Wirbeltierpheromone

Wirbeltierpheromone

Pheromone bei Wirbeltieren signalisieren von einem Individuum zum anderen, wie es Pheromone bei Insekten machen. Reviermarkierungen oder Paarungsbereitschaft sind Beispiele für Effekte, die den Pheromonen auch bei Wirbeltieren zugeschrieben werden. Wegen der ungeklärten chemischen Natur der von den Wirbeltieren verwendeten Stoffe sind die Aussagen in diesem Bereich spekulativ. Welche Stoffe als Pheromon tatsächlich ausgeschieden und mit welchem Sinneszellen sie empfangen werden, entzieht sich häufig der Forschung. Eine Abgrenzung gegenüber anderen Formen der chemischen Kommunikation ist daher schwierig.

Inhaltsverzeichnis

Steuerung des Paarungsverhaltens bei Hamstern

Beim Goldhamster (Mesocricetus auratus) wurde Pheromone identifiziert, die das Paarungsverhalten steuern. Dimethylsulfid wird vom Weibchen während des Östrus abgesondert und lockt ein Männchen an. Treffen die beiden Hamster zusammen, beriecht das Männchen stereotyp erst die Wangendrüse des Weibchens, dann die Flanken und schließlich den Genitalbereich, während das Weibchen durch starre Haltung (Lordosis) Paarungsbereitschaft signalisiert. Lordosis kann bei Sauen durch androgene Steroide ausgelöst werden.

Weiterhin enthält das Vaginalsekret bei Hamstern das Protein Aphrodisin, in dem eine bisher unbekannte, niedermolekulare, hydrophobe Substanz eingelagert ist. Wenn Aphrodisin vom vomeronasalen Organ des Männchens aufgespürt wird, wird die Kopulation eingeleitet.[1]

Steuerung des Reproduktionszyklus von Mäusen

Die Anwesenheit anderer Mäuse hat Auswirkungen auf den Reproduktionszyklus der Mäuseweibchen. Substanzen aus dem Urin männlicher oder weiblicher Mäuse regulieren unter anderm die Bildung gonadotroper Hormone.

  • Pheromone weiblicher Familienmitglieder verzögern die Pubertät der jungen Weibchen.
  • Pheromone weiblicher Familienmitglieder verlangsamen den Zyklus.
  • Pheromone fremder Männchen induzieren Pubertät.
  • Pheromone nicht-verwandter Männchen beschleunigen den Zyklus.
  • Pheromone konkurriender Männchen lösen Fehlgeburten aus. [2]

Reviermarkierung und die Duftstoffe von Moschushirsch (Moschi moschiferus) und der Zibetkatze (Viverra civetta)

Muscon wird vom Moschushirsch in einer Drüse am Bauch vor den Geschlechtsorganen zusammen mit wenigstens 9 weiteren Substanzen des Moschus gebildet. Es dient der Reviermarkierung. Wegen seines charakteristischen Geruchs findet es (heute synthetisch hergestellt) in der Kosmetik-Industrie Verwendung. Von den Hirschen wurde es zur Markierung ihrer Reviere eingesetzt.

Zibeton aus dem Zibet der Zibetkatze, das in natürlichem Zustand sehr unangenehm riecht, wird in Verdünnung ebenfalls in der Kosmetika-Herstellung verwendet. Zusammen mit Zibeton enthält Zibet Indol und Skatol. Auch Zibet dient bei der Zibetkatze der Reviermarkierung.

Das MUP (major urinary protein) Darcin als männliches Pheromon bei Wildmäusen

Bei Wildmäusen werden die Weibchen durch ein Protein im Urin der Männchen angelockt: Darcin. Dieses bindet an (S)-2-sec-butyl-4,5-dihydrothiazole (SBT), ein flüchtiges Molekül mit ebenfalls Pheromon-Eigenschaften. Weil Darcin wie Aphrodisin ein Lipocalin ist, kann es einen niedermolekulare Liganden wie SBT binden. Zusammen mit SBT kann Darcin als Duftstoff wirken. Ohne SBT ist Darcin immer noch ein Pheromon, aber nicht mehr flüchtig.[3]

Darcin signalisiert weiblichen Mäusen die Anwesenheit eines dominanten (und damit attraktiven) Männchens. Gleichzeitig induziert Darcin einen Lernvorgang in den weiblichen Tieren, die dabei die individuellen Geruchsnuancen des Urins genau dieses Männchens erlernen.[3] Rezeptoren für Darcin finden sich im vomeronasalen Organ.

Farnesol und Nutrias

Im Jahr 2007 konnten Attygalle und andere den Stoff E,E-Farnesol aus den analen Duftdrüsen von Nutrias analysieren und durch die Verwendung in Ködern nachweisen, dass Farnesol anziehend auf die Tiere wirkt. Die Arbeit entstand aus dem Problem, die Verbreitung von Nutrias in freier Wildbahn zu kontrollieren und resultierte in einer effektiven Lösung.[4]

Weitere Beispiele

Als Beispiele für ein Alarmpheromon bei Ratten gilt 2-Heptanon. Bei Hunden sind Pheromone im Urin vorhanden, die der Markierung des Territoriums dienen.

Pheromone beim Menschen

Mögliche Teilnahme des olfaktorischen Rezeptors hOR 17-4 an der Zielfindung der Spermien

Untersuchungen haben ergeben, dass der Rezeptor hOR 17-4, der am Mittelteil der Spermien exprimiert wird, auf Bourgeonal, ein Duftstoff des Maiglöckchens, anspricht und dem Spermium ermöglicht, sich in einem Konzentrationsgradienten dieses Stoffes zu orientieren.[5] Der Rezeptor wird außerdem in der Nase exprimiert.[6] Welcher Stoff der natürliche Ligand des Rezeptors ist, ist noch unbekannt.[7]

Mögliche Synchronisation des Menstruationszyklus bei Frauen

Zu Pheromonen beim Menschen gibt es nur wenige gut kontrollierte Untersuchungen. Als am besten bekannt galt lange die Synchronisierung des weibl. Menstruationszyklus, die durch unbewusst wahrgenommene geruchliche Signalstoffe verursacht werden soll, der McClintock-Effekt[8][9] nach Martha McClintock. Bei Frauen, die über längere Zeit miteinander leben, schien sich eine zeitliche Übereinstimmung des Menstruationszyklus einzustellen. Zwei Typen von (immer noch nicht bekannten) Pheromonen sollten daran beteiligt sein: eines, das vor dem Eisprung produziert wird und den Menstruationszyklus verkürzt und ein andres, genau beim Eisprung produziertes, das ihn verlängert. Jüngste Studien sowie die Überprüfung der McClintockschen Methodik haben ihre Ergebnisse aber in Frage gestellt.[10]

Unterschiedliche Rezeption von Körpergerüchen in hypothalamischen Region in Abhängigkeit von der sexuellen Prägung

Schwedische Forscher haben an der Aktivität des Hypothalamus gezeigt, dass das Gehirn homosexueller und heterosexueller Männer unterschiedlich auf zwei Körperdüfte reagiert, die mit sexueller Erregung verbunden sein können, und dass homosexuelle Männer darauf ansprechen wie heterosexuelle Frauen. Pheromone könnten daher bei den biologischen Grundlagen der sexuellen Orientierung eine Rolle spielen.[11]

Mögliche Rolle des Histokompatibilitätskomplexes bei der Partnerwahl

Der Mensch benutzt geruchliche Signalstoffe, die mit dem Immunsystem zusammenarbeiten, um sich Partner zu suchen, die ihm nicht nah verwandt sind (assortative Paarung). Frauen ziehen wie Fische und Mäuse Partner mit einem Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) vor, der sich von ihrem eignen möglichst stark unterscheidet, wodurch ihre Kinder generell ein stärkeres Immunsystem bekommen.[12][13]

Bisher sind keine Pheromon-Peptide bekannt.

Flüchtige Steroide als mögliche Pheromone

Männer und Frauen emittieren Androstenon, ein Umbauprodukt des Sexualhormons Testosteron, das über die apokrinen Schweißdrüsen („Duftdrüsen“) auf die Körperoberfläche gelangt. Versuchsreihen haben gezeigt, dass in Maßen dosiertes Androstenon die Bewertung der Attraktivität leicht verbessert.[14] Auch fühlen sich Männer bei Aufnahme bestimmter weiblicher Sexualpheromone stärker angezogen.

Technische Verwertung

Es gibt Parfüms mit synthetisch hergestellten Pheromonen. Nach Aussagen der Hersteller steigern sie die erotische Anziehungskraft auf das andere Geschlecht. Die Wirkungen sind umstritten. Weit verbreitet ist die Verwendung des pheromonähnlichen Moschus bzw. moschusähnlicher Ersatzstoffe als Duftstoff in Kosmetika und Waschmitteln.

Pheromone in der Populärkultur

Die weitgehend ungeklärte Faktenlage der Wirkung von Pheromonen bei Wirbeltieren wurde in vielfältiger Weise in der Populärkultur ausgenutzt, um mit ihrer Hilfe außergewöhnliche Effekte zu erklären.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Verhalten von Hamstern;Abt. Mol. Physiolog/Uni Heidelberg
  2. Pheromone bei Mäusen; Abt. Sinnesphysiol. Uni Heidelberg
  3. a b Sarah Roberts, Deborah Simpson, Stuart Armstrong, Amanda Davidson, Duncan Robertson, Lynn McLean, Robert Beynon, Jane Hurst: Darcin: a male pheromone that stimulates female memory and sexual attraction to an individual male's odour. In: BMC Biology. 8, Nr. 1, 2010, S. 75. doi:10.1186/1741-7007-8-75. Abgerufen am 4. Juni 2010.
  4. Lee H, Finckbeiner S, Yu JS, Wiemer DF, Eisner T, Attygalle AB: Characterization of (E,E)-farnesol and its fatty acid esters from anal scent glands of nutria (Myocastor coypus) by gas chromatography-mass spectrometry and gas chromatography-infrared spectrometry. In: J Chromatogr A. 1165, Nr. 1-2, September 2007, S. 136–43. doi:10.1016/j.chroma.2007.06.041. PMID 17709112.
  5. Spehr M, Gisselmann G, Poplawski A, Riffell JA, Wetzel CH, Zimmer RK, Hatt H. (2003): Identification of a testicular odorant receptor mediating human sperm chemotaxis. In: Science. 299(5615):2054-2058. PMID 12663925 doi:10.1126/science.1080376
  6. Vosshall LB (2004): Olfaction: attracting both sperm and the nose. In: Curr. Biol. 14(21):R918-920. PMID 15530382 doi:10.1016/j.cub.2004.10.013 PDF
  7. Vivienne Baillie Gerritsen (2010): Love at first smell In: Protein Spotlight. PDF
  8. Martha McClintock: Menstrual synchrony and suppression. In: Nature Nr. 229, 1971, S. 244-245, PMID 4994256.
  9. Martha McClintock, K. Stern: Regulation of ovulation by human pheromones. In: Nature Nr. 392, 1998, S. 177-179, PMID 9515961.
  10. Zhengwei Yang, Jeffrey C. Schank: Women Do Not Synchronize Their Menstrual Cycles. In: Human Nature. 17, Nr. 4, 2006, S. 434–447. doi:10.1007/s12110-006-1005-z.
  11. I. Savic (2006): Brain response to putative pheromones in lesbian women. In: PNAS 103(21):8269-8274. PMID 16705035 doi:10.1073/pnas.0600331103
  12. T. Boehm, F. Zufall (2006): MHC peptides and the sensory evaluation of genotype. In: Trends Neurosci. Nr. 29, Bd. 2, S. 100-107. PMID 16337283 PDF
  13. P.S. Santos, J.A. Schinemann, J. Gabardo, G. Bicalho (2005): New evidence that the MHC influences odor perception in humans: a study with 58 Southern Brazilian students. In: Horm. Behav. Nr. 47, Bd. 4, S. 384-388.
  14. Claire Wyart et al. (2007): Smelling a single component of male sweat alters levels of cortisol in women. In: J. Neurosci. 27(6):1261-1265. PMID 17287500 doi:10.1523/JNEUROSCI.4430-06.2007

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