- Vom klugen Schneiderlein
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Vom klugen Schneiderlein ist ein Schwank (ATU 850, 1061, 1159). Er steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 114 (KHM 114).
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Eine stolze Prinzessin gibt ihren Freiern Rätsel auf. Drei Schneider, von denen die zwei älteren sich für sehr klug, aber den dritten für dumm halten, sollen raten, welche Farbe die zwei Haare auf ihrem Kopf haben. Der erste rät Schwarz und Weiß, der zweite Braun und Rot, doch der dritte dann richtig Silber und Gold. Sie will ihn aber nicht und verlangt von ihm, noch eine Nacht bei einem Bären im Stall zuzubringen. Der Schneider bietet ihm Nüsse an und knackt sie mit den Zähnen, gibt ihm aber Steine, die der Bär nicht aufbringt. Dann geigt er ihm vor, dass er tanzen muss. Unter dem Vorwand, ihn zum Geigen zu unterrichten, spannt er seine Tatzen zum Klauenschneiden in einen Schraubstock und schläft dann in Ruhe. Nun muss die Prinzessin mit ihm zur Kirche fahren, doch die zwei neidischen Gefährten befreien den Bären, der hinterherkommt. Der Schneider streckt seine natürlich mageren Beine aus dem Kutschenfenster und ruft ihm zu, das sei der Schraubstock. Der Bär lässt ab. Der Schneider bekommt die Prinzessin.
Stil
Der Schlusssatz des Erzählers Wers nicht glaubt, bezahlt einen Thaler passt zum gewandten Lügner, den der Schneider darstellt.
Herkunft
Grimms Märchen enthalten den Schwank ab dem zweiten Teil der Erstauflage von 1815 (dort Nr. 28) an Stelle 114. Ihre Anmerkung notiert Aus der Schwalmgegend in Hessen und vergleicht KHM 20 Das tapfere Schneiderlein. Das Raten des Gold- und Silberhaares komme auch sonst vor. Sie nennen noch Pröhles Märchen für die Jugend (Nr. 28) und der Zigeuner und der Bär in Wolfs Zeitschrift für deutsche Mythologie 1, 360.
Vergleiche auch: KHM 22 Das Rätsel, KHM 134 Die sechs Diener, KHM 191 Das Meerhäschen. Vgl. Die Perlenkönigin in Ludwig Bechsteins Deutsches Märchenbuch von 1845.
Interpretation
Das Märchen verbindet zwei Motive, die zeigen, dass es für Mitteleuropa fremdartige Kulturmerkmale mitträgt. Diese sind (1) die Matrilokalität der Ehe, das heißt, Schwiegersöhne ziehen zu den Brauteltern (und nicht Schwiegertöchter zu den Bräutigamseltern), und (2) – etwas verborgen – die Ultimogenitur, das heißt, die jüngsten Söhne erben und nicht die ältesten. Da diese Brauchtümer in Deutschland unüblich waren, mussten sie durch die Ausgestaltung der Persönlichkeiten plausibel gemacht werden. Das erste Merkmal wird mit der besonderen List des geringsten Freiers erklärt (es muss nicht immer ein verachtetes Wanderschneiderlein sein, vergleichbare Märchen benutzen einen Schweinehirten oder einen durch die Welt irrenden Prinzen – vgl. Dornröschen); dass auch nicht jeder Freier willkommen ist, wird oft mit der Grausamkeit der Prinzessin (Turandot-Motiv) oder sonst auch mit der Härte des Brautvaters begründet (vgl. Der Teufel mit den drei goldenen Haaren). Das zweite Merkmal muss den unbrüderlichen Neid besonders betonen.
Literatur
- Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 207, 490. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Reclam, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-003193-1
- Hedwig von Beit: Gegensatz und Erneuerung im Märchen. Zweiter Band von «Symbolik des Märchens». 2. Auflage. A. Francke, Bern 1956, S. 499-500.
Weblinks
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