- Wilhelm Pevny
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Wilhelm Pevny (* 15. Juni 1944 in Wallersdorf, Niederbayern) ist ein österreichischer Schriftsteller und Drehbuchautor.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Werk
Wilhelm Pevny wird im niederbayrischen Heimatort seiner Mutter geboren; als der Vater 1947 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückkommt, holt er Frau und Sohn in das zerbombte Nachkriegswien. Pevny wächst in der Brigittenau, einem Wiener Arbeiterbezirk auf.
In seiner Streitschrift „Die Vergessenen Ziele – Wollen sich die 68er davonstehlen?“ schreibt er 1988:
"Ich glaube behaupten zu können, dass meine Eltern eine sogenannte Musterehe gelebt haben, nicht dem Schein nach, sondern - soweit ich es beurteilen konnte - wirklich, das heißt, man spürte, sie mögen sich, waren nett zu mir. Trotzdem bin ich mit zwanzig, als ich das Elternhaus verlasse, einer der erbittertsten Gegner der Kleinfamilie... Als ich Wilhelm Reichs Massenpsychologie des Faschismus lese, worin Reich den Zusammenhang zwischen Kleinfamilie und aggressivem Anpasslertum, das sich epochenweise entlädt... beschreibt."
Pevny studiert zunächst in Wien Theaterwissenschaft und Germanistik, geht 1967 nach Paris, wo er bis 1969 an der Berlitz Sprachschule als Lehrer tätig ist und durch die blutige Polizeigewalt in den Straßen von Paris "vom liberalen Humanisten zum wütenden Linken" wird.
Bei kurzen Aufenthalten in Wien, um das Studium zu beenden, wird sein Theaterstück Flipper anlässlich der Gründung des Cafétheaters (von Götz Fritsch, Hilde Berger und Dieter Haspel ins Leben gerufen) 1968 zur Aufführung gebracht, 1969 folgt Oedip-Entsinnung. Ellen Stewart, Leiterin des La Mama Theatre New York, sieht das Stück in Wien und engagiert Pevny und Fritsch nach New York, wo Pevnys experimentelles Theaterstück Sprintorgasmics uraufgeführt wird. Die abendländische Orgasmuskurve stellt sich in einem Verhör dar, in der Rede eines Diktators, in der Werbung, in militärischer Ausbildung. Der Mensch wird durch sinnliche Momente manipuliert, die ihm erst entzogen werden, um sie ihm dann zu den Konditionen der Herrschenden scheibchenweise wieder zu bieten. Die Schauspieler, in der Tradition des körperbetonten Living Theatre ausgebildet, agieren in New York nackt auf der Bühne, gleichzeitig ist „Sprintorgasmics“ durch rhythmischen Chor Reminiszenz an das antike griechische Theater. Die Kritikerin Joyce Tretick im Show Buisiness: "Mr. Pevny's work is a minor master piece told in powerful visual terms. This is by far the most exciting thing La Mama has had in a very long time."
Anders die Publikums- und Pressereaktionen in Wien 1971, als das Stück mit bekleideten Schauspielern am Wiener Volkstheater unter der Direktion von Gustav Manker in einer legendären Doppelpremiere mit Peter Turrinis "Rozznjogd", ebenfalls unter der Leitung von Götz Fritsch aufgeführt wird: In Befürworter und Gegner gespalten, kommt es bei der Premiere im Zuschauerraum zu einem Skandal, wilden Protesten und sogar zu Handgreiflichkeiten, zum damaligen Unverständnis des knapp siebenundzwanzigjährigen Autors, der Experimente wie dieses im Sinne der Nachfolge Samuel Becketts und Antonin Artauds nicht mehr traditionell betrachtet wissen kann. Pressestimmen sind mit Ausnahme der von Arthur West in der Volksstimme ("Pevnys anspruchsvolles Denkerfordernis") sowie der von Fitz Walden in der Arbeiter-Zeitung[1] weitgehend ablehnend. 1972 gastiert Pevny am Mickery Theater in Amsterdam mit dem international besetzten Stück Rais, der auf neun Bühnen synchron bespielten Lebensgeschichte von Gilles de Rais, Mitstreiter der Jeanne d’Arc, welcher aus Kinderblut Gold zu gewinnen glaubte.
In den Jahren 1973 bis 1980 entstehen in Zusammenarbeit mit Peter Turrini die Drehbücher zur sechsteiligen Fernsehserie Alpensaga, Regie Dieter Berner sowie der Fernsehfilm Der Bauer und der Millionär, Regie Axel Corti.
In der Arbeit an den Alpensagadrehbüchern beabsichtigt Pevny ausdrücklich, Geschichte und Geschichtsschreibung aus dem Blickwinkel der Bevölkerung, im Gegensatz zur bisherigen Geschichtsschreibung aus Sicht der Herrschenden darzulegen, für ihn ein Spagat zwischen politischer Verantwortung und künstlerischem Anspruch. Das Kollektiv der Zusammenarbeit und Wohngemeinschaft jener, die an der Alpensaga arbeiten, scheitert menschlich. Die Drehbücher werden fertig gestellt. Pevny geht nach Abschluss der Arbeit für mehrere Monate nach Bali. 1979 entsteht nach Johann Nestroy Die beiden Nachtwandler oder das Notwendige und das Überflüssige das Stück Der Traum vom Glück, uraufgeführt am Akademietheater (Wien) im Sinne seiner literarischen Vorväter James Joyce, Samuel Beckett, Johann Nestroy. Der Revolutionsgeist von 1848 wird hier mit den Erfahrungen von 1968 weitergesponnen.
Pevnys Schaffen gliedert sich zunächst in eine experimentelle Phase und in eine politische, die ihren Höhepunkt im dokumentarischen Spielfilm Safari - Die Reise, der kritischen Beleuchtung Südafrikas im Apartheid-Regime findet, 1985 in Mosambik gedreht, 1987 im Wiener Votivkino uraufgeführt, erhält der Film den Max Ophüls-Preis mit der Begründung: es liege eine weiße Frau mit einem Schwarzen im Bett, letzten Endes nicht. Am Tag nach der Filmpräsentation 1988 in Mosambik wird auf den Aktivisten des ANC (African National Congress) Albie Sachs, der in Safari - Die Reise mitwirkt, ein Attentat verübt. Albie Sachs überlebt schwer verletzt, verliert einen Arm und ein Auge. Pevnys massive Anstrengungen, dies in der österreichischen Presse publik zu machen, scheitern. 1991 wird der Film vom ORF zensuriert, jene Passage, die Österreichische Nationalbank unterhalte geschäftliche Verbindungen mit dem Apartheid-Regime, wird mit Zwitscherton überblendet. Pevny, der bisher laufend in Glossen und Feuilletons politisch Stellung genommen hat, zieht sich daraufhin unter Protest mittels einer Presseaussendung an die APA aus der Öffentlichkeit zurück. Der Kurier dazu: "Autor Willhelm Pevny wird in Österreich nichts mehr publizieren. Der Grund: Zensur seines Films „Safari - Die Reise."
Durch Betreiben der Schauspielerin Eva Linder, die in Safari - Die Reise mitwirkt, gelingt es, Pevny nach jahrelangem Schweigen, zu einer Theaterproduktion (Bouvard & Pécuchet, Bühnenfassung nach dem gleichnamigen Roman von Gustave Flaubert) im Vorstadttheater echoraum zu bewegen. Unter Linders Mitwirkung entsteht auch das Hörspiel Eine Stunde Welt - Eine Störung.
Pevny schreibt in der Folge mehrere Hörspiele für den österreichischen und den bayrischen Rundfunk; der Roman Trance erscheint 1999 in der edition echoraum.
2008 nimmt der Wieser Verlag den 671 Seiten starken Roman Palmenland ins Programm und 2009 den Erzählband Luft.
Mit „Palmenland“ ist Pevny zu Experiment und künstlerischem Ausdruck, unter Beibehaltung seines politischen Hintergrundes, zurückgekehrt.
Werkübersicht
- Flipper Uraufführung 1968 im Cafétheater Wien
- Nachrichten richten nach Fernsehfilm. mit Herbert Brödl
- Sprintorgasmics Uraufführung 1969 im La Mama Theatre New York
- Sprintorgasmic deutsche Erstaufführung 1971 im Wiener Volkstheater
- Rais Uraufführung 1972 im Mickery Theater Amsterdam
- Alpensaga Fernsehserie. 1973-1980 mit Peter Turrini
- Der Bauer und der Millionär Fernsehfilm. 1975. Regie Axel Corti
- Junge Leute brauchen Liebe Film. 1976. mit Käthe Kratz
- Der Traum vom Glück Uraufführung 1978 im Akademietheater (Wien)
- Safari - Die Reise Kinofilm. 1985. Buch und Regie Wilhelm Pevny
- Schönes Wochenende Uraufführung 1986 im Ensembletheater Wien
- Der Mann, der nicht lieben konnte Erzählungen. 1986. Edition S (Österreichische Staatsdruckerei)
- Die Afrikanische Reise Tanzania Literarischer Bildband. 1987. Text Wilhelm Pevny, Photos Hubert Schatzl
- Die vergessenen Ziele. Wollen sich die 68er davonstehlen? Eine andere Rede über Österreich. 1988. Europaverlag Wien-Zürich
- Gewinner Verlierer Erzählungen. 1988. Europaverlag Wien-Zürich
- Take it easy Uraufführung 1989 im Ensemble Theater Wien
- Bouvard & Pécuchet Bearbeitung des gleichnamigen Romans von Gustave Flaubert. Uraufführung 1997 im echoraum Wien
- Das Gastmahl Theaterbearbeitung der Erzählung Die Toten von James Joyce. 1999. Uraufführung im echoraum Wien
- Trance Roman. 1999 edition echoraum ISBN 3901941010
- Palmenland Roman. 2008. Wieser Verlag ISBN 9783851296778
- Luft Erzählungen. 2009. Wieser Verlag ISBN 9783851298352
Einzelnachweise
- ↑ Das Programm steht im Programmheft. In: Arbeiter-Zeitung, 29. Jänner 1971, S. 12.
Weblinks
- Diplomarbeit von Elisabeth Winkelhofer auf der Webseite der Universität Wien univie.ac.at
- Rezension zu Luft von Klaus Ebner in der Literaturzeitschrift Etcetera
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