DHIP

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Das Deutsche Historische Institut Paris (DHIP) oder Institut historique allemand de Paris (IHAP) ist eines der fünf deutschen historischen Auslandsinstitute, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) der Bundesrepublik Deutschland unterhalten werden. Wie das DHI Rom (gegr. 1888), das DHI London (gegr. 1976), das DHI Washington (gegr. 1986) und das DHI Warschau (gegr. 1993), sowie dem Orientinstitut in Beirut/Istanbul und dem Japaninstitut in Tokio untersteht es seit dem Jahre 2002 der bundesunmittelbaren Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland mit Sitz in Bonn. Die Forscher des DHIP arbeiten seit 1994 in den Räumen des Hôtel Duret de Chevry, eine Stadtvilla in einem zentral gelegenen Viertel von Paris, dem Marais.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Idee zur Gründung eines DHI in Paris wurde nicht erst nach 1945 entwickelt, sondern war bereits ein „ein alter Lieblingsgedanke“ des Mediävisten Paul Fridolin Kehr gewesen, dessen Verwirklichung jedoch 1902/03 nicht über ein Anfangsstadium hinauskam. Ein neuer Versuch wurde 1941 wiederum aus dem Kreis der deutschen Mediävistik in Person von Theodor Mayer unternommen, der die Arbeit in Paris u.a. dazu nutzen wollte, um einen „allgemeinen deutschen Führungsanspruch“ in Europa historisch zu begründen.

Nicht mehr Dominanz war das Ziel der am 21. November 1958 eingeweihten Deutschen Historischen Forschungsstelle (DHFS) in Paris („Centre allemand de Recherche historique“), sondern Mittlerarbeit zwischen deutschen und französischen Historikern. Die wissenschaftlichen Absichten waren dabei mit dem Prozeß der deutsch-französischen Verständigung nach dem Zweiten Weltkrieg verklammert. Ausgangspunkt war die von Bundeskanzler Konrad Adenauer im Februar 1954 formulierte Absicht, aus dem von ihm verwalteten Etat die Projekte der deutschen Geschichtswissenschaft zu unterstützten.

Diese Initiative nahm umgehend der Freiburger Mediävist Gerd Tellenbach auf, der sich dafür aussprach, das zur Verfügung stehende Geld für einen „lang gehegten Wunsch der deutschen Geschichtswissenschaft“ zu nutzen, die Gründung einer DHFS in der französischen Hauptstadt. In Paul Egon Hübinger fand er umgehend einen Befürworter eines solchen Plans. Der Bonner Mediävist war zu diesem Zeitpunkt Leiter der Abteilung für kulturelle Angelegenheiten des Bundes im Bundesministerium des Innern (BMI) und damit für die deutschen wissenschaftlichen Institute im Ausland zuständig. Tellenbach regte schließlich an, den Bonner bzw. Mainzer Mediävisten Eugen Ewig für eine Reise nach Paris zu gewinnen, um eine erste vorsichtige Fühlungnahme auf französischer Seite vorzunehmen. Dieser willigte umgehend ein und begab sich mit Mitteln des Bundeskanzleramtes vom 26. Februar bis 17. März 1956 in die französische Hauptstadt, wo er mit ca. 30 führenden Persönlichkeiten des kulturellen und universitären Lebens zusammentraf, unter ihnen der frühere französischen Botschafter in Bonn, André François-Poncet, und Robert Schuman. Im Mittelpunkt standen jedoch seine Gespräche mit den französischen Historikerkollegen, die sich positiv zu den deutschen Plänen äußerten. Jedoch formulierten die französischen Historiker vor dem Hintergrund der unerfreulichen Erfahrungen mit dem Deutschen Institut während der Besatzungszeit eine Grundbedingung: die Forschungsstelle dürfe kein Instrument staatlicher Propaganda sein, sondern sei sur base universitaire einzurichten und nicht in das in Planung befindliche Pariser Goethe-Institut zu integrieren. Auf deutscher Seite fand dieser Wunsch Zustimmung, so daß am 2. April 1957 an der Universität Mainz die „Wissenschaftliche Kommission zur Erforschung der Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen“ als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gegründet. Geschäftsführer war Eugen Ewig, zu den weiteren Mitgliedern zählten Gerd Tellenbach, Max Braubach und – nach seinem Ausscheiden aus dem BMI im Jahre 1959 – Paul Egon Hübinger.

Nachdem die Forschungsstelle 1958 unter maßgeblichem Zutun ihrer ersten beiden Mitarbeiter, Hermann Weber und Rolf Sprandel, ihre Arbeit aufgenommen hatte, standen nun langjährige Verhandlungen an, um die permanente Institutionalisierung der DHFS zu erreichen. Dieses gelang sechs Jahre nach ihrer Gründung und ein Jahr nach Unterzeichnung des Élysée-Vertrages, als durch den Organisationserlaß des Bundesforschungsministeriums vom 20. Juni 1964 die Forschungsstelle ab 1. Juli 1964 in eine unselbständige Bundesanstalt im Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung umgewandelt wurde.

Mit der Wiedereröffnung des Deutschen Historischen Instituts in Rom 1953 und der Gründung eines Schwesterinstituts in Paris 1958 folgten die westdeutschen Historiker in den Nachkriegsjahren dem Weg der Adenauerschen Außenpolitik, die vom Aussöhnungsgedanken mit den westlichen Nachbarn und ganz besonders mit Frankreich bestimmt war. Der Bundeskanzler hielt dabei an der Dreigleisigkeit in der Verbesserung der deutsch-französischen Beziehungen fest, das heißt an den Interaktionsebenen politischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Handelns. Er selbst sah diese drei Ebenen als Einheit, deren Teilstücke in einem Verhältnis wechselseitiger Begünstigung zueinander standen und deswegen voneinander isoliert an Bedeutung einbüßten. Seine politische und finanzielle Unterstützung für die Neu- und Wiedergründung deutscher Auslandsinstitute kann somit als Ausdruck für den Willen interpretiert werden, die Wissenschaftsbeziehungen mit den westlichen Ländern zu nutzen, um neues Vertrauen bei den Nachbarn zu gewinnen und die politische Emanzipation der Bundesrepublik Deutschland voranzutreiben.

Von entscheidender Bedeutung war in der Gründungsphase der DHFS, daß wissenschaftliche und außenpolitische Neuorientierung konvergierten, was den beteiligten Historikern die Möglichkeit eröffnete, wissenschaftspolitische Ziele mit fachlich-inhaltlichen Neigungen zu verbinden. Der Schlüssel zu dieser Konvergenz zwischen Politik und Wissenschaft war ein abendländisches Geschichtsverständnis, das bis Ende der 1950er Jahre immer wieder als rettende Gegenerzählung zu einem preußenlastigen Geschichtsbild präsentiert wurde und europäische Gemeinsamkeiten in die Vergangenheit projizierte, um die Bundesrepublik in der übernationalen Einheit des katholisch-christlichen Abendlandes zu verankern. Aus wissenschaftssoziologischer Perspektive besitzt die Gründungsgeschichte der DHFS Modellcharakter dafür, wie sich Wissenschaft in Zeiten des Umbruchs von sozialen Regeln und Normen institutionelle und finanzielle Ressourcen sichern konnte. Sie ist geradezu ein Paradebeispiel für die strukturellen Verschränkungen von Wissenschaft mit den anderen gesellschaftlichen Subsystemen und stützt die These, daß Wissenschaft in diesem Beziehungsgeflecht nicht außerhalb der Gesellschaft stattfindet, sondern eine gesellschaftliche Veranstaltung ist. Gerade die Neugründung der DHFS verdeutlicht das Zusammenspiel von Politik und Wissenschaft, in dem die Grenzlinien zwischen diesen beiden gesellschaftlichen Sektoren verschwammen.

Direktoren

Aufgaben

Zur Förderung der historischen (Grundlagen-)Forschung führt das DHIP Forschungsprojekte durch, die zumeist mit Partnern aus Westeuropa betrieben werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Material der in Paris und Frankreich ansässigen Archive und Bibliotheken. Dort finden sich nicht nur Informationen zu den deutsch-französischen Beziehungen, sondern auch zur deutschen und französischen Geschichte selbst. Am Anfang der Arbeit dominierte die mediävistische Forschung, zusammen mit der Forschung zur Frühen Neuzeit. Von Bedeutung etwa war lange Zeit die Erfassung der Urkunden des Merowingerreiches. Daneben verstärkten sich seit den 1970er Jahren auch Forschungen zur neueren und neusten Geschichte.

Um die Kooperation von deutschen, italienischen und internationalen Historikern zu fördern, veranstaltet das DHIP regelmäßig selbst Kolloquien und Vorträge, die sogenannten „Jeudis“. Darüber hinaus beteiligt es sich als Partner – sowohl in Frankreich als auch in Deutschland – an deutsch-französischen und internationalen Historikertagungen zu Themen der mittleren, neueren und neuesten Geschichte.

Zur Nachwuchsförderung vergibt das DHIP Stipendien an deutsche Doktoranden und Habilitanden, die zur französischen, deutsch-französischen oder westeuropäischen Geschichte forschen, dazu eine „bourse francophone“ an Habilitierte oder Habilitierende französischer Muttersprache. Eine einjährige Gastdozentur richtet sich an habilitierte Wissenschaftler/innen aus Deutschland.

Projekte

Forschungsschwerpunkte sind zur Zeit: Sozialgeschichte der Spätantike und des frühen Mittelalters in Gallien, König, Papst und Kirche, insbesondere Papsturkunden in Frankreich, Burgund zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich im 15. Jahrhundert, Frankreich zwischen Humanismus und Absolutismus, das deutsch-französische Verhältnis von 1648–1806, Deutsche Emigranten in Paris im 19. Jahrhundert, Frankreich und Deutschland zwischen den Weltkriegen, Frankreich unter deutscher Besatzung 1940–1944.

Bibliothek

Die Bibliothek des DHIP ist nach Ausstellung einer Leserkarte für alle wissenschaftlich Forschenden kostenlos zugänglich. Im Lesesaal stehen 34 Leseplätze und vier Katalog-Terminals mit Internetzugang zur Verfügung. Die Institutsbibliothek wird als Präsenzbibliothek verwaltet; aus den Beständen der Bibliothek können deshalb keine Bücher ausgeliehen werden. Die Bibliothek ist an die deutsche Fernleihe angeschlossen. Sie umfasst derzeit einen Gesamtbestand von rund 106 000 Medieneinheiten mit etwa 422 laufend gehaltenen Zeitschriften. Außer dem umfangreichen Bestand zur deutschen Geschichte, insbesondere zur Landesgeschichte, verfügt die Bibliothek über einen umfangreichen Spezialbestand zu den deutsch-französischen Beziehungen sowie über zahlreiche Werke zur französisch-westeuropäischen Geschichte mit besonderem Schwerpunkt bei Quellenwerken. Der Schwerpunkt des Zeitschriftenbestandes liegt bei deutschen Regionalzeitschriften. Der Bibliotheksbestand wird durch einen OPAC erschlossen.

Publikationen

Die seit 1973 erscheinende Francia ist die einzige deutsche historische Fachzeitschrift, die sich der Geschichte Westeuropas widmet. Ihr sachliches und zeitliches Spektrum reicht von der Archäologie des 4. Jahrhunderts bis zu den deutsch-französischen Beziehungen der Zeit nach dem Zweiten Welt- krieg, von wirtschafts-, verfassungs- und sozialgeschichtlichen Themen bis zur Geschichte der internationalen Beziehungen, der Kultur und der geschichtswissenschaftlichen Methodendiskussion. Das Konzept der Zeitschrift hat sich seit langer Zeit bewährt: die „Francia“ ist zu einem internationalen Forum der wissenschaftlichen Diskussion von Historikern, vor allem deutscher, französischer und englischer Sprache geworden. Die Zeitschrift „Francia“ wird von einer Buchreihe begleitet, den „Beiheften der Francia“. Die bislang erschienenen Bände haben inzwischen den Charakter einer Bibliothek zur Geschichte Westeuropas, Frankreichs und der deutsch-französischen Beziehungen angenommen. Die Monographien erscheinen entsprechend den Gewohnheiten der Zeitschrift in französischer, englischer oder deutscher Sprache. In der Reihe „Instrumenta“ veröffentlicht das DHIP Hilfsmittel für die Forschung: Inventare, Kataloge, Führer, Texteditionen und Bibliographien. Die seit 1962 erscheinenden „Pariser Historischen Studien“ (PHS) ist die älteste Buchreihe des DHIP. In ihr werden Monographien und die Akten von Kolloquien sowohl in deutscher als auch in französischer und gelegentlich in englischer Sprache veröffentlicht. Die Reihe „Studien und Dokumente zur Gallia Pontificia“ enthält Abhandlungen und Quelleneditionen aus dem Bereich der Forschung zu den Urkunden und Briefen der Päpste und deren delegierten Richter in Frankreich. Hinzu kommt seit November 2007 die Reihe „Ateliers“.

Literatur

  • Karl Ferdinand Werner: Deutsches Historisches Institut 1958–1983. Institut Historique Allemand 1958–1983. Paris 1983.
  • Gerd Krumeich: Das Deutsche Historische Institut in Paris (DHIP). In: Geschichte und Gesellschaft. 13 (1987), S. 267-271.
  • Werner Paravicini (Hrsg.): Das Deutsche Historische Institut Paris. Festgabe aus Anlaß der Eröffnung seines neuen Gebäudes, des Hôtel Duret de Chevry. Thorbecke, Sigmaringen 1994.
  • Werner Paravicini: Du franco-allemand à l’histoire européenne: L’Institut historique allemand de Paris depuis 1964. In: Allemagne d’aujourd’hui. 162 (2002), S. 150–156.
  • Werner Paravicini: L’Institut historique allemand: un lieu de recherche européenne à Paris. In: Précis analytique des travaux de l‘Académie des sciences, belles-lettres et arts de Rouen. Jahrgang 2003 (erschienen Dezember 2006), S. 225–234.
  • Werner Paravicini: Wie ist es eigentlich gewesen? Das Deutsche Historische Institut Paris. In: Revue des Deux Mondes. Paris 2005, S. 223–227. – L’Institut historique allemand de Paris: ce qui s’est réellement passé. In: Revue des Deux Mondes. Paris 2005, S. 206–210.
  • Ulrich Pfeil: Das Deutsche Historische Institut Paris. Eine Neugründung »sur base universitaire«. In: Ders. (Hrsg.): Deutsch-französische Kultur- und Wissenschaftsbeziehungen im 20. Jahrhundert. Ein institutionengeschichtlicher Ansatz. Oldenbourg, München 2007, S. 281–308.
  • Ulrich Pfeil: Vorgeschichte und Gründung des Deutschen Historischen Instituts Paris. Darstellung und Dokumentation. Instrumenta, Band 17. Thorbecke, Ostfildern 2007.
  • Ulrich Pfeil (Hrsg.): Das Deutsche Historische Institut Paris und seine Gründungsväter. Ein personengeschichtlicher Ansatz. Oldenbourg, München 2007.

Weblinks


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