Elisabeth Schragmüller

Elisabeth Schragmüller

Elsbeth Schragmüller, eigentlich Elisabeth; alias Mademoiselle Docteur, Fräulein Doktor, Fair Lady, La Baronne, Mlle Schwartz (* 7. August 1887 in Schlüsselburg, Nordrhein-Westfalen; † 1940 in München) war eine deutsche Spionin und während des Ersten Weltkrieges die Leiterin der deutschen Spionageabteilung gegen Frankreich im Nachrichtendienst der Obersten Heeresleitung.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Schragmüller war das älteste von vier Kindern des preußischen Offiziers und Amtmanns Carl Anton Schragmüller in Oestrich. Die Mutter Valesca Schragmüller war eine geborene Cramer von Clausbruch. Sie wurde in Schlüsselburg geboren und kam im Alter von neun Jahren zur Großmutter nach Münster, wo sie die Volksschule besuchte. Für einige Jahre besuchte sie ein Mädchenpensionat in Weimar und anschließend das 1893 gegründete erste Mädchengymnasium Deutschlands in Karlsruhe, wo sie 1908 ihr Abitur ablegte. Fünf Jahre später, 1913, folgte die Promotion in Staatswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Schragmüller gehörte zur ersten Generation von Frauen mit Universitätsabschluss in Deutschland. Nach ihrem Studium arbeitete sie für den Berliner Lette-Verein als Dozentin für Staatsbürgerkunde tätig und arbeitet bei der Volkswohlfahrt.

Mit Kriegsausbruch 1914 traf sie im besetzten Brüssel den deutschen Generalgouverneur Colmar von der Goltz und wurde von ihm in der Sektion VII der Kommandantur der Garnison Brüssel, die beschlagnahmte Briefe belgischer Soldaten auswertete, eingesetzt. Sie wechselte später zur Nachrichtensammelstelle und arbeitete, nach kurzer Anlernzeit in der Abteilung III b (militärischer Nachrichtendienst) des Generalstabs, in Lille. 1915 setzte Walter Nicolai sie als Leiterin der Sektion der 'Kriegsnachrichtenstelle Antwerpen' ein.

Nach Ende des Ersten Weltkriegs 1918 nahm Schragmüller ihre akademische Laufbahn wieder auf und wurde die erste weibliche Lehrstuhlassistentin in Freiburg. Wenige Jahre später zieht sie mit ihrer Familie nach München. Als ihr Vater 1934 starb und ihr Bruder Johann Konrad Schragmüller in der Röhm-Affäre erschossen wurde, bricht auch ihre berufliche Karriere unerfindlichen Gründen abrupt ab. Ein Grund könnte Geldmangel gewesen sein. 1940 stirbt sie mit 52 Jahren an Knochentuberkulose in ihrer Münchener Wohnung.

Nach Ansicht von Walter Nicolai, mit dem sie eine Freundschaft verband, wäre sie vermutlich im Zweiten Weltkrieg wieder vom Geheimdienst eingesetzt worden.

Spekulationen

In der damaligen Zeit war eine Frau in einer solchen leitenden Position und noch dazu im Geheimdienst ein solches Novum, dass zahlreiche Mythen um sie gesponnen wurden. Bereits im Krieg kursierten auf der Seite der Alliierten verschiedene Legenden um „Mademoiselle Docteur“, deren Identität die Alliierten Geheimdienste nicht kannten. Entsprechend dünn ist die Quellenlage.

Nach Ende des ersten Weltkrieges wurde die Spionin anonym zur Fahndung ausgeschrieben. Ihre Identifizierung gelang erst 1945, als der amerikanischen Besatzung ein Dossier des Generalmajors Friedrich Gempp für die frühere Reichswehr in die Hände fiel. (Der Bericht lagerte danach, bis zu seiner Rückführung nach Deutschland Mitte der 1970er Jahre, bei der "National Archives and Records Administration" (NARA) in Washington (D.C.) und befindet sich heute im Freiburger Militärarchiv.)

Zahlreiche Gerüchte über ihr Leben fasste Hans Rudolph Berndorff 1929 in einem frei erfundenen Roman zusammen, der auch zum Plot für mehrere Filme und ein Theaterstück wurde. Danach soll sie als Geliebte eines Offiziers mit 16 Jahren ein totes Kind geboren haben und von den Eltern aus dem Haus geworfen geworfen worden seien, später unter anderem Morphinistin gewesen sein, um nach Kriegsende in einer Irrenanstalt zu enden. Dazwischen habe sie, als junge Studentin getarnt oder als Putzfrau verkleidet reihenweise erotische Abenteuer erlebt und die Alliierten ausspioniert. Als 'Dr. Anne-Marie Lesser' erschien sie in der englischen Verfilmung Under Secret Orders.

Nach Magnus Hirschfeld (siehe Literatur) soll sie mit fingierten Papieren über Paris an die belgische Front gegangen sein, um die alliierte Zusammenarbeit und den Festungsring Lüttich zu erkunden. Als Bäuerin verkleidet querte sie dann die Front zur Rückreise. Demnach richtete sie auch 1916 den Spionagedienst in Paris neu ein und entkam dann über die Schweizer Grenze. Weiter reiste sie 1918 als 'südamerikanische Krankenschwester' erneut nach Frankreich und sammelte Informationen hinter der Frontlinie. In einem Lazarett erkannt, gelang ihr in französischer Uniform die Flucht.

Filme

  • Stamboul Quest, MGM Studios, R: Sam G. Wood, 1934
  • Mademoiselle Docteur, französ. Produktion, R:Georg Wilhelm Pabst, 1936 (US-Titel Street of Shadows)
  • Mademoiselle Doctor, engl. Produktion, R:Edmund T. Greville, 1937 (US-Titel Under Secret Orders)
  • Fräulein Doktor, jugoslawisch-italienische Coproduktion, P:Dino de Laurentiis 1968
  • Annemarie Lesser, deutscher Fernsehfilm, R:Rudolf Jugert, 1971

Weblinks

Literatur

  • Gert Buchheit: Der Deutsche Geheimdienst. München; List Verlag 1966
  • Friedrich Felger: Was wir vom Weltkrieg nicht wissen. Berlin; W. Andermann Verlag o.J. (1929)
  • Hanne Hieber: Mademoiselle Docteur. S. 91-95 in Cees Wiebes: In Intelligence and the War in Bosnia 1992-1995. LIT 2003. ISBN 3825863476 (engl.)
  • Magnus Hirschfeld: Sittengeschichte des Ersten Weltkrieges. Verlag Dausien Werner. 1980 ISBN 3783388414
  • David Kahn: Fräulein Doktor Revisited. National Intelligence Study Center Washington DC. Foreign Intelligence Literary Scene 11.4, 1992
  • Elsbeth Schragmüller: Die Bruderschaft der Borer und Balierer von Freiburg und Waldkirch. Beitr. zur Gewerbegeschichte des Oberrheins. Karlsruhe i. B.: Braun, 1914.
  • Elsbeth Schragmüller: Das Problem der Goldwerte. Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft. 1922

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