Reichsausschuss zum Schutze des deutschen Blutes

Reichsausschuss zum Schutze des deutschen Blutes

Der Reichsausschuss zum Schutze des deutschen Blutes war ein in der NS-Zeit bestehendes Gremium, das sich mit nach dem Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze 1935 notwendig gewordenen Ehegenehmigungsanträgen von heiratswilligen „jüdischen Mischlingen“ befasste und von 1936 bis 1937 tagte.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Nach der Ausführungsverordnung zum Blutschutzgesetz bedurfte es einer Genehmigung für die Heirat von „Mischlingen I. Grades“ (sogenannten Halbjuden) mit einem „Mischlinge zweiten Grades” oder einem „deutschblütigen” Ehepartner.[1] Dazu war ein mehrstufiges und langwieriges Prüfverfahren vorgesehen.

An erster Stelle war eine physische Untersuchung bei einer zuständigen Gesundheitsbehörde vorgeschrieben, wobei die Verlobten „körperlich, charakterlich und erbbiologisch” begutachtet wurden. Hier schon scheiterten zahlreiche Antragsteller. Dem Antrag waren ferner polizeiliche Führungszeugnisse und Stellungnahmen des Gauamtes für Volksgesundheit und der NSDAP-Gauleitung beizufügen. Auf dieser Grundlage sprach ein Beauftragter der Landesinnenministeriums eine Empfehlung aus und reichte das Material an den „Reichsausschuss für Ehegenehmigungen” weiter, der kurz darauf als „Reichsausschuss zum Schutze des Deutschen Blutes” firmierte. Auch dessen Entscheidung hatte jedoch keine bindende Wirkung.[2]

Organisation

Auf Grund des Runderlasses vom 23. Dezember 1935 (Reichsministerialblatt 1935, S. 881; Reichsministerialblatt der inneren Verwaltung 1936, S. 11) wurde der Reichsausschuss für Eheangelegenheiten bzw. der Reichsausschuss für Ehegenehmigungen beim Reichsministerium des Innern gebildet und ab Januar 1936 zum Reichsausschuss zum Schutze des deutschen Blutes (Reichsministerialblatt der inneren Verwaltung, S. 21) umbenannt. Er wurde als Entscheidungsgremium über die Zulässigkeit von Ehen „jüdischer Mischlinge“ mit Deutschen angesehen und trat am 9. Juni 1936[3] erstmalig zusammen. Ihm gehörten 7[4] von Adolf Hitler auf Vorschlag des Stellvertreter des Führers Rudolf Heß und des Reichsminister des Innern Wilhelm Frick ernannte Mitglieder an,[5] die im Jahr seines Bestehens zwölf Sitzungen abhielten.[6] Die meisten ordentlichen Mitglieder waren nur bei der konstituierenden Sitzung anwesend und ließen sich später durch ihre dort gewählten Stellvertreter vertreten.[7]

Mitglieder[8]

Ordentliche Mitglieder

Stellvertretende Mitglieder

Tätigkeit

Bis zur 11. Sitzung des Ausschusses im März 1937 waren 712 Anträge eingegangen, die zu 98 Ablehnungen und zur Einschätzung von 13 Zweifelsfällen führten. Die große Mehrzahl der Gesuche blieb unbearbeitet.[11] Hatte der Ausschuss seine Empfehlung ausgesprochen, sollten der Innenminister und der Stellvertreter des Führers endgültig entscheiden.[12] Später leiteten die regionalen Behörden die Anträge direkt an das Reichsministerium des Innern, bis die Bearbeitung dort mit einem Erlass vom März 1942 generell eingestellt wurde.[13] Insgesamt wurde nur eine äußerst geringe Anzahl (weit unter 1 %) der Anträge befürwortet.[14]

Nach Kriegsende

Der Reichsausschuss zum Schutze des deutschen Blutes wurde durch den Alliierten Kontrollrat am 10. Oktober 1945 mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 2 (Artikel I 2. Anhang Nr. 50) förmlich aufgelöst und verboten.

1950 wurde ein „Bundesgesetz über die Anerkennung freier Ehen“ (BGBl. I, S. 226) für politisch Verfolgte erlassen, denen aufgrund nationalsozialistischer Gesetze die Eheschließung verweigert worden war.

Literatur

  • Alexandra Przyrembel: Rassenschande. Reinheitsmythos und Vernichtungslegitimation im Nationalsozialismus. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-35188-7, S. 309 ff.

Einzelnachweise

  1. Erste Verordnung zur Ausführung des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 14. November 1935 (RGBl I, 1334)
  2. Beate Meyer: Jüdische Mischlinge. Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933 - 1945. Hamburg 1999, S. 175.
  3. Sybille Baumbach: Rückblenden. Lebensgeschichtliche Interviews mit Verfolgten des NS-Regimes in Hamburg. Hamburg 1999, S. 145.
  4. Alexandra Przyrembel: Rassenschande. Reinheitsmythos und Vernichtungslegitimation im Nationalsozialismus. Göttingen 2003, S. 311.
  5. Uwe Dietrich Adam: Judenpolitik im Dritten Reich. Düsseldorf 1972, S. 145. (hier wird fälschlicherweise von 17 Mitgliedern gesprochen)
  6. Alexandra Przyrembel: Rassenschande. Reinheitsmythos und Vernichtungslegitimation im Nationalsozialismus. Göttingen 2003, S. 311.
  7. Beate Meyer: Jüdische Mischlinge. Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933 - 1945. Hamburg 1999, S. 170.
  8. Nach: Das Archiv. Nachschlagewerk für Politik, Wirtschaft, Kultur. Berlin 1936, S. 1445. Und: Beate Meyer: Jüdische Mischlinge. Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933 - 1945. Hamburg 1999, S. 170.
  9. Robert N. Proctor: Racial hygiene. Medicine under the Nazis. Harvard University Press, Cambridge 1988, ISBN 0-674-74578-7, S. 135.
  10. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 72.
  11. Beate Meyer: Jüdische Mischlinge. Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933 - 1945. Hamburg 1999, S. 172.
  12. Beate Meyer: Jüdische Mischlinge. Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933 - 1945. Hamburg 1999, S. 167.
  13. Alexandra Przyrembel: Rassenschande. Reinheitsmythos und Vernichtungslegitimation im Nationalsozialismus. Göttingen 2003, S. 310.
  14. Vgl.: Frank Bajohr und Joachim Szodrzinski: Hamburg in der NS-Zeit. Ergebnisse neuerer Forschungen. Hamburg 1995, S. 133.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Herbert Linden — (* 14. September 1899 in Konstanz oder Berlin; † 27. April 1945 in Berlin) war Mediziner, Ministerialdirigent im Reichsministerium des Innern, Obergutachter der Euthanasie Aktion T4 und ab Oktober 1941 Reichsbeauftragter für Heil und… …   Deutsch Wikipedia

  • Jüdischer Mischling — Der nationalsozialistische und rassentheoretische Begriff „jüdischer Mischling“ wurde in der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 definiert. „Jüdische Mischlinge“ waren danach Deutsche, die von einem oder zwei… …   Deutsch Wikipedia

  • Arthur Julius Gütt — (* 17. August 1891 in Michelau, Kreis Rosenberg in Westpreußen; † 2. März 1949 in Stade) war ein deutscher Arzt und Eugeniker. In der Zeit des Nationalsozialismus stieg er binnen kurzer Zeit zu einem einflussreichen Medizinalbeamten auf. Er gilt… …   Deutsch Wikipedia

  • Kurt Blome — als Angeklagter im Nürnberger Ärzteprozess Kurt Blome (* 31. Januar 1894 in Bielefeld; † 10. Oktober 1969 in Dortmund) war ein deutscher Arzt, Politiker und Reichstagsabgeordneter der NSDAP. Seine medizinischen Arbeitsgebiete …   Deutsch Wikipedia

  • Oswald Pohl — während der Nürnberger Prozesse. Oswald Ludwig Pohl (* 30. Juni 1892 in Duisburg; † 7. Juni 1951 in Landsberg) war ein deutscher SS Obergruppenführer und General der Waffen SS. Pohl war als Leiter des SS Wirtschafts und Verwaltungsha …   Deutsch Wikipedia

  • Arthur Gütt — Arthur Julius Gütt (* 17. August 1891 in Michelau, Kreis Rosenberg in Westpreußen; † 2. März 1949 in Stade) war ein deutscher Arzt und Eugeniker in der Zeit des Nationalsozialismus. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke …   Deutsch Wikipedia

  • Arthur Julius Gutt — Arthur Julius Gütt (* 17. August 1891 in Michelau, Kreis Rosenberg in Westpreußen; † 2. März 1949 in Stade) war ein deutscher Arzt und Eugeniker in der Zeit des Nationalsozialismus. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke …   Deutsch Wikipedia

  • Artur Gütt — Arthur Julius Gütt (* 17. August 1891 in Michelau, Kreis Rosenberg in Westpreußen; † 2. März 1949 in Stade) war ein deutscher Arzt und Eugeniker in der Zeit des Nationalsozialismus. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke …   Deutsch Wikipedia

  • Bruno Kurt Schultz — (* 3. August 1901 in Sitzenberg; † 1997) war ein österreichisch deutscher SS Führer, Anthropologe und Hochschullehrer. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1.1 Wissenschaftliche Tätigkeit 1.2 Poli …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Brauneck — Hermann Max Gustav Brauneck (* 19. Dezember 1894 in Sulzbach/Saar; † 27. Juli 1942 in Kertsch) war ein deutscher Chirurg und SA Führer. Inhaltsverzeichnis 1 Biografie 1.1 Ausbildung und Beruf 1.2 Zei …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”