- Weichselland
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Das sogenannte „Weichselland“ oder „Weichselgebiet“ (russisch Привислинский Край, Priwislinski Kraj; polnisch Kraj Nadwiślański) bezeichnete ab März 1867 die westlichste Provinz des Russischen Zarenreiches, die zwischen 1831 und 1867 sukzessive im 1815 eingerichteten „Kongresspolen“ errichtet wurde. Weitere Bezeichnungen waren Generalgouvernement Warschau und Weichselgouvernement, oder auch Russisch-Polen.
Das russische Herrschaftsgebiet war beschränkt auf die mittlere Weichsel, denn der Oberlauf um Krakau unterstand dem Österreichischen Kaisertum, der Unterlauf ab Thorn gehörte zu Westpreußen. Der Begriff Weichselland wird im Deutschen auch geographisch verwendet, insbesondere zur geographischen Beschreibung in der Bronzezeit[1] oder vor der Völkerwanderung.[2]
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Vorgeschichte
Im polnischen Novemberaufstand von 1830 wurde der Zar Nikolaus I. vom polnischen Parlament als polnischer König abgesetzt. Nach Wiederherstellung der russischen Macht 1831 wurden die vom Wiener Kongress 1815 beschlossenen Strukturen, wie polnischer Königstitel für den russischen Zaren, Verfassung von 1791, Parlament usw. nicht wieder hergestellt. Somit war die Bezeichnung „Kongresspolen“ nicht mehr sinnvoll.
Nach der Eroberung von Warschau am 7. September 1831 wurde Iwan Fjodorowitsch Paskewitsch vom Zar zum Fürsten von Warschau erhoben. Als Statthalter des Zaren (russ. Namestnik) ernannt, begann er die Russifizierung des Landes. Das vom Zar 1832 gegebene Verfassungsgesetz Organisches Statut, bei dem die Personalunion abgeschafft und das ehemalige Königreich annektiert wurde, wurde bald missachtet. Die polnischen Woiwodschaften wurden aufgelöst, das Weichselgebiet 1837 in russische Gouvernements aufgeteilt, die mehrmals umstrukturiert und umbenannt wurden. Von 1833 bis 1856 stand das gesamte Gebiet unter dem Ausnahmezustand.
Nach der russischen Niederlage im Krimkrieg (1853–1856) leitete der seit 1855 regierende Zar Alexander II. Reformen ein, die auch das Weichselgebiet betrafen. Eine Zeit der Liberalisierung setzte ein, der polnischen Bevölkerung wurden weitergehende Rechte auf konservativer Grundlage (Adelsprivilegien) eingeräumt, ohne dass eine Kodifizierung erfolgte. 1860 hatte das Weichselgebiet 4,8 Millionen Einwohner, Warschau war mit 230.000 Einwohnern die größte Stadt.
Der Januaraufstand von 1863 brachte eine weitere Zäsur. Die Anführer des Aufstandes wurden hingerichtet, Rechte und kulturelle Freiheiten eingeschränkt. Polnisch wurde als Amtssprache verboten.
Russisches „Weichselland“
Mit den Reformen von 1867, bei denen auch das Wappen von Kongresspolen abgeschafft wurde, wurde das nun in zehn Gouvernements aufgeteilte Gebiet als Weichselland ins Zarenreich integriert. Auch wurde Polen als geographischer Begriff von russischer Seite nicht mehr verwendet, der Sammelbegriff Weichselland für die verschiedenen russischen Provinzunterteilungen wurde 1867 offiziell.
Bis 1880 stieg das Weichselland, vor allem bedingt durch Auslandsinvestitionen, zur höchstentwickelten russischen Provinz auf. Die politische Situation stagnierte. Die Bevölkerung wuchs bis 1900 auf 9,4 Millionen Menschen an. Mit der Thronbesteigung Zar Nikolaus II. 1894 waren keine wesentlichen Veränderungen in den Verhältnissen verbunden. Der Russisch-Japanische Krieg und die Revolution 1905 hatten kleinere Zugeständnisse in kulturellen und religiösen Fragen zur Folge.
Umwälzung infolge des Ersten Weltkriegs
Im Ersten Weltkriegs verschob sich 1915 die Ostfront deutlich nach Osten, als deutsche und österreichisch-ungarische Truppen den bisher russischen Teil Polens eroberten und besetzten. Bei ihrem Großen Rückzug hinterließ die russische Armee eine sprichwörtlich Verbrannte Erde. Die zaristische Herrschaft war damit dort de facto beendet, mit dem Friedensvertrag von Brest-Litowsk Anfang 1918 auch offiziell. Zwar hatten die Mittelmächte 1916 zwischenzeitlich versucht, durch Gründung eines Regentschaftskönigreichs Polen eine polnische Monarchie wiederzubeleben, jedoch bildete sich Ende 1918 die Zweite Polnische Republik.
Administrative Einteilung
Von den zehn Gouvernements (russ. Guberniya), in denen das Gebiet 1867–1916 eingeteilt war, lagen fünf rechts der Weichsel:
- Suwalskaja (Сувалкская, Sitz in Suwałki)
- Lomschinskaja (Ломжинская, Sitz in Łomża)
- Plozkaja (Плоцкая, Sitz in Płock)
- Sjedlezkaja (Седлецкая, Sitz in Siedlce)
- Ljublinskaja (Люблинская, Sitz in Lublin)
Fünf lagen links davon:
- Kalischskaja (Калишская, Sitz in Kalisz)
- Warschawskaja (Варшавская, Sitz in Warschau)
- Petrokowskaja (Петроковская, Sitz in Piotrków)
- Radomskaja (Радомская, Sitz in Radom)
- Kjelezkaja (Келецкая, Sitz in Kielce).
1912 wurde aus Teilen der Gouvernements Lublin und Siedlce ein Gouvernement Cholm (Холмская, Sitz in Chełm) gebildet, das aber aus dem Weichselland ausgegliedert und dem Generalgouvernement Kiew unterstellt wurde.
Vizekönige
- Friedrich Wilhelm Rembert von Berg (1863–74)
Der Titel Vizekönig wurde ersetzt durch den des Generalgouverneurs von Warschau.
General-Gouverneure von Warschau
- Paul Demetrius von Kotzebue (Halbbruder von Otto von Kotzebue, 1874–1880)
- Pjotr Albedinsky (1880–1883)
- Josef Wladimirowitsch Gurko (1883–1894)
- Paul Schuwalow (1894–1896)
- Alexander Konstantinowitsch Imeretinski (1896–1900)
- Michail Tschertkow (1900–1905)
- Konstantin Maximowitsch (1905)
- Georgi Skalon (1905–1914)
- Jakow Schilinski (1914)
- Pawel Jengalitschew (1914–1915)
Siehe auch
Literatur
- Manfred Alexander: Kleine Geschichte Polens. Stuttgart: Reclam 2003 (Quelle)
- Roman Dmowski: Deutschland, Rußland und die polnische Frage (Auszüge). In: Polen und der Osten. Texte zu einem spannungsreichen Verhältnis. Hrg. Andrzej Chwalba, ISBN 3-518-41731-2 (Denken und Wissen. Eine Polnische Bibliothek. Band 7)
- Hensel, Jürgen (Hg.): Polen, Deutsche und Juden in Lodz 1820–1939. Eine schwierige Nachbarschaft. Osnabrück: fibre Verlag 1999
Einzelnachweise
- ↑ „Aus Südosteuropa kommend stießen sie vor 7000 Jahren bis zum heutigen Mecklenburg ... vor, bis ins Weichselland ...“ - Klaus-Rüdiger Mai: Die Bronzehändler: eine verborgene Hochkultur im Herzen Europas. Campus Verlag, 2006 ISBN 3-593-37912-0 S. 51
- ↑ Gustaf Kossinna: Das Weichselland: Ein uralter Heimatboden der Germanen. 1919
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