Schlacht von Sedan (1940)

Schlacht von Sedan (1940)
General Heinz Guderian in mittlerem Funkpanzerwagen (Sd.Kfz. 251/3) während der Schlacht bei Sedan, vorn Funker am Verschlüsselungsgerät „Enigma

Die Schlacht von Sedan (auch „Panzerdurchbruch bei Sedan“) war eine entscheidende Schlacht während des Westfeldzuges im Rahmen des Zweiten Weltkriegs, die vom 13. bis zum 15. Mai 1940 bei Sedan stattfand. Die Schlacht war der wichtigste Teil des deutschen Schlachtplanes zur Einkreisung der alliierten Armeen in Belgien und im Nordosten Frankreichs (Sichelschnittplan). Die deutsche Heeresgruppe A überquerte hier mit dem XIX. Armeekorps unter General Heinz Guderian die Maas mit der Absicht, von einem sicheren Maasübergang aus tief nach Nordwesten in Richtung der Küste des Ärmelkanals und somit in den Rücken der gemäß dem Dyle-Plan nach Belgien vorgerückten alliierten Truppen vorzustoßen.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Der am 10. Mai begonnene Angriff der Heeresgruppe A durch die Ardennen war bisher weitgehend gemäß dem deutschen Feldzugsplan verlaufen. Die Panzergruppe Kleist war gegen den Widerstand von zwei Divisionen belgischer Ardennenjäger durch das bewaldete Hochland durchgebrochen und hatte auch die zur Verstärkung entsandten französischen Kavallerieverbände am 12. Mai zur Aufgabe ihrer Verteidigungslinie an der Semois und zum Rückzug hinter die Maas gezwungen. Am selben Abend erreichten die ersten Einheiten von Guderians Korps die Maas bei Sedan, kurz nachdem die letzten französischen Einheiten den Fluss überquert hatten und die Brücken gesprengt worden waren.

Früher am Tag hatten der Befehlshaber der Panzergruppe Ewald von Kleist und Guderian bei einem Treffen die Angriffe des nächsten Tages besprochen. Da die Masse der Artillerie Guderians noch in den Ardennen feststeckte, war man zur Vorbereitung des Angriffs über den Fluss auf die Unterstützung der Luftwaffe angewiesen. Zusammen mit dem Kommandierenden General des II. Fliegerkorps Bruno Loerzer hatte Guderian einen Angriffsplan ausgearbeitet, der aufeinanderfolgende Wellen von Luftangriffen auf die französischen Stellungen vorsah. Der Sturm über den Fluss sollte erst am Nachmittag beginnen, da Guderian abwarten wollte, bis seine zurückhängende 2. Panzerdivision in Position gegangen war.

Verlauf

Der Angriff der Luftwaffe im Bereich der Panzergruppe Kleist am 13. Mai wurde mit der Masse der Luftflotte 3 und Teilen der Luftflotte 2 ausgeführt, davon waren allein 300 zweimotorige Bomber und 200 Stukas bei Sedan eingesetzt. Durch die gezielten, dauerhaften Bombardierungen, die schon am Morgen begannen und kurz vor dem Angriff der Bodentruppen am Nachmittag ihren Höhepunkt erreichten, brach die psychologische Widerstandskraft der französischen Verteidiger des hier eingesetzten X. Korps (55. und 71. Infanteriedivision, 3. Nordafrikanische Division). Hauptziel der Angriffe war die an der Maas-Schleife und rund um Sedan eingesetzte 55. Infanteriedivision, eine Division der Kategorie B (Reservisten älter als 30 Jahre), die in den Monaten vor dem Angriff kaum Gefechtsausbildung bekommen hatte, da der französische Oberbefehlshaber Marschall Gamelin hier nicht mit einem deutschen Angriff rechnete („Die Ardennen sind für Panzer unpassierbar!“). Bei den Luftangriffen wurden vor allem die offen verlegten Kabel der französischen Feldfernsprecher zerstört, wodurch die vordersten Verbände keinen Kontakt mehr zu ihren Kommandeuren hatten und somit ein koordinierter Abwehrkampf nicht mehr möglich war. Auch waren die Bunker im Abschnitt Sedan zum großen Teil noch im Rohbau, viele Bunker hatten weder Türen noch verschließbare Schießscharten. Selbst auf das Anlegen von Minenfelder hatten die Franzosen verzichtet, obwohl sie knapp 1000 Minen zur Verfügung hatten. Diese wurden später von den deutschen Truppen in einem Depot entdeckt.

Deutsche Pontonbrücke über die Maas in Floing nahe Sedan

Um 16 Uhr begann das XIX. Armeekorps, gedeckt durch die Luftangriffe von Stukas und Bombern, mit dem Angriff über den Fluß. Die 1. Panzer-Division unter Friedrich Kirchner mit unterstelltem Regiment Großdeutschland (Gerhard Graf von Schwerin) griff im Zentrum an, die 2. Panzer-Division unter Rudolf Veiel weiter westlich bei Donchery und die von Ferdinand Schaal befehligte 10. Panzer-Division weiter südöstlich durch die südlichen Vororte Sedans. Der Schwerpunkt des Angriffs lag bei der 1. Panzerdivision im Zentrum, wo die Franzosen eine durch eine Flussschleife gebildete Landzunge aufgrund ihrer exponierten Lage evakuiert hatten. Da die Franzosen alle Brücken über die Maas gesprengt hatten, mussten die angreifenden Sturmpioniere und Infanteristen mit Schlauchbooten übergesetzt werden. Nachdem drei relativ kleine Stoßtrupps erste Breschen in die Verteidigungsstellungen geschlagen hatten, stieß das Schützen-Regiment 1 der 1. Panzerdivision, geführt von Oberstleutnant Hermann Balck, weiter vor und durchbrach letztlich auch die weiteren Auffanglinien der Franzosen. Mit der Einnahme der Höhe 301 (La Boulette) gegen 22 Uhr war der Durchbruch endgültig gelungen. Gegen 19 Uhr war die erste 12t-Fähre fertiggestellt und setzte sofort einige PaK, Infanteriegeschütze und Spähpanzer über, bevor mit dem Bau der Pontonbrücke bei Floing begonnen wurde. Diese Kriegsbrücke wurde gegen 0:20 Uhr fertiggestellt, aber es dauerte noch bis ca. 7:30 Uhr, bevor die ersten Panzer über die Maas setzten. In der Nacht war der Angriff der deutschen Infanterie wegen völliger Erschöpfung der Soldaten zum Stillstand gekommen.

Wäre der Gegenangriff der Reserve des französischen X. Korps schneller in Gang gekommen, so hätten zwei frische Infanterieregimenter, unterstützt durch zwei Panzerbataillone, über die schlafenden deutschen Soldaten hinweg zur Maas vorstoßen und den schwachen deutschen Brückenkopf fast problemlos eindrücken können. Doch dazu kam es nicht, da aufgrund einer fehlerhaft weitergegebenen Meldung eines französischen Artillerieoffiziers eine Massenpanik („Panik von Bulson“) unter den Franzosen ausbrach. In der falschen Annahme, die deutschen Panzer würden bereits Bulson (rund acht Kilometer südlich von Sedan) angreifen, gab der Befehlshaber der französischen Korpsartillerie gegen 18 Uhr den voreiligen Rückzugsbefehl. Daraufhin kam es zu besagter Panik, die rasch auf andere Truppenteile übersprang und schließlich zu einer wilden Flucht großer Teile der 55. Division führte, die sich letztlich im Strudel der Panik fast völlig auflöste und auch auf die rechts benachbarte 71. Division übertragen wurde. So wurde der Vormarsch der Korpsreserve durch die fliehenden Soldaten aufgehalten und der Gegenangriff um etliche Stunden verzögert. Gegen sieben Uhr am 14. Mai begann die linke Angriffsgruppe, bestehend aus dem Infanterieregiment 213 und dem Panzerbataillon 7, auf der Achse Chémery und Maisoncelle den Gegenangriff Richtung Norden auf Sedan. Die rechte Angriffsgruppe, gebildet aus dem Infanterieregiment 205 und dem Panzerbataillon 4, hatte aufgrund der Panik noch nicht aufgeschlossen und konnte so nicht mit angreifen. Durch Aufklärungsflugzeuge gewarnt, setzte der Kommandeur der 1. Panzerdivision Kirchner sofort die erste über die Maas gesetzte deutsche Panzerkompanie in Marsch Richtung Bulson, wo sie nach Kämpfen mit verbliebenen französischen Kräften gegen 8:45 Uhr eintraf und kurz vor den Franzosen den entscheidenen Höhenzug besetzen konnte („Wettlauf nach Bulson“). Hier traf die einzelne deutsche Panzerkompanie auf eine Übermacht von zwei Infanteriebataillonen des Infanterieregiments 213, die mit PaK und zwei Panzerkompanien des Panzerbataillons 7 (ausgerüstet mit leichten Panzern FCM 36) Richtung Bulson angriffen. Bald war die deutsche Panzerkompanie aufgerieben, erst als eine zweite Panzerkompanie eintraf, konnte der französische Angriff gestoppt werden. Nachdem eine weitere Panzerkompanie und Infanterie des Regiments Großdeutschland eingetroffen waren, gingen die Deutschen zum Gegenangriff über und drängten die Franzosen zurück. Im Tal des Flüßchens Bar Richtung Céhéry war der Angriff an der Kreuzung östlich von Connage durch zwei Züge Pak (3,7-cm-PaK 36) des Regiments Großdeutschland gestoppt worden. Auch hier wurde das Gefecht erst durch Eintreffen einer Panzerkompanie sowie 8,8-cm-Flak einer schweren Panzerjägerabteilung auf Selbstfahrlafetten entschieden. Nachdem weitere Verstärkungen durch Infanterie und Sturmpioniere eingetroffen waren, gingen die Deutschen auch hier zum Gegenangriff über und trieben die Franzosen zurück nach Süden, wo sie gegen Mittag Chémery (etwa zwei Kilometer südlich von Connage) und die wichtigen Brücken über den Ardennenkanal und die Bar bei Malmy intakt erobern konnten.

Hier entschied sich der Westfeldzug, als General Guderian gegen 14 Uhr den Befehl gab, dass die 1. und 2. Panzerdivision mit allen Kräften über die Brücken hinweg Richtung Westen angreifen sollten (zuvor hatte die 2. Panzerdivision die Brücken an der Mündung zur Maas bei Pont-à-Bar erobern können). Dabei missachtete er nicht nur den strikten Befehlen seiner Vorgesetzten, die erst die Sicherung des labilen Brückenkopfes forderten, sondern auch einen direkten Führerbefehl, der alle Aktionen nach einem erfolgreichen Maasübergang unter seinen persönlichen Befehl gestellt hatte.

Dabei ging Guderian ein großes Risiko ein, da die Franzosen starke Reserveverbände für einen Gegenangriff von Süden her im Anmarsch hatten. Bereits um fünf Uhr morgens am 14. Mai hatte der Befehlshaber der 2. Armee General Charles Huntziger seinen Reservedivisionen den Gegenangriff befohlen. Hierbei sollten zwei verstärkte Armeekorps (fünf Divisionen, darunter eine Panzerdivision und Restverbände des X. Korps) unter General Flavigny vom Nordrand des Bois de Mont-Dieu aus nach Norden über Chémery und Bulson auf Sedan vorstoßen. Nach zahlreichen Verzögerungen standen die Angriffstruppen gegen 17 Uhr bereit und warteten nur noch auf den Angriffsbefehl, der jedoch nicht erteilt wurde. Auf dem Weg zur Front hatte Flavigny die Straßen voller in Panik fliehender Soldaten gesehen. Als er gerade den Angriffsbefehl geben wollte, kamen Offiziere des 213. Regiments auf seinen Gefechtsstand, die ihm in Panik den gescheiterten Angriff der Korpsreserve schilderten und von hunderten, ja tausenden angreifenden deutschen Panzern sprachen. Da sein Vorgesetzter ihm befohlen hatte, zuerst den deutschen Durchbruch abzuriegeln und dann erst zum Gegenangriff anzusetzten, entschied er sich, zunächst das erstere zu tun und befahl seinen Divisionen, zur Verteidigung überzugehen. Wäre der Angriff durchgeführt worden, so hätten die rund 300 französischen Panzer zusammen mit der Übermacht an Infanterie die schwache deutsche Sicherung durch das einzelne Regiment Großdeutschland sicherlich überrannt. Die 1. und 2. Panzerdivision waren bereits nach Westen vorgestoßen und waren nicht mehr verfügbar. Zu allem Unglück hätte der Gegenstoß voll die Versorgungskolonnen getroffen – zu einem Zeitpunkt, als die 1. Panzerdivision meldete, dass sie kaum noch Munition und Kraftstoff zur Verfügung hatte. Die 10. Panzerdivision, die eigentlich nach Süden hätte sichern sollen, war in ihrem Abschnitt aber noch nicht einmal auf die Höhe von Bulson vorgestoßen, so dass ein energischer Gegenangriff, vor allem der mit schweren Char-B1-Panzern ausgerüsteten 3e DCr (Division cuirassée) mit großer Sicherheit erfolgreich gewesen und der deutsche Sichelschnittplan somit bereits an der Maas gescheitert wäre.

Ein weiterer Versuch zum Gegenangriff wurde am 15. Mai unternommen, doch auch hier sagte Flavigny nach etlichen Verzögerungen bei der Bereitstellung seiner Truppen völlig entnervt den Angriff ab, zumal inzwischen die 10. Panzerdivision weiter nach Süden vorgedrungen war und das strategisch wichtige hochgelegene Dorf Stonne, das Sprungbrett für den Gegenangriff, erobert hatte. Hier entschied sich eigentlich die Schlacht um Sedan, da sich die Franzosen in taktischen Gefechten um dieses Dorf verzettelten (das Dorf wechselte in drei Tagen 17 mal den Besitzer, deutsche Soldaten sprachen später von der „Hölle von Stonne“) und es so zu keinem koordinierten Gegenangriff auf Sedan mehr kam. Damit konnten die nachrückenden deutschen Panzer der Panzergruppe Kleist fast ungehindert zum Atlantik vorstoßen, um die alliierten Armeen im Norden einzukesseln, womit der Feldzug bereits entschieden war.

Luftkämpfe

Die alliierten Luftstreitkräfte versuchten am 14. Mai die Brücke von Floing aus der Luft zu zerstören. Aufgrund der sehr starken deutschen Flak und Konzentration von Jagdflugzeugen misslang dies unter hohen Verlusten. Ein Treffer auf dieser bis zu diesem Zeitpunkt einzigen Kriegsbrücke hätte weitreichende Folgen gehabt, da sie mit dem buchstäblich letzten Meter Pontonmaterial zusammengebaut worden war. Die Brücken der 2. und 10. Panzerdivision wurden erst in den darauffolgenden Tagen fertiggestellt, so daß letztlich alle Fahrzeuge und Panzer des XIX. Korps am 14. und 15. Mai über diese eine Brücke fahren mussten. Die hohen Verluste an Bombern führten auch dazu, dass es die alliierten Kommandeure nicht mehr wagten, ihre Bomber massiert einzusetzen. Somit errang die deutsche Luftwaffe an diesem Tag die Luftherrschaft, ein weiterer wichtiger Faktor für den deutschen Sieg.

Folgen

Am 15. Mai besiegten die Deutschen die letzten französischen Abwehrkräfte und drangen westwärts in die strategische Tiefe der alliierten Front ein. Fünf Tage später, am 20. Mai, erreichten deutsche Panzer den Ärmelkanal bei Abbeville. Die Masse der in Belgien und Nordfrankreich stehenden alliierten Truppen war hierdurch eingeschlossen worden. Die Schlacht von Sedan trug somit maßgeblich zur Niederlage Frankreichs im Jahre 1940 bei.[1][2]

Literatur

  • Joel Blatt: The French Defeat of 1940: Reassessments. Breghahn Books, 1998. ISBN 1-57181-109-5
  • Brian Bond: France and Belgium, 1939–1940. Davis-Poynter, London 1975. ISBN 0-7067-0168-2
  • Brian Bond: Britain, France and Belgium, 1939–1940. Brassy's, London 1990. ISBN 0-08-037700-9
  • Brian Bond, Michael Taylor: The Battle of France and Flanders, 1940. Leo Cooper, 2001. ISBN 0-85052-811-9
  • Robert A. Doughty: The Breaking Point: Sedan and the Fall of France, 1940. Archon Books, 1990. ISBN 0-208-02281-3
  • John Ellis: The World War II Data Book. Aurum Press, 1993. ISBN 978-185410-254-6
  • L.F. Ellis: The War in France and Flanders 1939-1940. In: History of the Second World War United Kingdom Military Series. Naval & Military Press, 2004 (1. Auflage: Her Majesty's Stationery Office, 1954). ISBN 978-184574-056-6
  • Martin Marix Evens: The Fall of France. Osprey Publishing, Oxford 2000. ISBN 1-85532-969-7
  • Karl-Heinz Frieser: Blitzkrieg-Legende: Der Westfeldzug 1940. 3. Aufl. Oldenbourg, München 2005. ISBN 3-486-57824-3
  • Mark Healy: Panzerwaffe, Volume 2: The Campaigns in the West 1940. Ian Allan Publishing, London 2008. ISBN 978-0-7110-3240-8
  • E.R. Hooton: Luftwaffe at War: Blitzkrieg in the West. Chervron/Ian Allen, London 2007. ISBN 978-1-85780-272-6
  • John Keegan (Hrsg.): The Oxford Companion to World War II. Oxford University Press, Oxford 2005. ISBN 0-19-280666-1
  • Michael D. Krause, R. Cody Phillips: Historical Perspectives of the Operational Art. Center of Military History, United States Army, 2006. ISBN 978-0-16-072564-7
  • Peter Mansoor: Schwerpunkt: The second battle of Sedan, 10–15 May 1940. Command and Staff Dept., U.S. Army Armor School 1986. ASIN: B00072V186.

Einzelnachweise

  1. Keegan 2005, S. 326.
  2. Healy 2008, S. 62.

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