Unruhen in Algerien 2011

Unruhen in Algerien 2011
Lage Algeriens

Die Unruhen in Algerien 2011 schlossen sich an die Revolution in Tunesien 2010/2011 an und breiteten sich seit 5. Januar 2011[1] aus Zorn über massiv gestiegene Grundnahrungsmittelpreise auch in Algerien aus.[2] Die Unruhen entzündeten sich spontan an Einzelereignissen und waren nicht einheitlich organisiert.

Als Motive der Proteste werden die wirtschaftliche Lage der Jugend, ihre schlechten Zukunftsperspektiven, die autokratischen, korrupten Strukturen und das jahrelang an der Macht befindliche Regime angesehen. In Algerien gehen von ihnen Repressalien aus. Eine Ursache der Proteste liegt insbesondere in dem Umstand, dass die Altersstruktur in der Region von den unter 30-jährigen geprägt ist, die zwar gut ausgebildet sind, aber keine Aussicht auf Arbeit haben („Youth Bulge“).

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Algerien wurde seit 1992 von einem Bürgerkrieg, religiösen Konflikten und internen Verwerfungen heimgesucht. Zusätzlich stiegen vor allem die Lebensmittelpreise deutlich an (siehe FAO Food Price Index).[3][4][5][6] [7][8][9] Die Lebenshaltungskosten erhöhten sich um bis zu 30 Prozent.[1][10]

75 Prozent der Algerier sind jünger als 30 Jahre und die Arbeitslosenrate in dieser Gruppe ist höher als 20 Prozent.[10] Die Mehrheit der Algerier lebt im Elend und hat keine Zukunftsperspektive. Obwohl Algerien der weltweit drittgrößte Erdgaslieferant ist, kommt das Geld nicht bei den Bürgern an. Die Einnahmen erreichen nur die Eliten des Landes.[11]

Staatschef Abdelaziz Bouteflika regiert in Algier seit elf Jahren. Er soll gemeinsam mit seinem Bruder Said Bouteflika auch in Korruption verwickelt sein.[11]

Chronologie

Proteste in Algier (22. Januar 2011)

5. Januar

Die Unruhen brachen im Armutsviertel Bab El-Oued in Algier aus. Randalierende Jugendliche griffen mit Knüppeln und Eisenstangen Banken, Luxusgeschäfte und öffentliche Gebäude an.[11]

7. Januar

Am 7. Januar wurde bei Kämpfen zwischen Demonstranten und der Polizei in Ain Lahdjel in der Provinz M'Sila ein Jugendlicher erschossen.[10]

In Bou Smail erlag ein Mann seinen Verletzungen. Laut örtlichen Rettungskräften könnte er von einer Tränengasgranate im Gesicht getroffen worden sein.[10]

Wochenende 8./9. Januar

Am Wochenende von 8. bis 9. Januar 2011 gab es Proteste von mehreren tausend Personen. Anlass war die Beerdigung eines 18 Jahre alten Demonstranten, der durch Schüsse der Polizei getötet wurde. Nach unbestätigten Angaben sollen seit dem 3. Januar fünf Menschen getötet und mehr als 800 verletzt worden sein.[12]

Nach offiziellen Angaben wurden 826 Menschen, darunter 763 Polizisten, verletzt. Es gab etwa 1000 Festnahmen.[1]

Montag, 10. Januar

Ein Renault-Autohaus von Triolet in der Nähe von Bab El Oued, bei den Unruhen niedergebrannt.

Die Regierung kündigte Preisnachlässe für Speiseöl und Rohzucker bis Ende August an,[1] worauf sich die Lage beruhigte.[12]

Samstag, 29. Januar

Animiert durch die Proteste in Ägypten flammten die Proteste in Algerien wieder auf.

Sonntag 13. Februar

Die Polizei verhinderte einen Protestmarsch durch die Hauptstadt Algier.[13]

Montag, 14. Februar

Außenminister Mourad Medelci und Abdelaziz Bouteflika gaben bekannt, dass der seit 19 Jahren geltende Ausnahmezustand in Kürze aufgehoben wird.[13]

Samstag, 19. Februar

Neuerliche Proteste von mehreren hundert Personen werden von der Polizei mit Schlagstöcken niedergeschlagen.[14]

Dienstag, 22. Februar

Der Ministerrat hob am Nachmittag wie angekündigt den Ausnahmezustand auf.[15] Weiters wurde bekanntgegeben, Präsident Bouteflika könnte aus gesundheitlichen Gründen sein Mandat möglicherweise früher zurücklegen.[16]

Samstag, 26. Februar

Abermals unterbindet die algerische Polizei einen Protestmarsch durch Algier [17].

Samstag, 5. März

Auch am ersten Märzwochenende verhindert die algerische Polizei Protestmärsche. Zudem werden entsprechende Verbote bekannt gegeben [18].

Donnerstag, 17. März

Im Osten der algerischen Hauptstadt Algier kommt es zu einer Straßenschlacht zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten. Dabei warfen die Demonstranten Steine und Brandsätze auf die Sicherheitskräfte, die wiederum gegen diese Tränengas einsetzten. Den Demonstranten sei es vordergründig um die Verbesserung ihrer Wohnverhältnisse gegangen. Zu politischen Forderungen sei es nicht gekommen. [19]

Samstag, 19. März

In Algier werden zwei Demonstrationen für demokratische Reformen von Bereitschaftspolizisten verhindert. Die Sicherheitskräfte unterbanden dabei die Entstehung größer Menschensammlungen. Zu den Demonstrationen hatten Facebook-User aufgerufen. [20]

Dienstag, 12. April und Mittwoch, 13. April

In Algier kommt es zu Studentendemonstrationen gegen das in Algerien herrschende Militärregime. Dabei fordern die Studenten unter anderem den Rücktritt des Erziehungs- und Bildungsministers, da dieser das Versprechen einer angekündigten Bildungsreform nicht eingelöst hatte und die Situation in den Universitäten nicht tragbar seien. Zudem forderten die Studenten ein Ende des Militärregimes, das sie als "Mörderregime" bezeichnen. Auch der Rücktritt Abd al-Aziz Bouteflikas wurde gefordert. Bereits am 12. April gingen Sicherheitskräfte gewaltsam gegen die Studenten vor, sodass es zu mindestens 50 Verletzten unter ihnen kam. Bei weiteren Demontrationen am 13. April, die ebenfalls gewaltsam von Sicherheitskräften beendet worden sind, erhöhte sich die Anzahl der Verletzten auf insgesamt 170. [21] [22] [23] [24] [25]

Die Hinweise, dass es "fast taglich" zu Straßenschlachten in Algerien komme, konnten bislang noch nicht bestätigt werden. [26]

Mittwoch, 5. Oktober

Eine Demonstration zum Jahrestag der Demokratiebewegung 1988 wird mit der Verhaftung von 17 Organisatoren bereits im Keim von der Polizei erstickt. [27]

Siehe auch

  • Proteste in der Arabischen Welt 2010–2011

Weblinks

 Commons: Unruhen in Algerien 2011 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Mehrere Tote bei Protesten. In: die tageszeitung. 9. Januar 2011, abgerufen am 12. Januar 2011.
  2. Über 20 Tote bei Unruhen in Tunesien. In: ORF. 10. Januar 2011, abgerufen am 12. Januar 2011.
  3. Leo Wieland: Nutznießer sind die Islamisten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 9. Januar 2011, abgerufen am 12. Januar 2011.
  4. UN besorgt wegen hoher Lebensmittelpreise, Deutsche Welle vom 4. Februar 2011
  5. Lebensmittelpreise steigen auf Rekordhoch, Spiegel Online vom 3. Februar 2011
  6. Grundnahrungsmittel so teuer wie noch nie, 4. Februar 2011, RP Online
  7. „Revolutionen können ungemütlich werden“, Interview mit Robert Zoellick, FAZ vom 5. Februar 2011
  8. IWF-Chef Strauss-Kahn warnt vor sozialen Unruhen, Die Welt Online vom 1. Februar 2011
  9. Neue Krise im Anmarsch – Anstieg der Nahrungsmittelpreise fördert Inflation, Thalif Deen,, 12. Januar 2010
  10. a b c d Zwei Tote bei Protesten in Algerien. In: Frankfurter Rundschau. 8. Januar 2011, abgerufen am 12. Januar 2011.
  11. a b c Militär marschiert in Tunis auf. In: Frankfurter Rundschau. 12. Januar 2011, abgerufen am 12. Januar 2011.
  12. a b Leo Wieland: Noch mehr Tote und Verletzte. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 10. Januar 2011, abgerufen am 12. Januar 2011.
  13. a b Algerien will 19-jährigen Ausnahmezustand beenden. In: ORF. 14. Februar 2011, abgerufen am 14. Februar 2011.
  14. Algerian police break up protest. Al Jazeera, 20. Februar 2011, abgerufen am 27. Februar 2011 (englisch).
  15. Vor 19 Jahren verhängt. In: ORF.at. 22. Februar 2011, abgerufen am 27. Februar 2011.
  16. En concertation avec les Américains : Ce que devrait annoncer Bouteflika aux Algériens. In: Le Matin. 21. Februar 2011, abgerufen am 27. Februar 2011 (französisch).
  17. "Weiterhin Tote und Proteste in Arabien" Bieler Tagblatt online, Abruf: 28. Februar 2011 17:45 Uhr
  18. "Proteste in der arabischen Welt reißen nicht ab" t-online Abruf: 6. März 2011 18:01 Uhr
  19. "Straßenschlacht in Algier" der standard online, Abruf: 14. April 2011, 17:45 Uhr
  20. "Polizisten verhinderten Demonstration" der standard online, Abruf: 14. April 2011 18:05 Uhr
  21. "170 Verletzte in Algerien" Bader Zeitung online, Abruf: 14. April 2011 17:56 Uhr
  22. "Mehrere Verletzte bei Studenten-Protest" der standard online, Abruf: 14. April 2011 17:57 Uhr
  23. "Algerien: Polizeiknüppel gegen Studentenproteste" der standard online, Abruf: 14. April 2011 17:59 Uhr
  24. "Algerien: Verletzte bei neuerlichen Studentenproteste" euronews online, Abruf: 14. April 2011 18:01 Uhr
  25. "Prügel gegen Demonstranten" Wiener Zeitung online, Abruf: 14. April 2011 18:01 Uhr
  26. "170 Verletzte in Algerien" Bader Zeitung online, Abruf: 14. April 2011 17:56 Uhr
  27. [1]

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