Cystinurie

Cystinurie
Klassifikation nach ICD-10
E72.0 Störungen des Aminosäuretransportes
Zystinurie
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Die Cystinurie ist eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung des Menschen, bei der es zu einer erhöhten Ausscheidung der Aminosäure Cystin, sowie den strukturverwandten Aminosäuren Arginin, Lysin und Ornithin über den Urin kommt. Die Erkrankung wird autosomal-rezessiv vererbt und gehört neben dem Hartnup-Syndrom zu den Aminosäuretransportstörungen. Im Falle der Cystinurie liegt der Defekt in einer homozygot oder heterozygot vorliegenden Mutation des rBAT-Gens auf Chromosom 2 (auch SLC3A1, 2pter-q32.3[1]), das für die schwere Untereinheit des Cystintransporters codiert (Molekülmasse 90 kDa)[2]. Betroffenen Personen fehlt dieses transmembranöse Transportprotein in den Epithelzellen des Dünndarms und den proximalen Tubuluszellen, das Cystin (die extrazelluläre, oxidierte Form des Cysteins) und die oben genannten Aminosäuren aus dem Primärharn reabsorbiert. Konsekutiv ist die Ausscheidung, insbesondere des Cystins, auf das 20- bis 30-fache der Norm erhöht, während die Konzentration im Blut unverändert bleibt.

Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie

Die Cystinurie ist mit einer Prävalenz von ca. 1:20.000 eine relativ seltene Erkrankung.

Klinik

Cystin weist als einzige der dibasischen Aminosäuren eine schlechte Lösbarkeit bei normalem Urin-pH auf. Ab einer Konzentration von ≥300 mg/l kommt es zu einer Ausfällung mit Bildung hexagonaler Kristalle im Urin bzw. von Cystinsteinen in den ableitenden Harnwegen (etwa 1 % aller Harnsteine). 50 % aller Patienten mit Cystinurie entwickeln Harnsteine, von diesen wiederum zeigen 75 % ein bilaterales Vorkommen. Symptome der Nephrolithiasis, respektive Urolithiasis, sind kolikartige Schmerzen im Bereich des Nierenlagers bei Steinabgang, die in die Leistengegend ausstrahlen können. Eine Hämaturie kann begleitend auftreten, komplizierend kann ein Harnwegsinfekt entstehen.

Diagnostik

Wegweisend für die Cystinurie ist das charakteristische Aminosäuremuster im Urin. Mit dem Zyanid-Nitroprussid-Test kann eine qualitative Bestimmung der Aminosäure Cystin erfolgen. Ein positiver Test zeigt eine Konzentration im Urin von über 75 mg/l an und spricht für die Diagnose. Ein negativer Test schließt das Vorliegen einer Cystinurie mit hoher Wahrscheinlichkeit aus.[3] Definitive Klarheit verschafft eine molekulargenetische Untersuchung. Vielfach wird die Diagnose aber erst im Nachgang der Erstmanifestation eines Steinleidens gestellt, da die Erkrankung vorher asymptomatisch verläuft. Zur Diagnostik der Urolithiasis gehören, neben der typischen Anamnese und Klinik, der Urinstatus, die Sonographie und das Urogramm.

Therapie

Die Akuttherapie richtet sich im Falle kleinerer oligosymptomatischer Steine auf den Versuch einer medikamentösen Lyse mit D-Penicillamin oder α-Mercaptopropionylglycin bei gesteigerter Flüssigkeitszufuhr, Diurese und Harnalkalisierung. Andernfalls kommt, abhängig von der Größe des Steins, das gesamte urologisch-interventionelle bzw. -operative Spektrum zum Einsatz (ESWL = Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie, PNL = perkutane Nephrolitholapaxie u.a.).
Die eigentliche Therapie richtet sich schwerpunktmäßig auf die Prävention eines chronisch-rezidivierenden Steinleidens, um Komplikationen wie z. B. chronische Harnwegsinfekte, Niereninsuffizienz etc. zu vermeiden. Die Basis bildet hierbei eine konstant hohe Flüssigkeitszufuhr, bei einem zu erzielenden Urinvolumen von ≥ 3 l/Tag. Um die nächtliche Aggregation von Cystinkristallen zu vermeiden, sollte auch zur und während der Nacht Flüssigkeit zugeführt werden. Da Cystin bei einem pH-Wert von 7,5-8,0 gut wasserlöslich ist, sollte eine Harnalkalisierung mit diesem Zielbereich, z. B. mit Natriumbicarbonat oral, angestrebt werden. D-Penicillamin und α-Mercaptopropionylglycin können auch in der Prophylaxe verwendet werden, da sie mit Cystin besser lösliche Disulfide bilden. Hierbei ist α-Mercaptopropionylglycin aufgrund der größeren therapeutischen Breite der Vorzug zu geben. Eine cystin- und methioninarme Diät kann ergänzend sinnvoll sein[4].

Cystinurie bei Tieren

Auch bei Hunden ist die Erkrankung bekannt. Vorrangig treten Harnsteine auf, die klinischen Symptome verursachen, oft schon bei Welpen im Alter von 4 bis 6 Monaten. In Niere und Blase können sich kleine bis große Steine und Gries bilden, welches zum Verschluss der Organe führt. Ohne medizinische Behandlung (Operation) kommt es zu Nierenversagen, Blasenruptur und eventuellem Tod des Tieres. Hündinnen sind weniger betroffen als Rüden, was durch die engere und längere Harnröhre bei den Rüden zu erklären ist. Der genetische Defekt der zu dieser Cystinurie bei einigen Hunderassen führt, ist mittlerweile bekannt und mit Hilfe eines DNA-Tests kann der Erbfehler unmittelbar nachgewiesen werden. Durch diesen Test können nicht nur bereits erkrankte Tiere, sondern auch klinisch unauffällige Anlageträger identifiziert werden, die diese Erkrankung in der Population weiter verbreiten würden, und mit üblichen Laboruntersuchungen nicht aufgedeckt werden können. Bisher bekannte Rassen, bei denen Cystinurie vermehrt auftritt sind Mastiff, Neufundländer und Irish Terrier.

Weblinks

http://www.rufus-irish-terrier.de/de/irish-terrier-themen.htm

http://www.vnd-neufundlaender.de/gezundheit/82/

http://www.aoxomoxoa.ch/newfoundland/philo_8.htm

Einzelnachweise

  1. HUGO Gene Nomenclature Committee
  2. E. Fernández, M. Carrascal, F. Rousaud, J. Abián, A. Zorzano, M. Palacín, J. Chillarón: rBAT-b(0,+)AT heterodimer is the main apical reabsorption system for cystine in the kidney. Am J Physiol Renal Physiol. 2002 Sep;283(3):F540-8. PMID 12167606
  3. Elaine Worcester:Cystine stones. UpToDate Ver. 17.3 September 2009
  4. K. Ahmed, P. Dasgupta, M.S. Khan: Cystine calculi: challenging group of stones. Postgrad. Med. J. 2006;82;799-801. PMID 17148700
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