- Chauvet-Höhle
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Die Chauvet-Höhle (französisch: Grotte Chauvet) befindet sich nahe der Kleinstadt Vallon-Pont-d’Arc (Département Ardèche) im Flusstal der Ardèche (Südfrankreich) und gehört zum Umkreis der Frankokantabrischen Höhlenkunst. Die erst 1994 entdeckte Höhle von außerordentlichem wissenschaftlichem Interesse enthält über 400 Wandbilder mit bisher erfassten mehr als 470 gemalten und gravierten Tier- und Symboldarstellungen. Die ältesten davon wurden mittels Radiokohlenstoffmethode (C14-Methode) auf ein Alter zwischen 35.000 und 32.000 Jahren BP (Before Present = Radiokohlenstoffjahre) datiert. Sie gehören also in die archäologische Kultur des Aurignacien. Daten an Holzkohlen vom Fußboden der Höhle streuen bis zu einem Alter von circa 25.000 BP, das heißt bis in die Kultur des Gravettien.
Inhaltsverzeichnis
Entdeckung
Die Höhle wurde am 18. Dezember 1994 durch die Speläologen Jean-Marie Chauvet, Eliette Brunel Deschamps und Christian Hillaire entdeckt. Sie ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, da eine Veränderung der Luftfeuchtigkeit zu Pilzbefall und damit zur Gefährdung der Malereien führen könnte. Diese leidvolle Erfahrung wurde in den 1960er Jahren in der Höhle von Lascaux gemacht, deren Zugang seitdem ebenfalls stark reglementiert ist. Selbst die autorisierten Forscher dürfen nur in Abständen wenige Stunden dort arbeiten.
Bedeutung
Alter
Mit Blick auf die Ausmalungen handelt es sich nach überwiegender Meinung von Experten um die ältesten derzeit bekannten Höhlenmalereien und Höhlenzeichnungen der Welt.
Eine moderne Fälschung ist allein schon auf Grund der Versinterung der Farbaufträge auszuschließen. Fälschungsvorwürfe können daher als abwegig angesehen werden. Das beweist auch die seit der letzten Begehung im Gravettien unveränderte Oberfläche des Höhlenbodens.
Chronologiekritiker weisen darauf hin, dass die Radiokohlenstoffdatierung der zum Malen verwendeten Holzkohlen nicht automatisch die Bilder datiert und die Holzkohlen theoretisch weit älter sein können, also nur den Terminus post quem für die Malereien darstellen. Daher könnten Holzkohlen bereits von Höhlenfeuern im Aurignacien stammen, aber erst im Gravettien zur Ausmalung genutzt worden sein.
Wegen des Living floors (dem unveränderten Zustand des Höhlenbodens seit der letzten Begehung im Gravettien) gilt jedoch als sicher, dass es danach keine später erfolgte Ausmalung der Wände gegeben haben kann.
Ausdehnung
Die Höhle ist von bisher in der Ardèche ungekannten Ausmaßen. Der heutige Zugang ist zunächst ein sehr schmaler horizontaler Tunnel, an dessen Ende sich ein senkrechter Abstieg von gut zehn Metern befindet. Die eigentliche Höhle kann in einer Länge von mehr als 500 Metern weitgehend mühelos begangen werden. Der Höhlenboden sinkt von vorne nach hinten nur etwa 24 Meter ab. Die horizontale Ausdehnung erstreckt sich auf einer Fläche von rund 240 x 100 Meter, sie umfasst vier große Säle von 12 bis 17 Metern Höhe, der größte Saal misst fast 40 x 60 Meter. Die derzeit kartographierte Gesamtfläche der Höhle umfasst rund 8140 Quadratmeter.
Malereien
Erhaltungszustand
Durch den Umstand, dass der ursprüngliche Höhleneingang noch während der Würm-Eiszeit (vor etwa 22.000 Jahren) durch eine herabfallende Felswand schlagartig für die Außenwelt verschlossen wurde, ist der einzigartige, sehr lebendig wirkende Bilderschatz der Chauvethöhle in einem sehr guten Zustand erhalten. Er beinhaltet Meisterwerke paläolithischer Höhlenkunst.
Darstellung
Bemerkenswert sind die in der Ardèche einzigartige Schönheit und Harmonie der Malereien. Erstaunlich sind der routinierte Umgang mit den zur Verfügung stehenden Malfarben (zunächst Holzkohle, aber auch roter und hellerer Ocker), die verwendeten Stilmittel (bis zur Darstellung von Bewegung), und die Komposition von teilweise gewaltigen Bildwänden. Immer wieder wurde das Relief der Felswand genutzt, um Abbildungen wirkungsvoll zu präsentieren. Die verwendeten Farben wurden vor Ort aus Holzkohle, Naturocker und Lehm etc. hergestellt. Die formvollendeten und bis in winzige Details und Bewegungsabläufe detailgetreuen Tierbilder überraschen alle, die sie betrachten. Erstaunlich ist die häufige Abbildung von bisher eher selten in Höhlenmalereien vorgefundenen Tierarten, wie Nashörner, Feliden und Bären.
Immer wieder fallen Darstellungen auf, in denen die Verdoppelung der Körperumrisse entweder Bewegungsabläufe signalisieren, oder – manchmal gleichzeitig – Tierpaare.
Tiere
Die dargestellten Tiere sind von einer beeindruckenden Vielfalt. In einzigartigen Bildwänden von bis zu 12 Meter Breite erscheinen Tiere, die sich in der freien Wildbahn bekämpfen würden, in überraschend friedlichem Miteinander. Die Entdecker hatten bereits über vierhundert Tierdarstellungen erfasst. Folgende eiszeitlichen Tierarten sind in der Chauvet-Höhle zu finden: Wollnashörner, Höhlenlöwen, Mammuts, Wildpferde, Höhlenbären, Rentiere, Bisons, Wisente, Steinböcke, Riesenhirsche, Hirsche, Panther, Uhus und Hyänen.
Entgegen früheren Hypothesen wurden keineswegs die gängigen Jagdbeutetiere zur Darstellung gebracht (etwa, um sie dann besser erlegen zu können). Es handelt sich ausschließlich um Tiere, die dem Menschen in der Natur gefährlich werden oder Angst einflößen können. Keines dieser Tiere aber wirkt auf die Betrachtenden feindselig, böse oder aggressiv. Im Gegenteil fällt auf, dass speziell die Zuneigung unter Tierpaaren thematisiert wurde. So konnte beispielsweise ein Balztanz von zwei Nashörnern und die Liebeswerbung eines Löwenpaares identifiziert werden.
Zeichen
Wie in anderen umliegenden Höhlen sind auch in der Chauvet-Höhle viele stilisierte Darstellungen und Zeichen zu finden. Besondere Beachtung verdienen dargestellte Mischwesen und Sexualsymbole (mehrfach erscheint das Schamdreieck, einmal sogar mit einem Phallus), und die Präsentation eines Paares, das einen gemeinsamen menschlichen Unterleib aufweist, darüber ist die weibliche Partnerin eine Löwin und der Mann ein Bison. Die Bedeutung der wie in der Cosquer-Höhle vorfindlichen Handnegative und -positive ist noch ungeklärt.
Zweck der Malereien
Über mindestens 6.000 Jahre hinweg wurden in der Höhle nicht nur immer weitere Abbildungen und Malereien hinzugefügt. Die bisherigen Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Malereien im Rahmen von Kulthandlungen und Initiationsriten von Bedeutung waren.
Knochen
Auch paläontologisch ist die Chauvethöhle von außerordentlichem Interesse. Die in großer Zahl vorhandenen Knochenreste und -schädel stammen großenteils von Höhlenbären, von denen im Höhlenlehm nicht nur eine gewaltige Fußspur (ein Pfotenabdruck von 15 mal 17 Zentimeter, ohne die Krallen), sondern auch Mulden der Winterruheplätze erhalten sind. Dagegen gibt es kaum Knochen von Mammuts, obwohl etliche Felszeichnungen diese Tiere abbilden. [1]
Älteste menschliche Fußspuren
Im Innern der Höhle gibt es eine Vielzahl von im feuchten Lehm erhalten gebliebenen Fußspuren. Gegenwärtig wird daran geforscht, ob die Domestizierung von Hunden bereits zu dieser Zeit vonstatten gegangen sein kann.
Über mehr als 70 Meter kann man die Fußspur eines etwa 12-13jährigen Heranwachsenden verfolgen. Der Jugendliche schlug seine Brandfackel in regelmäßigen Abständen an die Höhlenwand, um die Helligkeit zu steigern. Die C14-Prüfung der Kohlereste ergab ein Alter von 26.000 Jahren: Die älteste derzeit datierbare menschliche Fußspur der Welt.
Die Höhle scheint im Winterhalbjahr von Höhlenbären genutzt worden zu sein. Die Menschen haben sich immer nur ganz kurze Zeit in der Höhle aufgehalten. Spuren längerer Aufenthalte konnten nicht nachgewiesen werden.
Erforschung und Konservierung
Der hervorragende Erhaltungszustand der Kunstwerke und des Höhlenbodens verwehrt es zumindest für die nächsten Jahrzehnte, die Höhle für allgemeine Besuche zu öffnen. Derzeit ist eine Gruppe von gut 20 Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen an der Arbeit, um der Höhle einige ihrer Geheimnisse zu entlocken. Die Arbeit vor Ort ist dabei sehr genau reglementiert und wird mittels Klimasensoren überwacht, um das vorhandene Höhlenklima nicht in Gefahr zu bringen.
Ausstellung
Das Nationale Museum für Naturgeschichte in Paris hat es sich unmittelbar nach der Entdeckung der Chauvet-Höhle zur Aufgabe gemacht, diese außerordentlichen Kunstwerke für ein interessiertes Publikum zugänglich zu machen. Zusammen mit verschiedenen Partnern, vor allem den drei Entdeckern der Höhle und den Gemeindeverantwortlichen von Vallon Pont d‘Arc, wurde in dieser Stadt eine Ausstellung geschaffen. Sie ist seit dem 3. Juni 1995 ganzjährig geöffnet.
Weitere Projekte
Derzeit wird die Aufnahme der Malereien der Chauvethöhle in das Weltkulturerbe der UNESCO vorbereitet.
Die projektierten Arbeiten zur Schaffung einer „Kopie“ der Höhle wurden begonnen. Es soll ein künstlicher Höhlenraum geschaffen werden, der Nachbildungen der wichtigsten Malereien enthält, deren Untergrund exakt die Formen der Höhlenwände aufweist. So kann auch einem breiten Publikum ein „fast Natur-identischer“ Eindruck vom Innern der Chauvet-Höhle vermittelt werden.
Zudem sind auf dem Gelände, das sich östlich von Vallon an der Straße nach Bourg St. Andéol befindet, Räumlichkeiten geplant, die es ermöglichen, Besuchern aller Altersgruppen eine vertiefte Begegnung mit den Kunstwerken der Höhle zu vermitteln.
Film
Der Regisseur Werner Herzog drehte 2010 den 3-D-Dokumentarfilm Cave of Forgotten Dreams über die Höhle. Der Film hatte auf dem Toronto International Filmfestival 2010 Premiere. In England und den USA ist der Film seit März 2011 in den Kinos zu sehen. In Deutschland wird die Dokumentation unter dem Titel Die Höhle der vergessenen Träume seit November 2011 gezeigt.
Siehe auch
- Höhle von Niaux
- Henry-Cosquer-Höhle
- Höhle von Altamira
- Höhle von Lascaux
- Höhle von Rouffignac
- Höhle von Altxerri
- Höhle von Ekain
Literatur
- H. Bocherens, D. Drucker, D. Billiou: Etat de conservation des ossements dans la previous grotte Chauvet (Vallon-Pont-d'Arc, Ardèche, France). In: Bulletin de la Société Préhistorique Française 102, 2005, ISSN 0037-9514, S. 77–87.
- H. Bocherens, D. Drucker, D. Billiou, J.-M. Geneste, J. van der Plicht: Bears and humans in previous Chauvet Cave (Vallon Pont-d'Arc, Ardèche, France). Insights from stable isotopes and radiocarbon dating of bone collagen. In: Journal of Human Evolution 50, 2006, ISSN 0047-2484, S. 370–376.
- Jean-Marie Chauvet, Eliette Brunel Deschamps, Christian Hillaire: Chauvet Cave. The Discovery of the World's Oldest Paintings. Thames and Hudson, London u. a. 1996, ISBN 0-500-01706-9.
- Jean-Marie Chauvet, Eliette Brunel Deschamps, Christian Hillaire (1995), Grotte Chauvet bei Vallon-Pont-d'Arc : Altsteinzeitliche Höhlenkunst im Tal der Ardèche. Jan Thorbecke, Stuttgart 2001. ISBN 3-7995-9000-5
- Jean Clottes (Editor), La Grotte Chauvet. L'art des origins. Seuil, Paris 2001, ISBN 2-02-048648-2, (Arts rupestres).
- J. Clottes, M. Azéma: Les images de félins de la previous grotte Chauvet. In: Bulletin de la Société Préhistorique Française 102, 2005, ISSN 0037-9514, S. 173–182.
- Jean Courtin: Die vergessene Höhle. Roman. Piper, München 2000, ISBN 3-492-23035-0.
- Paul Pettitt: Art and the Middle-to-Upper Paleolithic transition in Europe. Comments on the archaeological arguments for an early Upper Paleolithic antiquity of the Grotte Chauvet art. In: Journal of Human Evolution 55, 2008, 5, ISSN 0047-2484, S. 908–917.
Einzelnachweise
- ↑ Jean-Marie Chauvet, Eliette Brunel Deschamps, Christian Hillaire (1995), Grotte Chauvet bei Vallon-Pont-d'Arc. Altsteinzeitliche Höhlenkunst im Tal der Ardèche. Jan Thorbecke, Stuttgart 1995, 3. Aufl. 2001, ISBN 3-7995-9000-5
Weblinks
- The Cave of Chauvet-Pont-d’Arc (englisch, französisch und spanisch)
- Kritik zum Datierungsansatz durch Christian Züchner, Erlangen (englisch)
44.354.49Koordinaten: 44° 21′ 0″ N, 4° 29′ 24″ OKategorien:- Höhle in Europa
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