Erbhofgesetz

Erbhofgesetz
Kennzeichnung eines Gehöftes als "Erbhof"

Das Reichserbhofgesetz wurde am 29. September (zwei Tage vor dem Erntedankfest) 1933 von der nationalsozialistischen Regierung erlassen. Es war Ausdruck der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie und diente dazu, die Höfe vor "Überschuldung und Zersplitterung im Erbgang zu schützen", so Hermann Göring.[1]

Rund 35 % der land- und forstwirtschaftlichen Besitzungen im Deutschen Reich ließen sich bis Kriegsende zu „Erbhöfen“ erklären, die Einschreibung in die Erbhofrolle war keine Pflicht, wie etwa die Mitgliedschaft im Reichsnährstand. Für den Erbhof galt nunmehr zwangsweise das Anerbenrecht, unabhängig davon, ob er in einem Anerben- oder Realteilungsgebiet lag. Der Boden wurde Unveräußerliches Gut und bekam dadurch den Charakter einer res extra commercium. Diese Neuordnung ging auf Vorstellungen des 19ten Jahrhunderts zurück, dass der bäuerliche Grundbesitz aus dem „kapitalistischen Markt“ herausgelöst werden müsse. Mit diesen Vorstellungen war eine mythisierende Definition des Bauern als „Lebensquell der Nordischen Rasse“ verbunden, wie es der führende nationalsozialistische Agrarideologe und Minister für Landwirtschaft und Ernährung Richard Walther Darré schon 1928 formuliert hatte.[2]

Die Größe des Hofes musste mindestens 7,5 ha betragen und durfte 125 ha nicht überschreiten. Diese Größe war produktionspolitisch erwünscht, 7,47 war die Größe die im Allgemeinen ausreichte, um eine bäuerliche Familie zu ernähren.[3] Der Erbhofeigentümer wurde per Gesetz als Bauer, alle anderen als Landwirte bezeichnet. Der § 13 besagte: „… Bauer kann nur sein, wer deutschen oder stammesgleichen Blutes ist. Deutschen oder stammesgleichen Blutes ist nicht, wer unter seinen Vorfahren väterlicher- oder mütterlicherseits jüdisches oder farbiges Blut hat …“. Während diese Bestimmung der Ausgrenzung „nicht-arischer“ Bevölkerungsgruppen diente, ermöglichten die Bestimmungen, dass der Hofbesitzer „bauernfähig“ und „ehrbar“ sein müsse, einem Inhaber bei körperlichen Gebrechen oder Alkoholismus die Wirtschaftsfähigkeit abzusprechen und ein „Abmeierungsverfahren“ einzuleiten.

Das Gesetz stützte sich rechtshistorisch stark auf das alte hannoversche Meierrecht.

Die Anerbeordnung

Wie dieses hatte es eine zwiespältige Folge. Die im Reichserbhofgesetz verfügte Unveräußerbarkeit des landwirtschaftlichen Bodens, das Verbot von Belastung und Zwangsvollstreckung bewahrte zwar viele Höfe vor der Zwangsversteigerung, schloss aber die Bauern vom Zugang zu Krediten aus. Daher wurden bald nach dem Inkrafttreten des Gesetzes spezielle Anerbegerichte einberufen, die in manchen Fällen den Hof doch als Kreditsicherheit zuließen. Wegen der Unveräußerbarkeit des Bodens entstand eine weit verbreitete Unzufriedenheit, weil die Bauern nicht mehr als Eigentümer über ihre Höfe verfügen konnten, sondern als Verwalter fungierten. Zudem wurden die noch verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen verknappt und verteuert, wodurch die Aufstiegsmöglichkeiten von Landarbeitern verhindert wurden. Bauernkindern, die wegen der Anerbenbestimmung vom Hof weichen mussten, wurde es dadurch erheblich erschwert, eigene Höfe zu erwerben. Die starre Erbfolgeordnung des Gesetzes diskriminierte die weiblichen Familienmitglieder. Erst nachdem das Gesetz mehrmals zur Besänftigung der Bauern abgeändert wurde, etwa durch die Schaffung der sogenannten Anerbengerichte, wurde es von dem Großteil der Bauern akzeptiert, ab 1943 konnten z.B. auch Frauen den Status einer Erbhofbäuerin erlangen. Am 27. Juli 1938 trat das Gesetz auch in Österreich in Kraft. 1947 wurde es vom Alliierten Kontrollrat aufgehoben. Für die britische Besatzungszone wurde stattdessen die Höfeordnung erlassen.

Literatur

  • Münkel, Daniela: Nationalsozialistische Agrarpolitik und Bauernalltag, Frankfurt, 1996, ISBN 3-593356-02-3
  • Tooze, Adam: Ökonomie der Zerstörung, München, 2007, ISBN 3-570550-56-7

Einzelnachweise

  1. zit. n. Münkel, Daniela: Nationalsozialistische Agrarpolitik und Bauernalltag, Frankfurt, 1996, ISBN 3-593356-02-3, S. 112
  2. Michael Mooslechner, Robert Stadler: Landwirtschaft und Agrarpolitik in: E.Talos, E.Hanisch, W.Neugebauer (Hrsg.): NS-Herrschaft in Österreich 1938-1945, Wien 1988, ISBN 3-900351-84-8, S.74
  3. vgl. Karner, Stefan: Zwangsarbeit in der Land-, und Forstwirtschaft auf dem Gebiet Österreichs 1939 bis 1945, Wien, 2004, ISBN 3-486568-00-0, S. 223

Weblinks

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