St.-Materniani-Kirche (Westochtersum)

St.-Materniani-Kirche (Westochtersum)
Kirche und Glockenturm, von Süden aus gesehen
Glockenturm

Die St.-Materniani-Kirche in Westochtersum ist eine spätromanische Saalkirche, die im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts errichtet wurde. Sie ist dem Hl. Maternianus (auch Maternus genannt), dem ersten Bischof von Köln geweiht und befindet sich auf einer Kirchwarft im ostfriesischen Westochtersum, einem Ortsteil der im Landkreis Wittmund gelegenen Gemeinde Ochtersum (Samtgemeinde Holtriem).

Inhaltsverzeichnis

Baubeschreibung

Kirche, von Süden aus gesehen
Kirche, von Norden aus gesehen
Barockaltar mit Szenen aus dem Leben Jesu Christi
Kircheninneres - Blick zur Empore

Bei der einschiffigen St.-Materniani-Kirche handelt es sich um einen mittelgroßen Saalbau, der ursprünglich mit einer Ostapsis versehen war. Die Länge des Kirchengebäudes beträgt zirka 37, seine Breite 12,15 Meter. Archäologische Grabungen um die Mitte der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts, bei denen Lehmstrich und Ständersteine entdeckt wurden, lassen auf einen hölzernen Vorgängerbau schließen.[1] Den Sockel der Kirche bilden Granitquader, die Mauern bestehen aus klosterformatigen Backsteinen.

Ursprünglich besaß die Kirche zwei Eingangsportale auf ihrer Südseite sowie ein Portal in der Nordwand. Die Längsseiten waren - entsprechend der Zahl der ehemaligen Gewölbe im Innern der Kirche - mit jeweils vier Rundbogenfenstern ausgestattet. Im westlichen Teil der Kirche befinden sich weitere, allerdings tiefer angelegte Fenster. Sie wurden - wie auch ein weiteres Südmauerfenster - erst später in das Mauerwerk eingebrochen. Die Apsis fiel einem Blitzschlag im Jahr 1675 zum Opfer und wurde nicht wieder aufgebaut. Erst um 1720 schloss man mit den Steinen der Apsis die Ostwand, in die - rechts und links vom Altar - zwei Fenster eingefügt wurden.

Der zweigeschossige Glockenturm wurde wahrscheinlich[2] zeitgleich mit der Kirche in 16 Meter Entfernung südwestlich des Kirchengebäudes errichtet. Der Grundriss besitzt eine nahezu quadratische Form. Die Höhe des Glockenturms beträgt rund 18 Meter. Das Fundament besteht aus Flintsteinen, das Mauerwerk ist in Backstein aufgeführt.

Das Erdgeschoss, die sogenannte Läutestube, ist von Westen her zugängig und war ursprünglich ein eindrucksvoller Tordurchgang zu Friedhof und Kirche. Von 1680 bis 1831 diente das Untergeschoss als Dorfschule für Ost- und Westochtersum sowie für die umliegenden Ortschaften Barkholt, Utarp, Narp und Schweindorf.[3] Das Obergeschoss, in dem sich die Glocke befindet, hat auf jeder Seite ein Schallfenster. Die erste Glocke, die bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts zum Gottesdienst läutete, trug die Inschrift IN HONOREM BEATI MATERNIANI ANNO MCCLXXIIII FUSA SACERDOTUM [...] OCCONIS MEMMONIS TEMPORIBUS ULRICI [...]CONIS'.[4] Im Jahr 1815 goss der ostfriesische Glockengießer Mammeus Fremy III die alte Glocke um. Der Gussvertrag datiert vom 1. März 1814.

Ausstattung

Im Innern finden sich Reste einer im 15. Jahrhundert eingefügten Lettnermauer, die den Chorraum vom übrigen Kirchenraum trennte und ab 1736 die Orgel trug. Heute hat der Lettner nur noch eine Höhe von etwa einem Meter. Die bereits erwähnten Gewölbe wurden aus unbekannten Gründen im 15. Jahrhundert entfernt. Ihre Wandvorlagen mit Rücksprüngen, Halbrundvorlagen und Diensten im Ostjoch sind aber noch sehr gut zu erkennen.[5]

Zur Ausstattung der Kirche gehört ein Taufstein im Bentheimer Stil auf vier Löwen[6] aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Der dreigeschossige barocke Flügelaltar stammt aus dem Jahr 1740. Die Kanzel wurde bei Umbaumaßnahmen in den 1960er Jahren von der mittleren Südwand an die gegenüberliegende Nordwand versetzt und befindet sich nun in größerer Nähe zum Altarraum.

Orgel

Die Barockorgel mit außergewöhnlichen Akanthus-Ornamenten ist das einzige Werk des Herforder Orgelbauers Christian Klausing in Ostfriesland. Sie wurde in den Jahren 1734 bis 1737 erbaut und stand ursprünglich vor dem Chorraum auf einer über den Resten des Lettners errichteten Holzempore, wodurch sie allerdings den Blick auf den Altar stark behinderte. Nach den umfangreichen Renovierungs- und Umgestaltungsarbeiten der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts fand die Orgel ihren Platz auf einer eigens dafür errichteten Empore im Westteil der Kirche.

Erste Umbauten der Orgel erfolgten bereits 1752, als die Orgelbauer Gregorius Struve und Johann Friedrich Constabel den Unterbau der Orgel verkürzten (noch heute gut zu sehen) und infolge dessen auch die Trakturen umbauen mussten. Zusätzlich erhielten die oberen Lagen der Pfeifen eine schärfere Intonation. Nach geringfügigen Umdisponierungen in den folgenden 150 Jahren erhielt die Orgel 1900 eine moderne Magazinbalganlage und verlor schließlich 1917 ihre Prospektpfeifen. In den Jahren 1972/73 wurde die Orgel schließlich durch Jürgen Ahrend umfassend restauriert und rekonstruiert.[7]

Manual CD–c3
Principal 8′[Anm. 1]
Rohrflöte 8′
Gedackt 8′
Octave 4′
Quinte 3′
Octave 2′
Sesquialtera II [Anm. 1]
Mixtur VI B/D [Anm. 1]
Trompete 8′
Pedal CD–c1
angehängt
Anmerkungen
  1. a b c Rekonstruiert von Jürgen Ahrend.

Literatur

  • Lübbo Daniels: 250 Jahre Christian-Klausing-Orgel in Ochtersum 1736-1986. In: Festschrift der ev.-luth. Kirchengemeinde Ochtersum, Ochtersum 1986.
  • Heinrich Drees: „Revolution“ im Kirchspiel Ochtersum. In: Der Deichwart, 1961, S. 293.
  • Heinrich Drees: Aus der Geschichte der Schule Ochtersum. In: Friesische Heimat, 1962, S. 10.
  • Heinrich Herlyn: Schule im baufälligen „Klokkenhus“. Ein Episode aus der Geschichte des Dorfes Ochtersum. In: Der Deichwart, 1982, S. 8.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: St.-Materniani-Kirche (Westochtersum) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Dorf- und Kirchengeschichte Westochtersum; eingesehen am 1. Mai 2009.
  2. Die Angaben sind der Webseite der Kirchengemeinde Ochtersum entnommen; eingesehen 1. Mai 2009.
  3. Lübbo Daniels: Der Glockenturm zu Ochtersum diente 150 Jahre als Dorfschule, in: Friesische Heimat, 1992, S. 5.
  4. Deutsch: Zu Ehren des seligen Maternianus im Jahre 1274 gegossen [...] zur Zeit der Priester Occo und Memmo sowie des (Bremischen Archidiakons) Ulrich.
  5. Robert Noah: Ostfriesische Kirchen, Aurich 1980 (2. Auflage), S. 42.
  6. Ein ähnliches Taufbecken befindet sich in der evangelischen Kirche zu Hage.
  7. Orgel auf NOMINE e.V., gesehen 23. April 2011.
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