Wolf-Ernst Reif

Wolf-Ernst Reif

Wolf-Ernst Reif (* 27. Juni 1945 in Heidenheim an der Brenz; † 11. Juni 2009 in Tübingen) war ein deutscher Paläontologe und Evolutionsbiologe.

Wolf-Ernst Reif

Reif lieferte maßgebliche Beiträge zu vielen Bereichen der Geo- und Biowissenschaften und analysierte auch die Struktur und erkenntnistheoretischen Eigenschaften dieser Disziplinen. Sein nachhaltiger Beitrag liegt dabei gerade in der Vielseitigkeit seines Ansatzes, der dialektischen Herangehensweise und theoretischen Durchdringung evolutionsbiologischer Probleme. Reifs Werk legt dar, dass die Geo- und Biowissenschaften sowohl historische als auch naturwissenschaftliche Aspekte haben und analysiert, wie diese bei der Theorienbildung zusammenwirken.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Reif interessierte sich bereits seit früher Jugend für Steine und Fossilien und verfasste bereits im Alter von 17 Jahren eine erste, preisgekrönte wissenschaftliche Arbeit. Reif studierte ab 1966 Geologie an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen unter Adolf Seilacher, bei dem er über triassische Bone beds diplomierte und 1973 über Haie promovierte. Danach wurde er Seilachers Assistent und übernahm die Leitung des Sonderforschungsbereichs 230 "Natürliche Konstruktionen". 1982 habilitierte er mit seiner Odontoden-Regulations-Theorie. Nach einer befristeten Professur ab 1984, erhielt Reif 1988 eine dauerhafte Professur für Konstruktions-Morphologie an der Universität Tübingen. Gemeinsam mit Frank Westphal machte Reif das Institut für Geologie und Paläontologie in Tübingen zu einem Zentrum der Wirbeltierpaläontologie, aus dem zahlreiche namhafte Paläontologen hervorgingen (z.B. Eberhard „Dino“ Frey, Günter Bechly, Michael Maisch und Rainer Schoch). Reif war zeitweise Herausgeber der Fachzeitschriften „Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie“ und „Paläontologische Zeitschrift“. 1996 ging Reif aus Gesundheitsgründen vorzeitig in den Ruhestand. Seine letzte (teils unvollendete) Arbeit „Darwins’s Origin as a modern theory“ erschien 2010 posthum.

Werk

Paläontologie

Seine wesentlichen paläontologischen Fachbeiträge beschäftigten sich mit der Evolution der frühen Wirbeltiere (Entstehung und Ontogenese der Hartgewebe), der Bildung von Fossillagerstätten, und der Konstruktions-Morphologie zahlreicher Organismengruppen. Sein interdisziplinärer Ansatz zielte auf das Erkennen von Bauprinzipien, welche Grenzen und Optionen für Wachstum und Evolution darstellen. Dieses Konzept stand im Zentrum der sogenannten Tübinger Schule der Konstruktions-Morphologie, die zusammen mit Adolf Seilacher und Frank Westphal in den 1970er bis 1990er Jahren einen Schwerpunkt bildete.

Bionik

Reifs Entdeckung von winzigen Rillen auf den Schuppen schnell schwimmender Hochseehaie führte in Kooperation mit dem Strömungsmechaniker Dr. Dietrich W. Bechert vom DLR in Berlin zu der Erkenntnis, dass Mikrorillen durch Verminderung des Reibungswiderstandes den Energieverbrauch im Vergleich zu glatten Oberflächen um 8-11 % reduzieren können. Dies Widersprach der zuvor herrschenden Lehrmeinung, dass glatte Oberflächen stets strömungsgünstiger seien. Eine auf der Grundlage dieser Forschungen entwickelte Riblet-Folie, führte in einem Großversuch bei einem Airbus 320 Verkehrsflugzeug zu einem um 3% verringerten Treibstoffverbrauch. Wegen Haltbarkeits- und Wartungsproblemen konnte sich die Riblet-Folie jedoch bislang noch nicht im Luftverkehr durchsetzen. Die Segeljacht „Stars and Stripes“ wurde ebenfalls mit einer Mikrorillenfolie versehen und gewann 1987 den America’s Cup. Die Schwimmanzüge (Speedo Fastskin) der meisten Olympiateilnehmer sind seit 1996 mit Mikrolängsrillen versehen.

Evolutionsbiologie

Ausgehend von einem interdisziplinären Ansatz (Embryologie, Funktionsmorphologie, Strömungsphysik und Paläontologie) untersuchte Reif die Evolution der Schuppen und Zähne von Haien. Dies führte ihn zu einem evolutionären Modell der Zahnbildung, der Odontoden-Regulations-Theorie. In zahlreichen anderen Beiträgen befasste er sich mit Artbildung (Speziation), evolutionären Zwängen (Constraints), Gradualismus und zuletzt mit den Grundfragen der Phylogenetischen Systematik oder Kladistik. Ein weiterer wesentlicher Beitrag ist das mit Roger D. K. Thomas ausgearbeitete Modell des Skeleton Space, einem 7-dimensionalen Raum in dem sich alle denkbaren organischen Hartgebilde und deren evolutionäre Wanderung durch diesen Raum darstellen lassen.

Evolutionstheorie

Reif befasste sich eingehend mit Charles Darwin, vor allem dessen 1859 erschienenes Hauptwerk „Die Entstehung der Arten“. Zentral war für ihn die Frage, welche Evolutionsfaktoren Darwin bereits erkannt hatte. Dabei fand er Hinweise auf ein implizites ökologisches Artkonzept in Darwins Werk. Ebenso analysierte er Belege für Darwins Organismuskonzept. Ein zweites, immer wiederkehrendes Thema in Reifs theoretischem Werk ist die Typologie, ein vor-darwinscher Ansatz der Evolutionsbiologie, der nach Reifs Überzeugung viele Probleme für die Integration von Paläontologie und Evolutionsbiologie verursachte.

Wissenschaftsgeschichte

Reif untersuchte das Lebenswerk zahlreicher Geo- und Biowissenschaftler, meist im Hinblick auf deren evolutionsbiologische Konzepte und Ideen. Dazu zählen neben Darwin vor allem die Arbeiten von Otto Heinrich Schindewolf, Willi Hennig, Othenio Abel, Adolf Naef, Friedrich August Quenstedt und Walter Zimmermann. Ein immer wiederkehrendes Thema war die Synthetische Evolutionstheorie und die Frage, welche Autoren dazu beigetragen haben.

Preise und Ehrungen

Veröffentlichungen

Eine komplette Literaturliste findet sich im Nachruf:

  • Rainer Schoch (2010): Wolf-Ernst Reif - A Wonderful Mind. N. Jb. Geol. Paläont. Abh. 255(2): 1-5; Stuttgart.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Liste der Ehrenmitglieder der Paläontologischen Gesellschaft

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