, ob es mit der Wahrung des Berufsgeheimnisses zu vereinbaren sei, wie sich die Staatsanwaltschaft verhielte. Zudem wollten sie wissen, ob die Polizei des einen Landes (Sachsen) in anderen Ländern (hier Thüringen) öfter autonom aktiv werde.
Über diese Frage der Zuständigkeit von sächsischen Beamten in Thüringen streiten die beiden Freistaaten. Thüringens Justizminister Holger Poppenhäger und Vize-Regierungschef Christoph Matschie (beide SPD) forderten eine Stellungnahme Sachsens. Es habe einen richterlichen Beschluss für die Durchsuchung gegeben, betont die sächsische Seite, und die Dresdner Staatsanwaltschaft wies darauf hin, dass sie das Recht habe, im gesamten Bundesgebiet tätig zu werden. Weiter gab sie an, dass sie das Seelsorge-Geheimnis respektiere, aber es möglich sei, gegen einen Geistlichen zu ermitteln, wenn ihm Straftaten vorgeworfen werden. Der innenpolitische Sprecher der Thüringer FDP-Landtagsfraktion Dirk Bergner forderte Aufklärung angesichts der Aussage der Thüringer Polizei und des Innenministeriums, nicht informiert worden zu sein.[7]
Weblinks
- Seite des Stadtjugendpfarramts
- Seite der Bürger für Jena im Stadtrat
- Frontal21: Pfarrer von der Staatsmacht verfolgt
Einzelnachweise
- ↑ OTZ: König mit Ecken und Kanten: Jugendpfarrer von Jena im Visier
- ↑ Das Schiff verlassen, in: Ostthüringer Zeitung vom 8. Dezember 2006, Lokalteil: Jena und Umgebung
- ↑ Zeit für Solidarität: 600 Demonstranten gehen für Stadtjugendpfarrer Lothar König auf die Straße in: Jena TV (abgerufen am 16. August 2011) und Nach Razzia: 500 bei Sponti auf Indymedia vom 11. August 2011 (abgerufen am 16. August 2011)
- ↑ Dokumentiert: Einschüchterung nach Interview in: Junge Welt vom 13. August 2011 (abgerufen am 16. August 2011)
- ↑ Jetzt gibt's Emotionen in: taz vom 11. August 2011 (abgerufen am 16. August 2011)
- ↑ http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article13542412/Empoerung-ueber-die-Razzia-beim-Pastor.html
- ↑ FDP fordert umfängliche Aufklärung zu Durchsuchung bei Jenaer Jugendpfarrer in: Deutschland today vom 10. August 2011 (abgerufen am 16. August 2011)
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