- Cumarine (Medizin)
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Cumarine werden in der Medizin vom 4-Hydroxycumarin abgeleitete Substanzen mit blutgerinnungshemmender Wirkung genannt. Sie werden als Arzneistoffe eingesetzt (Antikoagulantien). Darüber hinaus werden Cumarine auch als Rodentizide insbesondere zur Rattenbekämpfung genutzt.
Inhaltsverzeichnis
Chemie
Die in der Medizin und in der Schädlingsbekämpfung verwendeten Cumarine leiten sich strukturell vom 4-Position-hydroxylierten Cumarin ab. Ihre wissenschaftliche Entwicklung begann mit der Entdeckung des Dicoumarol, eines Naturstoffs, der bei Weidevieh in Folge der Blutgerinnungshemmung zu inneren Verblutungen führte.
Wirkung
Bei der Anwendung als Medikament und als Rodentizid wird folgende Wirkung der Cumarine ausgenutzt:
Die Faktoren der plasmatischen Blutgerinnung müssen in der Leber modifiziert werden: Dabei wird die Aminosäure Glutamat am γ-C-Atom Vitamin-K abhängig carboxyliert (γ-Carboxylierung), damit die Faktoren mittels Calciumionen an die Thrombozytenoberfläche binden und somit ihre maximale Wirkung entfalten können. Cumarine besitzen eine Strukturähnlichkeit zu Vitamin K.
Die Cumarine binden statt Vitamin K an das Enzym Vitamin K-Epoxid-Reduktase, blockieren es und stoppen so die Bildung der betreffenden Faktoren (kompetitive Hemmung). Die Wirkung tritt daher erst ein, nachdem die zum Zeitpunkt der Gabe des Cumarinderivats im Blut zirkulierenden Gerinnungsfaktoren teilweise verbraucht sind. Dies ist erst nach etwa sechs Stunden der Fall. Das Wirkmaximum wird nach 36-48 Stunden erreicht.
Therapieüberwachung
Die Wirkung wird bisher noch häufig anhand des Quick-Wertes kontrolliert. Da die Quick-Werte verschiedener Laboratorien/Reagentien voneinander abweichen, wird zur besseren Vergleichbarkeit vermehrt die INR (international normalized ratio) angegeben. Zur Vermeidung von schwerwiegenden Nebenwirkungen ist neben der zuverlässigen Einnahme der Medikamente die regelmäßige Kontrolle dieses Wertes erforderlich. Dies kann bei chronisch Kranken mit Hilfe von tragbaren Testgeräten auch zu Hause geschehen, was eine erhöhte Lebensqualität der Betroffenen (dichtere Kontrollen, größere Mobilität) bei gleichzeitiger Kostenreduzierung ermöglicht
Patienten, denen Phenprocoumon verabreicht wird, erhalten einen „Pass“ zum Mitführen, damit im Notfall die eingeschränkte Gerinnungssituation erkennbar ist, selbst wenn der Patient nicht ansprechbar sein sollte. In einem solchen Pass muss nach jeder Blutkontrolle der aktuelle Quickwert oder INR-Wert eingetragen werden; auch die aktuelle verordnete Dosierung sollte stets auf dem aktuellen Stand sein. Ebenso ist in diesem Pass ein Ziel-Quick oder Ziel-INR vermerkt, auf den der Patient eingestellt ist.
Indikation
Die Therapie mit Cumarinen ist bei Patienten notwendig, bei denen ein hohes Risiko für das Eintreten einer Thrombose besteht. Dies kann beispielsweise der Fall sein:
- nach Implantation künstlicher Herzklappen,
- nach einer bereits aufgetretenen Thrombose zur Rezidivprophylaxe,
- bei Vorhofflimmern,
- bei Herzerkrankungen mit erweiterter Herzkammer und schlechter Pumpfunktion,
- nach Implantation künstlicher Gefäßprothesen,
- nach einem Herzinfarkt,
- ggf. bei Fontanzirkulation.
Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen der Cumarine ergeben sich aus ihrer Hauptwirkung. Da unter Cumarin-Therapie die Blutgerinnung vermindert wird, treten vermehrt Blutungen auf. Dies kann sich beispielsweise äußern in:
- vermehrter Neigung zu blauen Flecken,
- vermehrtem Zahnfleischbluten,
- Blutungen im Magen-Darm-Trakt,
- Blutungen durch die Haut,
- Blut im Urin,
- Schlaganfällen durch Hirnblutung.
Bei Schwangerschaften ist die Anwendung von Cumarinen wegen der fruchtschädigenden Wirkung kontraindiziert.
Wechselwirkungen
Cumarine zeigen eine starke Plasmaproteinbindung. Werden nun Substanzen eingenommen, die ihrerseits eine höhere Plasmaproteinbindungskapazität als Cumarine haben, so kommt es zu einer plötzlichen Freisetzung der gebundenen Cumarine mit deutlichem Wirkungsanstieg. Dies konnte früher insbesondere bei gleichzeitiger Gabe von Sulfonylharnstoffen der ersten Generation (z. B. Tolbutamid) und Warfarin oder Phenprocoumon beobachtet werden. Neuere Sulfonylharnstoffe zeigen diese Interaktion nicht mehr.
Cumarine werden überwiegend in der Leber über die Cytochrom-Enzymsysteme CYP 3A4 und CYP 2C9 abgebaut. Hemmstoffe dieser Enzymsysteme führen zu einem verlangsamten Abbau von Cumarinen und zu einer Anreicherung nach wiederholter Einnahme.
Auch die Kombination mit Thrombozytenaggregationshemmern wie ASS verstärken die Blutungsgefahr.
Präparate
Bekannte Cumarine sind:
- Phenprocoumon (Produktnamen Marcumar, Falithrom)
- Warfarin (Produktnamen Coumadin, Marevan)
- Acenocumarol (Produktnamen Sintrom)
Antidot
Bei Vergiftungen mit Cumarinen muss unverzüglich Vitamin K als Antidot gegeben werden. Seine Wirkung beruht auf der Verdrängung der Cumarine von Enzymen, die Gerinnungsfaktoren bilden. Auch hier besteht eine Verzögerung in der Wirkung, da die fehlenden Gerinnungsfaktoren erst nach und nach durch die Leber ersetzt werden können. Insbesondere bei Vergiftungen durch Brodifacoum, Difenacoum, Bromadiolon, Difethialon oder Flocoumafen (Rodentizide) ist eine Langzeittherapie mit Vitamin K erforderlich. Im Notfall können die fehlenden Gerinnungsfaktoren direkt ersetzt werden.
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