Chthonische Götter

Chthonische Götter
Heiligtum der chthonischen Gottheiten in Agrigent
Votivrelief an chthonische Gottheiten aus Tegea

Als Chthonische Götter oder Chthonioi (griechisch Χθόνιοι θεοί, Χθόνιοι) werden die Leben und Fruchtbarkeit spendenden sowie die todbringenden Götter der griechischen Mythologie bezeichnet. Einzelne chthonische Gottheiten erscheinen mit den Epitheta oder Beinamen Chthonios (Χθόνιος) bei männlichen und Chthonia (Χθονία) bei weiblichen Göttern. Gelegentlich wird das Wort als Bezeichnung für die Toten gebraucht oder um die Abstammung von der Erde zu betonen.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Das Adjektiv chthonios ist vom Substantiv chthon (χθών, die Erde, gedacht als Oberfläche der Unterwelt oder als Erdtiefe) abgeleitet. Es wird fast nur innerhalb poetischer Texte im Bezug zur Unterwelt verwendet, selten auch im Sinne von autochthon (αὐτόχθων, einheimisch),[1] sofern ein Zusammenhang zur Unterwelt besteht.

Verwendung als Kollektivum

Die erste Verwendung von Chthonioi als Kollektivum findet sich bereits bei Hesiod als Bezeichnung für die Titanen.[2] Bei den Tragikern tritt die Bezeichnung als chthonische Götter einerseits als Kollektivum ohne weitere namentliche Nennung entweder bei Anrufungen[3], als Chthonoi Tyrannoi[4] oder als Kollektiv der Erdgottheiten in Abgrenzung zu anderen Kollektiven, wie den Göttern der Meere oder der Lüfte,[5] auf. Zum anderen werden bei rituellen Gebeten auch einzelne Götter als Spezifikation zur kollektiven Bezeichnung genannt.[6]

Auf Grabinschriften und auf Fluchtafeln ist eine Widmung an die chthonischen Götter besonders in der römischen Kaiserzeit verbreitet.[7] Mit der kollektiven Bezeichnung weiblicher Gottheiten als Chthoniai Theai sind als Herrscherinnen über die Unterwelt Demeter und Persephone[8] oder die Erinyen[9] gemeint, vereinzelt auch die Nymphen im Zusammenhang mit der Zuordnung zu einer bestimmten Landschaft.[10]

In Gebeten und Anrufungen innerhalb von Tragödien werden sowohl Götterkollektive als auch die Gesamtheit der in der Erde wohnenden Toten Chthonioi genannt, die Abgrenzung der beiden Gruppen zueinander ist jedoch häufig nicht aus dem Kontext erschließbar.[11][12] Bei Aischylos werden die Toten auch ohne Zusammenhang mit den Göttern als Chthonioi bezeichnet.[13]

Verwendung als Beiname oder Epitheton

In erster Linie wurde als chthonischer Gott Hades bezeichnet,[14][15][16] bereits die Ilias nennt ihn als komplementären Gott zum olympischen Zeus Zeus Katachthonios.[17]

Zeus Chthonios wurde gemeinsam mit Ge Chthonia und Dionysos Lenaios auf Mykonos verehrt,[18] sowie in Korinth[19] und in Olympia[20]. Ob es sich um eine Epiklese des Zeus oder um das kultische Synonym des Hades handelt, ist dabei unklar.

Hermes wird als Chthonios bei Anrufungen bei den Tragikern genannt,[21][22] parodistisch bei Aristophanes[23] und auch im Totenkult.[24]

Für Gaia ist die naheliegende Bezeichnung nur für den gemeinsamen Kult mit Zeus Chthonios und Dionysos Lenaios bezeugt.

Mit der weiblichen Chthonia Thea wird fast ausschließlich Demeter unter ihrem Beinamen Hermione verehrt.[25][26][27][28]

Ab dem fünften Jahrhundert ist auch Hekate zunehmend als Chthonia bezeugt.[29][30][31]

Einzeln werden ferner

  • als Chthonios Daimon der Typhon,[32]
  • als Chthonia die Phama,[33] die Gorgo[34] und Brimo[35],
  • sowie als Chthonion der Dionysos genannt.

Zur Bezeichnung von mythischen Menschen wird Chthonios gebraucht, um ihre Abstammung von der Erde hervorzuheben. Beispiele hierfür sind der thebanische Sparte Chthonios[36] oder die Nachkommen des Erechtheus.[37]

Als Eigennamen treten Chthonios und Chthonia ab dem Hellenismus vor allem bei Mythographen und Lexikographen auf.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Sophokles: Ödipus auf Kolonos 948.
  2. Hesiod: Theogonie 697.
  3. Euripides: Hecuba 79.
  4. Aischylos: Agamemnon 89.
  5. Euripides: Fragment 27, 4.
  6. Aischylos: Die Perser 628 f.
  7. IG V 1, 1192, 1.
  8. Herodot 6, 134, 1; 7, 153, 2.
  9. Sophokles: Ödipus auf Kolonos
  10. Apollonios von Rhodos 4, 1322.
  11. Aischylos: Die Schutzflehenden 25.
  12. Pindar: Pythien 4, 159.
  13. Aischylos: Die Schutzflehenden 399; 476.
  14. Hesiod: Theogonie 767.
  15. Euripides: Die Phönikerinnen 1321.
  16. Euripides: Alkestis 237.
  17. Homer Ilias 9, 457
  18. Wilhelm Dittenberger: Sylloge inscriptionum Graecarum. Band 1. Leipzig 1883. S. 373 Digitalisat
  19. Pausanias 2, 2, 8.
  20. Pausanias 5, 14, 8.
  21. Aischylos: Die Grabspenderinnen 124; 727.
  22. Sophokles: Aias 832.
  23. Aristophanes: Die Frösche 1126; 1138; 1145.
  24. IG III, Add. 101.
  25. IG IV 683
  26. Pausanias 2, 35, 5-10.
  27. Pausanias 3, 13, 5.
  28. Euripides: Herakles 615
  29. Aristophanes: Fragment 515, 1 PCG.
  30. Theokritos 2, 12.
  31. Plutarch: Moralia 290d3.
  32. Aischylos: Sieben gegen Theben 522.
  33. Sophokles: Elektra 1066.
  34. Euripides: Ion 1054.
  35. Apollonios von Rhodos 3, 862.
  36. Aischylos: Fragment 488.
  37. Euripides: Die Bakchen 538.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Chthonische Götter — (v. gr.), 1) (Dii locales), Landesheroen, die einer besonderen Verehrung gewürdigt wurden; 2) Chthonios u. Chthonia, Beiname von Göttern, welche mit der Unterwelt in Beziehung stehen, wie Pluto, Hermes, Persephone, Vejovis, auch Demeter …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Chtonische Götter — Als Chthonische Götter bezeichnet man in der Mythenforschung allgemein die erdverbundenen Göttinnen und Götter (s.a. Gaia). Meyers Großes Konversations Lexikon von 1906 bezeichnet damit griechische Gottheiten, die in der Erdtiefe (Chthon) walten …   Deutsch Wikipedia

  • Unterirdische Götter — Unterirdische Götter, so v.w. Chthonische Götter 2) …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Kult der großen Götter — Der Kult der großen Götter existierte in der griechischen Antike als einer von mehreren sogenannten Mysterienkulten neben der Verehrung der olympischen Gottheiten. Als wichtigstes Heiligtum der großen Götter oder Kabiren, die ausschließlich… …   Deutsch Wikipedia

  • Mama Pacha — Für die Völker der Anden ist Pachamama oder Mama Pacha die als Göttin verehrte, personifizierte Mutter Erde und somit die Fruchtbarkeitsgöttin. Pacha ist in der Quechua Sprache das Wort für Erde oder Welt, Mama bedeutet Mutter. Die Erde hat die… …   Deutsch Wikipedia

  • Afrikanische Schöpfungsgeschichte — Afrikanische Kosmogonie beschreibt die zentralen Teile innerhalb des Formenkanons afrikanischer Mythen, die sich mit der Erschaffung der Urahnen und der Umwelt des Menschen beschäftigen. Die Herstellung einer kosmischen Ordnung ist, falls Mythen… …   Deutsch Wikipedia

  • Pachamama — Moderne bildliche Interpretation von Pachamama. In der traditionellen andinen Kultur gibt es keine Abbilder, die Pachamama darstellen. Für die Völker der Anden ist Pachamama oder Mama Pacha die als weibliche Gottheit verehrte, personifizierte… …   Deutsch Wikipedia

  • Chthonisch — Als Chthonische Götter bezeichnet man in der Mythenforschung allgemein die erdverbundenen Göttinnen und Götter (s.a. Gaia). Meyers Großes Konversations Lexikon von 1906 bezeichnet damit griechische Gottheiten, die in der Erdtiefe (Chthon) walten …   Deutsch Wikipedia

  • Liste griechischer Phrasen/Chi — Chi Inhaltsverzeichnis 1 Χαῖρε, κεχαριτωμένη, ὁ κύριος μετὰ σοῦ …   Deutsch Wikipedia

  • Unterwelt der griechischen Mythologie — Fahrt über den Styx (Radierung von Gustave Doré von 1861) Der Hades (griechisch ᾍδης), die Unterwelt der griechischen Mythologie, wird beherrscht von dem gleichnamigen Gott Hades. Seine Gattin ist Persephone. Mit Hilfe des Fährmannes Charon …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”