8,8-cm-FlaK 18/36/37

8,8-cm-FlaK 18/36/37
8,8-cm-FlaK 18/36/37


FlaK 18 im Imperial War Museum

Allgemeine Angaben
Herstellerland: Deutsches Reich
Entwickler/Hersteller: Krupp, Essen
Entwicklungsjahr: 1920er Jahre
Produktionszeit: 1933 bis 1945
Stückzahl: 20.754
Modellvarianten: FlaK 18, 36, 37
Waffenkategorie: Flugabwehrkanone
Technische Daten
Kaliber:

88 mm

Die 8,8-cm-FlaK 18/36/37, auch „Acht-Acht“ oder „Acht-Achter“ genannt, war eine vorwiegend im Zweiten Weltkrieg gebaute und eingesetzte deutsche Flugabwehrkanone, die auch häufig gegen Bodenziele zum Einsatz kam.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Die Entwicklung der Waffe geht auf das Ende des Ersten Weltkriegs zurück, als die damaligen bodengestützten Waffen gegen die immer höher fliegenden Flugzeuge kaum mehr etwas ausrichten konnten. Wegen des Kriegsendes kamen diese frühen schweren Flugabwehrkanonen aber kaum mehr zum Einsatz.

Durch den Versailler Vertrag war dem Deutschen Reich die Entwicklung und Produktion zahlreicher Waffenarten, darunter auch schwere Artillerie, verboten. Dieses Verbot wurde jedoch vielfach umgangen, indem deutsche Wissenschaftler und Angehörige der Reichswehr ins Ausland gingen, unter anderem in die Sowjetunion. Krupp sandte eine Gruppe von Ingenieuren nach Schweden zur Firma Bofors, die damals führend auf dem Gebiet der Flugabwehrwaffen war. Dort entstand zunächst eine neue Kanone vom Kaliber 75 Millimeter, das jedoch später auf 88 Millimeter vergrößert wurde. Ab 1933 wurde dieses Modell als FlaK 18 in Essen in Serie produziert. Weitere Hersteller waren Hering (Neustadt in Sachsen), Gebrüder Böhler (Kapfenberg), Voith (Heidenheim/Brenz), Werleim & Co (Wien), Škoda-Werke (Pilsen) und Dubnica, Krupp-Gruson (Magdeburg-Buckau), MAN (Augsburg) und die Berlin-Erfurter Maschinenfabrik (Erfurt-Ilversgehofen).

In der Regel bezeichnete bei deutschen Waffen die Zahl das Jahr der Konstruktion bzw. der Einführung bei der Truppe. Aus Geheimhaltungsgründen erhielten aber alle Waffen, die zur Zeit der Rüstungsbeschränkung ab 1920 entwickelt wurden, die Modellbezeichnung „18“.

Beschreibung

Die erste Version war die FlaK 18. Sie besaß ein einteiliges Rohr, einen oberhalb des Rohres angeordneten hydropneumatischen Luftvorholer und eine kreuzförmige Lafette. Diese erlaubte eine Drehung um 360°, was bei einer gewöhnlichen Artilleriewaffe ohne Lafettenbewegung nicht möglich ist. Zum Transport wurden die beiden seitlichen Arme des Kreuzes beigeklappt und jedes der beiden Enden der Lafette auf einen einachsigen Anhänger gesetzt (beide zusammen bildeten den Sonderanhänger 201), wobei das Rohr in Fahrtrichtung zeigte. Die leergeschossenen Patronenhülsen wurden automatisch ausgeworfen, so dass eine eingespielte Mannschaft etwa 15 bis 20 Schuss pro Minute abgeben konnte.

Da der hinterste Teil des Rohres – aufgrund der Zündung der Treibladung – in der Regel am stärksten beansprucht wird, erhielt die verbesserte FlaK 36 ein dreiteiliges Rohr. Somit musste nicht immer das gesamte Rohr ausgewechselt werden, sondern nur der jeweils verschlissene Teil. Spätere Waffen erhielten verbesserte Protzen (Sonderanhänger 202).

8,8-cm-Flak 37

Die FlaK 37 entsprach weitgehend der FlaK 36, besaß jedoch eine verbesserte Übertragung der Zieldaten vom Kommandogerät zur eigentlichen Waffe.

Neben der erwähnten Standardlafette gab es auch eine Reihe weiterer Modifikationen, darunter spezielle Plattformen für Eisenbahnwagen, verschiedene Selbstfahrlafetten sowie einen Schild für die Verwendung beim Bodenkampf. Dieser bot der Bedienmannschaft allerdings nur begrenzten Schutz und vergrößerte zudem die Silhouette der Waffe zusätzlich.

Alle drei Versionen waren sich sehr ähnlich, und es kam durchaus vor, dass Baugruppen einer Version in eine andere eingebaut wurden. Entscheidend für die Bezeichnung war dabei das Lafettenkreuz, d. h. eine Lafette der FlaK 18 mit einem Rohr der FlaK 36 wurde als FlaK 18 bezeichnet.

Trotz des Erscheinens der neuentwickelten 8,8-cm-FlaK 41 wurden die älteren Versionen bis Kriegsende weiter gebaut. Mit der FlaK 37/41 wurde versucht, die Leistungen der früheren 8,8-cm-FlaK an diejenigen der FlaK 41 anzugleichen. Dazu erhielten die Geschütze längere Rohre mit Mündungsbremse sowie Zünderstellmaschine und Ladeeinrichtung der FlaK 41. Es handelte sich jedoch um einen Notbehelf, von dem nur wenige Exemplare gebaut wurden.

Technische Daten

Eine der 90 nach dem Zweiten Weltkrieg von Finnland genutzten 8,8-Flak, Finnisches Luftabwehrmuseum in Hyrylä
8,8-cm-Sprenggranatpatrone
Kenngröße Daten
Länge in Feuerstellung 7620 mm
Breite 2305 mm
Höhe 2418 mm
Rohrlänge 4930 mm (L/56)
Kaliber 88 mm
Masse in Feuerstellung 5000 kg
Masse in Transportstellung 7400 kg (inkl. Sd.Anh. 201 und Schutzschild)
Rohrerhöhung –3° bis +85°
Schwenkbereich 360°
Mündungsgeschwindigkeit 820 m/s (Sprenggranate)
795 m/s (Panzergranate)
Geschossmasse ca. 9,4 kg
Max. Schussweite 14.860 m
Maximale Schusshöhe 10.600 m
Prakt. Feuergeschwindigkeit 15–20 Schuss/min.

Einsatz

Im Zweiten Weltkrieg war sie an praktisch allen Fronten im Einsatz, wobei eine Batterie für gewöhnlich vier Geschütze umfasste. Der Höchststand an einsatzbereiten 8,8-cm-FlaK 18/36/37 wurde im August 1944 mit 10.704 Stück erreicht.

Einsatz in Spanien und bei der Deutschen Wehrmacht

Erstmalig eingesetzt wurde die Waffe im Spanischen Bürgerkrieg. Dort wurde sie auch erstmals in der Rolle einer Panzerabwehrkanone getestet, und es wurden hier bereits die Vor- und Nachteile der 8,8-cm-Flak in der Rolle als Panzerabwehrwaffe sichtbar. Die Erfahrungen führten zur Einführung eines zweiteiligen Geschützrohres und einer robusteren Zugmaschine.

Die 8,8 als Panzerabwehrkanone

Eine 8,8-cm-Flak im Erdeinsatz

Ihren legendären Ruf erwarb die 8,8 weniger in ihrer Rolle als Flugabwehrkanone, sondern vor allem durch ihren Einsatz im Erdkampf, insbesondere bei der Panzerbekämpfung. Im Unterschied zu den meisten anderen schweren Flugabwehrkanonen konnte die 8,8 auch unter die Horizontale gerichtet werden und damit auch Erdziele direkt beschießen. Als dann zu Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion die Standard-Panzerabwehrkanone PaK 36 und die Geschütze der meisten Panzer gegen die sowjetischen Panzer T-34 und KV-1 nur noch auf extrem geringe Distanz erfolgreich waren, war die 8,8-cm-FlaK oftmals die einzige verfügbare Waffe, die gegnerische Panzer aus größerer Entfernung bis zu 2000 m zerstören konnte. Auch beim Afrikafeldzug kam sie als panzerbrechende Waffe zum Einsatz und konnte dort die alliierten Panzer bereits aus einer Distanz bekämpfen, die außerhalb der Reichweite von deren Bordwaffen lag. Dabei konnte sie ihren Vorteil vor allem in offenem Gelände ausspielen. In stark zergliedertem Gelände, wie etwa nach der Landung der Alliierten in der Normandie, war sie weniger erfolgreich. Nachteilig für ihre Verwendung an der Front waren allerdings der hohe Umriss sowie das relativ große Gewicht der Waffe.

Mitte 1944 waren fast 11.000 Exemplare der Typen 18, 36 und 37 bei der Wehrmacht im Einsatz. Allein im Oktober 1944 wurden von diesen Geschützen mehr als 3,1 Millionen Granaten verschossen. Wie wichtig die Waffe war, verdeutlicht auch die Tatsache, dass ein Drittel aller in diesem Jahr in Deutschland hergestellten Kanonenrohre für die „Acht-Acht“ bestimmt war. Erbeutete Exemplare wurden auch von der britischen Armee sowie der US Army eingesetzt, die sogar ein eigenes Handbuch in englischer Sprache drucken ließ. Die Rote Armee verwendete ebenfalls erbeutete oder vor dem Krieg an die noch befreundete Sowjetunion gelieferte Kanonen. Nach dem Ende des Krieges war die Waffe noch lange Jahre in Jugoslawien und Finnland im Dienst.

Die 8,8 als Kanone des Tiger

Die 8,8-cm-FlaK wurde aufgrund ihrer hohen Durchschlagskraft in leicht modifizierter Form als 8,8-cm-KwK 36 L/56 auch als Bewaffnung für den Panzerkampfwagen VI Tiger, von dem 1350 Exemplare gebaut wurden, ausgewählt. Dazu wurde die Waffe auf elektrische Zündung umgestellt und mit einer Mündungsbremse versehen.

Durchschlagleistung

Durchschlagleistung 8,8-cm-KwK 43L/71, Panzergranate, Geschossgewicht 10,4 kg, Vo= 1.000 m/s im Tiger II:[1]

Entfernung in m Panzerplatte, Stahl
500 205 mm
1.000 186 mm
1.500 170 mm
2.000 154 mm
2.500 140 mm

Zum Vergleich:

  • Frontpanzerung des Tiger II: Wanne 100 mm, Fahrerfront 150 mm, Turmfront 185 mm
  • Frontpanzerung des T-34: Wanne 45 mm, Turmfront 45–55 mm

Einsatz gegen die HMS Sikh

Bei einem Anlandungsversuch der britischen Streitkräfte bei Tobruk am 14. September 1942 wurde der Zerstörer HMS Sikh von „Acht-Achtern“ der Flak-Abt. I./43 (Major Wegener) unter Feuer genommen. Dabei wurde die HMS Sikh so schwer beschädigt, dass sie anschließend im Schlepp der HMS Zulu sank.

Die 8,8 als Rückgrat des Heimatluftschutzes

Eine Flak-Batterie in Feuerstellung (1943)
Kommandogerät 40 (mechanischer Analogrechner zur Ermittlung der Schusswerte)
FuMG 39 „Würzburg“ in einer 8,8-cm-Flak-Stellung am Atlantikwall

Flak-Einheiten mit der 8,8-cm-Flak in den Ausführungen 18, 36 und 37 waren das Rückgrat der Luftverteidigung im Bombenkrieg, den die Alliierten gegen deutsche Städte, Industrie und Infrastruktur führten. Mit Ausnahme von Marinestandorten waren die 8,8-Batterien organisatorisch Teil der Luftwaffe.

Die 8,8 bewährte sich bis zum Kriegsende in mittleren Höhen. Auch wenn der Strom der Bomber nicht aufgehalten wurde, verloren die Alliierten insgesamt über 100.000 Soldaten im Bomberkrieg.

Dislozierung; Flakhallen als bleibendes Zeugnis des Luftkrieges

Der Einsatz der Waffe erfolgte in Batterien mit jeweils vier Geschützen und ergänzend Flakscheinwerfern. Die 8,8 wurde nicht auf Flakbunkern montiert, sondern im Einsatz auf freiem Feld aufgestellt.[2] Im August 1944 wurden im Heimatluftschutz 10.930 Geschütze, also mehr als 2500 Flakbatterien eingesetzt. Für die Zeit zwischen den Einsätzen wurden an allen Dislozierungspunkten standardisierte Flakhallen für je eine Batterie gebaut. Diese in fester Bauweise errichteten Flakhallen existieren überwiegend noch heute und geben Zeugnis vom Luftkrieg fast überall in Deutschland. Vielfach wurde nach dem Krieg der Teil mit den Aufenthaltsräumen für die Mannschaft als Wohnung genutzt, die eigentliche Halle wurde von Kleinbetrieben und Handwerkern als Werkhalle genutzt. Auch Feuerwehren und Vereine nutzten und nutzen die alten Flakhallen bis heute.

Einsatztaktik

Im Heimatschutz wurden zur Steigerung der Effektivität an den Hauptangriffszielen bis zu zehn Batterien zu Großbatterien unter zentralem Kommando zusammengefasst.

Generell wurde gezielt geschossen, d. h. Vorhaltewinkel und Flugzeit aus den gemessenen Bahndaten der Flugzeuge bestimmt. Nur wenn keine brauchbaren Daten verfügbar waren, wurden Sektoren bestimmt, die die Angreifer wahrscheinlich durchfliegen würden und die dann einfach permanent beschossen wurden (Sperrfeuer).

Das Geschoss besaß gegen die stabilen B-17 einen effektiven Wirkungsradius von etwa zehn Metern oder weniger. Die Flugzeiten der Geschosse betrugen je nach Höhe 20 bis 40 Sekunden. Die Messgenauigkeit der Radargeräte lag grob bei ±100 Metern, wenn sie nicht gestört wurden. Dies führte dazu, dass mehrere tausend Granaten für den Abschuss eines Bombers nötig waren, was einen enormen Ressourcenverbrauch bedeutete.

Bis kurz vor Kriegsende hatten die Geschosse nur Zeitzünder. Es kam oft vor, dass eine Granate ein Flugzeug durchschlug und erst später explodierte. Durch Einführung von zusätzlichen Aufschlagzündern (Doppelzündern), die trotz Anforderung erst 1945 stattfand, konnte deshalb die Abschussrate etwa verdreifacht werden.

Gegen Ende des Krieges wurden in großem Umfang zur Bedienung der FlaK ältere Jugendliche eingesetzt, die sogenannten Flakhelfer. Im Dezember 1942 standen hierfür beispielsweise 68.522 Schüler zur Verfügung. Insgesamt wirkten über 200.000 Schüler und Lehrlinge im Flakdienst mit.

Einsatzstaaten

Museale Rezeption

In folgenden Museen sind 8,8-cm-Flugabwehrkanonen ausgestellt:

Siehe auch

Literatur

Weblinks

 Commons: 8,8-cm FlaK 18/36/37 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Egon Kleine/Volkmar Kühn: Tiger – Geschichte einer legendären Waffe 1942–45, Flechsig-Verlag, 416 Seiten, ISBN 978-3-88189-633-7
  2. http://www.airpower.at/news03/0813_luftkrieg_ostmark/flaktuerme.htm
  3. Manfried Rauchensteiner, Manfred Litscher (Hg.): Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Graz, Wien 2000 S. 32

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