- Rinderoffenstall
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Der Rinderoffenstall ist eine überdachte und – im ursprünglichen Sinn - nur zur Wetterseite hin mit einer Schutzwand versehene Stallung zur Freilaufhaltung (d.h. mit freiem Zugang zu Tränke und Futterplatz) von Rindern.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Offenställe werden heute fast ausschließlich mit der Landwirtschaft in der DDR in Verbindung gebracht. Tatsächlich ist diese Bauform, meist als Weidetierunterstand im Außenbereich zum Schutz gegen Niederschläge bzw. Sonneneinstrahlungen im Außenbereich weit verbreitet, jedoch nur saisonweise, nicht zur ganzjährigen Einstallung.
Für eine Ganzjahreshaltung sind sie nur in Regionen mit geeignetem Klima bzw. für widerstandfähige Rinderrassen geeignet; hierauf bezogen sich auch gute Erfahrungen in klimatisch günstigen Regionen der Sowjetunion, auf die man sich in der DDR in den 1950er Jahren berief.
Entsprechende Untersuchungen fanden Anfang der fünfziger Jahre auch am Institut für Tierzucht der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich statt.[1]
Rinderoffenställe in der DDR
Die Propagierung der Offenstallhaltung Ende der fünfziger Jahre
Der Rinderoffenstall war eine Forderung der 33. Plenarsitzung des ZK der SED (16.-19. Oktober 1958), in der die in den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) zusammengeschlossenen Bauern im Rahmen der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft angewiesen wurden, offene Stallungen zur Rinderhaltung zu schaffen, um das Ziel des zweiten Fünfjahrplans der Landwirtschaft zu erreichen, nämlich die Steigerung der Erträge der tierischen Produktion und die weitere Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung aus eigenem Aufkommen. Infolge eines diesbezüglichen Referats von Walter Ulbricht wurde diese Art der Rinderhaltung zu einer sozialistischen Errungenschaft hochstilisiert, deren Umsetzung geradezu unabdingbare Voraussetzung für den Ausweg aus der damaligen Versorgungsmisere sein sollte. Eine gesetzliche Grundlage dazu wurde im „Gesetz über den zweiten Fünfjahrplan zur Entwicklung der Volkswirtschaft in der DDR“ geschaffen; seitens des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft (Minister Hans Reichelt, Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBP) wurden Hinweise zur Errichtung von Milchviehoffenställen erarbeitet und herausgegeben.
Für die Propagierung der Rinderoffenställe gab es mehrere Gründe:
1. Eine Verbesserung der angespannten Versorgungslage, die sich bereits als Folge der Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone 1945/1946 ergeben hatte.
2. Die Zusammenlegung der Milchviehbestände weg von den Einzelhöfen in zentrale Anlagen würde zu einer rationelleren Bewirtschaftung führen, da sich nach dem Weggang vieler Bauernfamilien in den Westen im Zuge der Kollektivierung der Landwirtschaft ein akuter Arbeitskräftemangel ergeben hatte. Es war geplant, dass bis 1960 70% der rund 442.000 Milchkühe der DDR in Zentralställen untergebracht sein sollte. Der werktätige Einzelbauer muß im Durchschnitt 40 Minuten täglich aufwenden, um eine Kuh zu füttern, zu entmisten und zu melken. Dieser Unterschied zwischen elf und vierzig Minuten macht im Jahr 17 ganze Arbeitstage aus. Setzt man für den Wert einer Arbeitsstunde 1,50 Mark ein, so verbraucht der Einzelbauer je Tier im Jahr 261 Mark.[2]
3. Gegenüber traditionellen geschlossenen Stallanlagen konnten so nach einer Berechnung 66 Prozent der Baukosten und damit auch das entsprechende Baumaterial eingespart werden. Die dafür benötigten Stallanlagen hätten in traditioneller, geschlossener Bauweise rund 650 Millionen MDN (Mark der Deutschen Notenbank betragen; für die Offenställe wurden 217 Mio MDN veranschlagt. Für die einzelnen Materialposten wurden folgende Einsparungen berechnet:
Widerstände
Der Bau der offenen Stallanlagen stieß zunächst auf heftige Widerstände. Gründe hierfür waren:
1. Mangels klarer Beschreibungen hatte man einfach keine Vorstellung, was damit gemeint war. In der Schweriner Volkszeitung klagte ein Genosse Tesch, Erster Sekretär der Betriebsparteiorganisation im Wittenberger Nähmaschinenwerk: Nur müßten wir wenigstens von der Zeichnung her wissen, wie so ein Stall eigentlich aussieht.[2]
2. War die Ausweisung entsprechend großer Flächen notwendig und damit auch ein Verlust von Acker- und Weideland.
3. Waren oft keine ausreichenden Arbeitskräfte vorhanden, um die Bauten zu erstellen, da im Zuge der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft viele Bauersfamilien ihre Höfe Richtung Westen verlassen hatten. Im Kreis Schwerin wurden zwischen den Betrieben und deren Paten-LPG Hilfsverträge abgeschlossen. So errichteten Arbeiter der Schweriner Klement-Gottwald-Werke einen Offenstall für ihre Patenbauern in Leezen. Eisenbahner, Bahnpolizisten, Jugendliche, Soldaten und sogar Angehörige einer sowjetischen Truppeneinheit legten ebenfalls Hand an. Für das Herrichten des Dachstuhls ist vorgesehen, Genossen der Kampfgruppe mit heranzuziehen, meldete die Schweriner Volkszeitung.[2]
4. Gab es auch noch den gesunden Menschenverstand, der nicht in Einklang mit den Ideen der in der Landwirtschaft oft unerfahrenen Parteisekretäre zu bringen war, jedoch schnell als Boykott am Aufbau des Sozialismus gewertet werden konnte; bauunwilllige LPG-Vorsitzende wurden ihrer Posten enthoben.
Der „komplettierungsfähige“ Rinderoffenstall
Vom Offenstall lernen heißt: Nach der ersten Euphorie und aufgrund der Erfahrungen aus den LPGs stellte sich ein großes Problem: Winter! Was in warmen Regionen der Sowjetunion praktikabel war, war es eben nicht im rauhen Klima zwischen Ostsee und Erzgebirge, dazu kamen Unterschiede bei den einzelnen Rinderrassen hinsichtlich ihrer Kälteverträglichkeit: In den Wintermonaten gingen die Milchleistungen rapide zurück, da die Tiere die aufgenommenen Kalorien zur Herstellung von Körperwärme verbrauchten, Jungvieh erfror kläglich, auf dem gefrorene Boden war eine Stallreinigung nur erschwert möglich, das Vieh stolperte über festgefrorene Kuhfladen oder rutsche auf gefrorener Gülle aus, Knochenbrüche waren in den Wintermonaten an der Tagesordnung mit dem Ergebnis, dass sich der Viehbestand durch Notschlachtungen dezimierte. Während einer wissenschaftlichen Tagung der Deutschen Akademie für Landwirtschaft in Leipzig zum Thema „Offenstallhaltung“ wurden konkrete Zahlen genannt: Täglich starben 720 Rinder.[3]
1958 wurden der erste Offenstall sowie einige Schweinehütten in Holzbauweise errichtet. Auf Grund unserer klimatischen Bedingungen machte es sich jedoch erforderlich, den Offenstall 1959 zu einem geschlossenen Stall umzubauen.[4]
Da man nur ungern zurückrudern wollte, hieß die Zauberformel nun: Komplettierung von Rinderoffenställen – für Stallungen in Typen-Großblock- und Betonelementbauweise wurden in den sechziger Jahren sogar Bausätze für Seiten- und Frontwände mit Fenstern angeboten.
Status quo
Im Bereich der ökologischen Landwirtschaft wird in den letzten Jahren in kleinerem Umfang sowohl bei Rindern wie auch bei Schweinen wieder auf Offenstall-Haltung gesetzt. Wichtig ist dabei die Auswahl von entsprechend widerstandsfähigen Rassen, die jedoch – im Gegensatz zu Hochleistungsrassen in der extensiven Viehwirtschaft – eine geringere Milchleistung bzw. Ausschlachtgewicht haben. Auch für Pferde ist die Offenstallhaltung geeignet.
Literatur
- Arnd Bauerkämper: Zwangsmodernisierung und Krisenzyklen. Die Bodenreform und Kollektivierung in Brandenburg 1945 bis 1960/61. In: Geschichte und Gesellschaft. 25. Jg., Heft 4, Ostdeutschland unter dem Kommunismus 1945–1950. Vandenhoek und Ruprecht, Berlin 1999, ISSN 0340-613-X, S. 556-588.
- Lothar Hussel: Unser Rinderoffenstall. Deutscher Bauernverlag, Leipzig 1959.
- Lothar Hussel, Walter Schindler: Komplettierung von Rinderoffenställen. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Leipzig 1962.
- Manfred Teresiak: Marzahn wird vollgenossenschaftlich. Die LPG „Neue Ordnung“ in ihren Gründungsjahren. In: Luisenstädtischer Bildungsverein: Berlin von A bis Z. (online)
Einzelnachweise
- ↑ F. Weber: Vergleichende klimatologische und physiologische Untersuchungen am Rind in einem Offenstall und in einem Stall konventioneller Bauart. In: Zeitschrift für Tierzüchtung und Züchtungsbiologie. 1955, Ausgabe 64 / 1955, S. 1-24.
- ↑ a b c Der Stall ist offen. In: Der Spiegel. 10. Jg., Nr. 10 vom 5. März 1958
- ↑ Januar 1961. In: Chronik der Mauer.
- ↑ Steinigtwolmsdorf: Die Landwirtschaft.
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