Schabbtai Zvi

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Schabbtai Zvi

Schabbtai Zvi, auch Sabbatai Zewi oder Schabbatai Zwi (* 1626 in Smyrna (heute İzmir) ; † 16. September 1676 in Ulcinj) war ein Religionsgelehrter und selbsterklärter Messias.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und frühe Zeit

Schabbtai Zvis Familie stammt ursprünglich wohl vom Peloponnes. Erst sein Vater Mordechai, hebr. מרדכי (gestorben 1653), zog nach Smyrna. Der Name Zvi deutet auf einen aschkenasischen Ursprung der Familie.

Schabbtai wurde (wahrscheinlich) am Tischa beAv 5386 jüdische Jahreszählung in Smyrna als zweiter von drei Söhnen eines Händlers geboren. Zu Kindheit und Jugend gibt es keine gesicherten Informationen, ebenso wenig über seine Ausbildung. Vermutlich erhielt er eine traditionelle jüdische Bildung. Zu seinen Lehrern gehörte der Kabbalist Josef Eskapa. Im sechzehnten Lebensjahr begann er ein asketisches Leben, und es wird von einem Rabbi Isaac berichtet, der ihn dabei führte.

Prophet und Kabbalist

Im Jahre 1648, als während der ukrainischen Erhebung gegen die polnische Aristokratie unter Führung des Kosaken Bogdan Chmelnizki in Pogromen über 100.000 Juden in Osteuropa umgebracht wurden, erlebte Schabbtai eine Berufungsvision. Einigen Berichten zufolge erklärte er Freunden gegenüber, er sei ein Prophet. Zwischen 1651 und 1654 wurde er aus der jüdischen Gemeinde ausgeschlossen und musste Smyrna verlassen. Danach zog er nach Saloniki, wo er später ebenfalls ausgewiesen wurde. 1658 war Schabbtai in Istanbul, wo er weiter Kabbala studierte und 1659 auch hier ausgewiesen wurde. Er kehrte mit Rabbi David Chabillo, einem Kabbalisten und Gesandten der Jerusalemer Juden, den er in Istanbul kennengelernt hatte, nach Smyrna zurück.

Jerusalem und Kairo / Heirat

1662 reiste Schabbtai Zvi über Kairo nach Jerusalem. Während seines Aufenthaltes in Jerusalem wurde die jüdische Gemeinde im Jahre 1663 zur Zahlung einer großen Geldsumme gezwungen, die sie nicht aufbringen konnte. Ein Gesandter sollte in der wohlhabenden jüdischen Gemeinde Kairo Geld sammeln, um die Summe zahlen zu können. Die Wahl fiel auf Schabbtai Zvi. Er begann seine Reise gegen Ende des Jahres 1663.

Am 31. März 1664 heiratete Schabbtai eine wohl aus Polen stammende Jüdin namens Sarah. Diese Frau scheint schon 1655 in Amsterdam von sich behauptet zu haben, sie werde den messianischen König heiraten. Möglicherweise ist es diese Aussage gewesen, die Schabbtai dazu bewog sie zu heiraten. Von einigen Autoren wird sie als „geistig verwirrt“ geschildert. In Markus Branns Jüdische Geschichte aus dem Jahr 1903 ist allerdings keine Rede davon: Die Vorstellung der Brautschaft Christi, also des Messias, war auch keineswegs ein Zeichen geistiger Verwirrung, sondern damals wie heute fester Bestandteil des Selbstverständnisses jeder christlichen Nonne, symbolisiert durch das Tragen des Nonnenrings. Laut Brann war Sarah nach gewaltsamer Trennung von ihrer Familie in Polen im Alter von sechs Jahren in ein Nonnenkloster gegeben worden und dort aufgewachsen. Unter ungeklärten Umständen kehrte sie später in Amsterdam zur jüdischen Gemeinschaft zurück und gelangte über Deutschland nach Livorno. Von dort ließ Schabbtai sie durch einen Vertrauten nach Kairo holen, nachdem er von ihrer Geschichte erfahren hatte.

Diese Heirat brach erst den Bann und ebnete den Weg für die Gewinnung einer Anhängerschaft. Brann schreibt: „Durch diese Vorgänge wurden die Juden Ägyptens und des heiligen Landes zu einem Taumel überschwenglicher Hoffnungen fortgerissen. Der über Sabbatai verhängte Bann geriet in Vergessenheit, und selbst seine Vaterstadt empfing ihn mit lautem Jubel als den Messias und erwartete nach seiner Weissagung für das Jahr 1666 mit Bestimmtheit das neue Heil, das für Israel und die Welt anbrechen sollte.“

Messias

Zum entscheidenden Ereignis wurde, als Schabbtai Zvi gegen Ende des Jahres 1664/Anfang 1665 sich von Nathan Aschkenasi, einem Kabbalisten in Gaza, eine geistliche Unterweisung (einen „Tikkun“) geben lassen wollte. Überraschenderweise teilte der Rabbi ihm mit, dass er keinen Tikkun benötige, da er der Messias sei.

Am 31. Mai 1665, während eines Aufenthaltes in Gaza, erklärte sich Schabbtai, ermutigt von Nathans Prophezeiungen und „Stimmen“, die dieser empfangen hatte, zum Messias. Zeichenhaft ernannte er zwölf Mitglieder der Gemeinde zu Gaza zu Repräsentanten der zwölf Stämme Israels. Dies war der Beginn der messianischen Bewegung, die den Namen Schabbtais tragen und die ganze jüdische Diaspora erschüttern sollte (Sabbatianer).

Verbreitung

Zunächst erfasste die messianische Begeisterung Gaza und von dort ausgehend Hebron, Safed und Kairo. Wo es viele Vertreter der lurianischen Kabbala gab, wurde auch die Bewegung stark. Die Nachricht, der Messias sei erschienen, muss recht schnell um sich gegriffen haben. Zum einen sandte Nathan Aschkenasi, der zum Theologen der Bewegung wurde, Briefe an andere Gemeinden, zum anderen verbreiteten Anhänger und Reisende die „gute Nachricht“. Die Ausbreitung muss vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland und des große Kosakenaufstandes unter Bogdan Chmielnicki gegen die polnische Oberschicht und deren Verwaltung, vielfach Juden, gesehen werden.

Schabbtai zog nach Palästina. In Jerusalem, wo er mit den zwölf Vertretern der Stämme Israels erschien, um auf dem Tempelberg ein Opfer darzubringen, kam es zum Konflikt mit dem ortsansässigen Rabbinat. Schabbtais messianischer Anspruch wurde zurückgewiesen. Nachdem Schabbtai erfolglos versucht hatte, die muslimische Herrschaft herauszufordern, musste er Jerusalem verlassen. Über Safed, Damaskus und Aleppo kehrte er nach Smyrna zurück, wo er im Herbst 1665 ankam. Mittlerweile war er durch das Jerusalemer Rabbinat mit dem Bann belegt worden.

Smyrna und Konstantinopel

In Smyrna verhielt sich Schabbtai zunächst zurückhaltend. Auch in seiner Vaterstadt waren die Juden gespalten, wie man sich ihm gegenüber verhalten solle. Im Dezember tat Schabbtai Zvi den nächsten Schritt: er besetzte die sephardische Synagoge. Am 30. Dezember 1665 zog er begleitet von vier Rabbis Richtung Konstantinopel. Hatten die türkischen Behörden bisher ruhig reagiert, so schritten sie nun ein und setzten den „Messias“ und sein Gefolge fest, als er Anfang Februar 1666 in Konstantinopel ankam. Er kam in Gallipoli in eine Art Ehrenhaft, wo er Gesandte empfangen und Audienzen erteilen konnte.

Besonders in dem vom Dreißigjährigen Krieg verwüsteten Deutschland erfasste der messianische Taumel weite Teile der jüdischen Gemeinden. „Mit Begeisterung nahmen die großen Gemeinden des europäischen Abendlandes, besonders die von Amsterdam und Hamburg, die mannigfach ausgeschmückten Berichte auf, die aus der Türkei zu ihnen herüberdrangen. Portugiesische und deutsche Juden hofften, durch Sabbatai Zwi in naher Zukunft eine außerordentliche Umgestaltung aller Dinge zu erleben. Die einen bereiteten sich freudig erregt mit Gesang und Tanz, die anderen in demütiger Zerknirschung durch Kasteiungen und Bussübungen, alle aber in fieberhaft überspannter Aufregung auf das neue messianische Reich vor. In Smyrna wurde der Fasttag des 17. Tammus aufgehoben, weil Sabbatai Zwi die Nachricht verbreitete, dass ihm an diesem Tage die göttliche Berufung zuteil geworden sei. Auch der Tag der Zerstörung des Tempels sollte als sein Geburtstag in Zukunft nicht mehr mit düsteren Trauergebräuchen, sondern mit lauten Festlichkeiten gefeiert werden.“ (Brann, a.a.O. S. 50)

Konversion und Ende

Am 15. September 1666 stellte Schabbtai sich dem Gericht. Er wurde vor die Entscheidung „Tod oder Annahme des Islam“ gestellt - ersteres in der Form, dass ein Bogenschütze einen Pfeil auf ihn schieße, damit seine Unverwundbarkeit die Messianität beweise. Am Folgetag (16. September) lehnte er die Forderung ab und konvertierte zum Islam (indem er einen Turban aufsetzte); er erhielt den Namen des Sultans. Seine Frau Sara trat ebenfalls zum Islam über, wie viele - aber nicht alle - Anhänger auch.

Ende des Jahres 1672 wurde Schabbtai verhaftet. Die Anklage lautete auf Abfall vom Islam. Doch Schabbtai wurde nicht zum Tode verurteilt, wie es in ähnlichen Fällen üblich war, sondern in die Verbannung nach Albanien geschickt. Er starb am 16. September 1676 (zehn Jahre nach seinem Übertritt) im Exil.

Nachwirkungen

Unter dem Namen Dönmehs (auch Dönme) siedelten Anhänger in Griechenland und der Türkei. Kleine Gruppen existieren noch heute. Daneben gab es diverse neosabbatianische, dem Islam nahestehende Gruppen (z.B. die Karakaşlar oder die Yakubiler (Jakobiten)). In Polen mündeten die verbliebenen Anhängergruppen in die Bewegung des Jakob Frank.

Literatur

  • Ludwig Storch: Der Jakobsstern. Vier Theile. Sauerländer, Frankfurt am Main 1836.
  • Gershom Scholem: Sabbatai Zwi. Der mystische Messias. Jüdischer Verlag, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-633-54051-2.
  • Salomon Poljakov: Sabbatai Zewi. Aus dem Russischen von Z. Holm. Welt-Verlag, Berlin 1927.
  • Josef Kastein: Sabbatai Zewi. Der Messias von Ismir. Ernst Rowohlt-Verlag, Berlin 1930.
  • Chajim Hasas: Am Ende der Tage. 1934.
  • Markus Brann: Jüdische Geschichte. Löwit-Verlag, Wien 1903, Band 4, S. 48–51.

Weblinks


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