Ernst Förstemann

Ernst Förstemann
Ernst Förstemann, Gemälde von Julius Scholtz

Ernst Wilhelm Förstemann (* 18. September 1822 in Danzig; † 4. November 1906 in Charlottenburg) war ein deutscher Archivar, Bibliothekar und Historiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ernst Förstemann war Sohn des Wilhelm August Förstemann, Gymnasialprofessor für Mathematik in Danzig, und besuchte bis 1840 das dortige Gymnasium.[1] Sein Vater, welcher sechs Kinder zeugte, verstarb bereits 1836. Seit seinem sechsten Lebensjahr litt Förstemann an einer Schwäche des Auges aufgrund einer fieberhaften Krankheit. Bis 1844 studierte er vergleichende Sprachwissenschaften an der damaligen Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, jetzt Humboldt-Universität Berlin und promovierte im gleichen Jahr in Halle (Saale). Von 1845 bis 1851 war er als Lehrer am Gymnasium seiner Heimatstadt tätig und ging anschließend nach Wernigerode. Interessant ist, dass es der ehemalige Turnlehrer von Förstemann war, der ihn für die deutsche Sprache, insbesondere für das Mittelhochdeutsche, zu begeistern vermochte.

In Wernigerode wirkte Förstemann als Lehrer am Lyzeum und war gleichzeitig als Archivar und Bibliothekar für den Grafen zu Stolberg-Wernigerode im Gebäude der Orangerie tätig (siehe Stolbergische Bibliothek Wernigerode). 1865 übernahm er die Leitung der Königlichen Bibliothek in Dresden. 1887 wurde er zum Geheimen Hofrat ernannt und übernahm die Leitung der Privatbibliothek von König Wilhelm I. sowie die der Prinzlichen Sekundogeniturbibliothek in Dresden. In gleicher Eigenschaft diente Förstemann auch dem Sohn und Nachfolger, König Friedrich III. Eine besondere Ehrung wurde ihm durch die Aufnahme in den sogenannten Dresdner Fürstenzug zuteil. Zwischen 1887 und 1897 konnte Förstemann den Kalenderteil des Codex Dresdensis entschlüsseln[2]

Mit seinem „Altdeutschen Namenbuch“ (1857) gilt Förstemann als Begründer der deutschen Namenforschung und durch sein Werk „Die deutschen Ortsnamen" (1863) zum Begründer einer systematischen deutschen Ortsnamenkunde. Mit seinem Plädoyer für die Nutzung der „numerischen Methode“ (= Sprachstatistik)[3] und den statistischen Erhebungen unterschiedlicher sprachlicher Phänomene (Laute, grammatische Phänomene, Namen) ist Förstemann einer der Wegbereiter der Sprachstatistik und damit der Quantitativen Linguistik. Neben zahlreichen sprachwissenschaftlichen Aufsätzen über die vergleichende Sprachforschung trat er durch Veröffentlichungen auf dem Gebiet des Bibliothekswesens sowie der Mayaforschung hervor. Er prägte den Begriff der Volksetymologie[4], der sich über den deutschen Sprachraum hinaus etablierte.

Im Dezember 1898 trat Ernst Förstemann in den Ruhestand und ließ sich in Charlottenburg nieder. Dort starb er im Alter von 84 Jahren.

Werke (Auswahl)

  • Altdeutsches Namenbuch, 2 Bde., 1856/59
  • Über die Gräflich Stolbergische Bibliothek zu Wernigerode, 1866
  • Mitteilungen der königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden, 1866 ff.
  • Geschichte des deutschen Sprachstammes, 2 Bde. 1874/75 (Nachdruck 1966)
  • Graf Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode, Hannover 1886.
  • Zur Entzifferung der Mayahandschriften, 7 Bde. 1887/98
  • Zur Geschichte der Bücher-Sammlungen in der Grafschaft Wernigerode bis zum Dreißigjährigen Kriege, insbesondere der Sammlung Graf Wolfgang Ernst zu Stolberg (angelegt von etwa 1569–1606)., o. J. (Manuskript)

Biographisches

  • Karl-Heinz Best: Ernst Wilhelm Förstemann (1822-1906). In: Glottometrics 12, 2006, S. 77-86. (Biographisches; vor allem: Bedeutung von E. W. Förstemann für die Quantitative Linguistik.)

Einzelnachweise

  1. C. König, B. Wägenbaur: Internationales Germanistenlexikon 1800−1950. R−Z, Band 3, Walter de Gruyter, Berlin - New York 2003, S. 502 f. ISBN 3-11-015485-4
  2. Flyer des Codex Dresdensis auf der Seite der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek
  3. Ernst Wilhelm Förstemann: Ueber die numerischen Lautverhältnisse im Deutschen. In: Germania 6, 83-90; Zitat S. 83.
  4. Ernst Förstemann: Ueber deutsche Volksetymologie. In: Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen [= Kuhns Zeitschrift] 1, 1852, 1–25.

Weblinks

 Wikisource: Ernst Wilhelm Förstemann – Quellen und Volltexte

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Förstemann — ist der Familienname folgender Personen: Ernst Förstemann (1822–1906), deutscher Archivar, Bibliothekar und Historiker Karl Eduard Förstemann (1804–1847), deutscher evangelischer Theologe, Bibliothekar und Reformationshistoriker Robert Förstemann …   Deutsch Wikipedia

  • Förstemann — Förstemann, Ernst Wilhelm, Germanist, geb. 18. Sept. 1822 in Danzig, war zuerst Lehrer am Gymnasium seiner Vaterstadt, von 1851 ab am Lyzeum zu Wernigerode, 1866–87 Oberbibliothekar der königlichen Bibliothek in Dresden, deren Reorganisation und… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Förstemann — Förstemann, Ernst, Sprachforscher, geb. 18. Sept. 1822 zu Danzig, 1866 87 Oberbibliothekar zu Dresden; schrieb: »Altdeutsches Namenbuch« (Bd. 1, 2. Aufl. 1900; Bd. 2, 2. Aufl. 1872), »Geschichte des deutschen Sprachstammes« (1874 75), Kommentare… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode — Exlibris von Christian Ernst zu Stolberg Wernigerode Graf Christian Ernst zu Stolberg Wernigerode (* 2. April 1691 in Gedern; † 25. Oktober 1771 in Wernigerode) war ein deutscher Politiker. Er regierte von 1710 bis 1771 über die seit 1714 unter… …   Deutsch Wikipedia

  • Wilhelm August Förstemann — (* 29. Oktober 1791 in Nordhausen; † 28. Juni 1836 in Danzig) war ein deutscher Mathematiker und Pädagoge. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke (Auswahl) 3 …   Deutsch Wikipedia

  • Karl Eduard Förstemann — (* 12. August 1804 in Nordhausen; † 23. Januar 1847 in Halle (Saale)) war ein deutscher evangelischer Theologe, Bibliothekar und Reformationshistoriker. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Ausgesuchte Werke 3 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Karl Förstemann — Karl Eduard Förstemann (* 12. August 1804 in Nordhausen; † 23. Januar 1847 in Halle (Saale)) war ein deutscher evangelischer Theologe, Bibliothekar und Reformationshistoriker. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Ausgesuchte Werke 3 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Fo — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Söhne und Töchter der Stadt Wernigerode — Inhaltsverzeichnis 1 Ehrenbürger 2 Söhne und Töchter der Stadt 3 Weitere mit Wernigerode verbundene Persönlichkeiten 4 Literatur // …   Deutsch Wikipedia

  • Altdeutsches Namenbuch — Das Altdeutsche Namenbuch (ANB) soll sämtliche Ortsnamen Österreichs erfassen. Es werden Namen von Siedlungen, Bergen, Gewässern und Fluren aufgenommen, die seit der deutschen Besiedlung im Jahr 1200 schriftlich überliefert sind. Das erste… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”