- Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit
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Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Abk. EBL, engl. European Food Safety Authority, EFSA) ist eine Agentur der Europäischen Union, die über bestehende und neu auftretende Risiken in Zusammenhang mit der Lebensmittelkette informieren und dazu wissenschaftliche Beratung anbieten soll. Die Arbeit der Behörde deckt alle Themen ab, die eine direkte oder indirekte Auswirkung auf die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit haben, einschließlich Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzenschutz und Pflanzengesundheit sowie Ernährung.
Die EFSA soll der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten helfen, effektive und zeitnahe Risikomanagemententscheidungen zu treffen, die den Gesundheitsschutz der europäischen Verbraucher und die Sicherheit der Lebensmittel- und Futtermittelkette gewährleisten. Die Behörde ist angehalten, die Öffentlichkeit in einer offenen und transparenten Art und Weise über alle ihren Tätigkeitsbereich betreffenden Belange zu informieren.
Die EFSA wurde im Januar 2002 gegründet und hat ihren Sitz in Parma (Italien).
Inhaltsverzeichnis
Tätigkeiten der EFSA
Die Arbeit der EFSA dient den politischen Entscheidungsträgern bei der Verabschiedung oder Überarbeitung europäischer Rechtsvorschriften über Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, bei der Entscheidung über die Zulassung geregelter Stoffe wie Pestizide und Lebensmittelzusatzstoffe oder bei der Entwicklung neuer rechtlicher Rahmen und Grundsätze, beispielsweise im Bereich der Ernährung.
Die EFSA hat zu vielen Themen, die sich auf Risiken beziehen, wissenschaftliche Gutachten abgegeben. Hierzu gehören die Bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) und die Transmissible spongiforme Enzephalopathie (TSE), die Unbedenklichkeit von Lebensmittelzusatzstoffen wie Aspartam, allergiererzeugende Lebensmittelzutaten, gentechnisch veränderte Organismen (GVO), Wild- und Zuchtfische, Pestizide sowie Themen aus dem Bereich Tiergesundheit, wie etwa die aviäre Influenza (Vogelgrippe). Die EFSA führt auch auf eigene Initiative wissenschaftliche Arbeitsaufgaben durch, wie etwa im Bereich der neu auftretenden Risiken, bei denen sich wissenschaftliche Erkenntnisse und Ansätze ständig weiterentwickeln. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung eines harmonisierten Ansatzes zum Vergleich der Risiken potenziell krebsverursachender Stoffe.
Die Behörde erhebt auch wissenschaftliche Daten und wertet sie aus, um zu gewährleisten, dass sich die europäische Risikobewertung auf möglichst alle verfügbaren wissenschaftlichen Informationen stützt. Sie leistet dies in Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten sowie durch die Einleitung öffentlicher Anhörungen und durch Aufrufe zur Einreichung von Daten. Schließlich bietet die EFSA im Rahmen ihrer Risikokommunikation allen Interessengruppen und der Öffentlichkeit sachdienliche, schlüssige, präzise und zeitnahe Informationen über Fragen der Lebensmittelsicherheit, die sich auf ihre Risikobewertungen und ihr wissenschaftliches Fachwissen stützen.
Aufbau und Organisation der Behörde
Die Behörde ist unabhängig und untersteht dem neu geschaffenen Verwaltungsrat (Art. 25 der Verordnung).
Die EFSA hat vier Hauptorgane:
- Der Verwaltungsrat erstellt den Haushaltsplan, genehmigt das Jahresarbeitsprogramm und stellt sicher, dass die EFSA mit Partnerorganisationen innerhalb und außerhalb der EU erfolgreich zusammenarbeitet.
- Die Geschäftsführende Direktorin ist der gesetzliche Vertreter der Behörde. Sie ist für die operativen und Personalangelegenheiten sowie die Erstellung des Jahresarbeitsprogramms in Absprache mit der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten zuständig.
- Die Geschäftsführende Direktorin wird von einem Beirat aus Vertretern der für Risikobewertung zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten unterstützt, dem auch Beobachter aus Norwegen, Island, der Schweiz sowie der Europäischen Kommission angehören.
- Die wissenschaftlichen Gutachten und die wissenschaftliche Beratung der EFSA werden vom Wissenschaftlichen Ausschuss (SC) und von Wissenschaftlichen Gremien im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit bereitgestellt. Der Wissenschaftliche Ausschuss und die Wissenschaftlichen Gremien der EFSA setzen sich aus hoch qualifizierten Sachverständigen aus dem Bereich der wissenschaftlichen Risikobewertung zusammen
Finanzierung der Tätigkeiten der EFSA
Die EFSA ist eine unabhängige dezentrale europäische Einrichtung, die aus dem Haushaltsplan der EU finanziert wird und die unabhängig von der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten tätig ist.
Kritik
Anlässlich der Zulassung der von BASF entwickelten Kartoffel Amflora kritisiert Frankreichs Staatssekretärin für Ökologie Chantal Jouanno das Vorgehen der EU-Aufsicht für Lebensmittel. Die Behörde habe sich nur für gesundheitliche Folgen interessiert und die Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen auf die Umwelt nicht weiter in Betracht gezogen. Die Aufsicht müsse ihre Methoden verbessern. „Wir respektieren die Kompetenz der Lebensmittelbehörde nicht, weil wir ihre Einschätzungen für unvollständig halten"[1]
Nach Meinung der Organisation Friends of the Earth berücksichtige die EFSA bei den Zulassungsanträgen nicht genügend mögliche Risiken. Sie werfen der Behörde auch mangelnde Unabhängigkeit vor.[2]
In einem Radiobeitrag "B5 aktuell - Aus Landwirtschaft und Umwelt" wurde die Ansicht geäußert, dass sich die EFSA zunehmend vorsichtiger in ihrer Risikoeinschätzung zeige und Brüsseler EU-Politiker zunehmend bereits positiv beurteilte Zulassungsanträge erneut an die Behörde leiteten, mit der Bitte um weitere Prüfung beispielsweise der Langzeit-Umweltwirkungen genetisch veränderter Pflanzen. [3]
Eine weitere Kritik betrifft die im Jahr 2010 amtierende Präsidentin, die ungarische Hochschulprofessorin Diana Bánáti. Sie war auch bis Oktober 2010 im Vorstand des International Life Sciences Institutes Europe (ILSI),[4] dem seitens Greenpeace Lobbying für die Gen-Technikindustrie vorgeworfen wird.[5] Das ILSI bestreitet dies und verweist in einem Brief an Nature, dass es seit 1991 bei der Weltgesundheitsorganisation als Nichtregierungsorganisation registriert ist.[6][7] Allerdings schloss die Weltgesundheitsorganisation das ILSI 2006 wegen zu enger Kontakte mit der Industrie bei der Festlegung von Normen für die Belastung von Wasser und Nahrung aus.[8] Seit Frau Bánátis Präsidentschaft sei kein einziger Zulassungsantrag für eine gentechnisch veränderte Pflanze abgelehnt worden,[9] weshalb die EU-Grünen ihren Rücktritt forderten.[10] Laut dem MDR sollen weitere Mitarbeiter der Behörde für das ILSI tätig sein. Ein Mitarbeiter des Umweltbundesamtes und der Bund für Umwelt und Naturschutz haben sich gegenüber dem Sender kritisch zur Unabhängigkeit der Behörde geäußert.[5]
Verweise
Weblinks
Wiktionary: Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenFußnoten
- ↑ Interview: «Nous ne reconnaissons pas leurs expertises»,
Soupçons sur l’indépendance des experts OGM de Bruxelles,
Des ministres de l’Union très critiques, Le Parisien vom 5. März 2010 (französisch) - ↑ Brigitte Zarzer: heise.de:Total verbandelt? - "Friends of the Earth" werfen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit Parteinahme für die Interessen der Gentech-Industrie vor, heise.de, 23. Februar 2005
- ↑ Podcast der Sendung, hier ab Zählerstand 9 min 35 s des Beitrags (mp3, Okt. 2008)
- ↑ efsa.europa.eu: Declarations of Interests database - Management Board (englisch)
- ↑ a b Mitteldeutscher Rundfunk, Skandal bei EU-Behörde - Verbraucherschützer im Auftrag der Konzerne, 18. November 2010 Archiclink (Webcite)
- ↑ Special Statement on Lobbying (englisch)
- ↑ Correcting the record (englisch)
- ↑ Zeit online, Bisphenol A - Lebensmittelbehörde der EU soll mit der Industrie verbandelt sein, 18. November 2010
- ↑ Arbeitet die Präsidentin der EU-Lebensmittelaufsicht für die GenTech-Lobby? im Pester Lloyd vom 1. Oktober 2010 abgerufen am 6. Oktober 2010
- ↑ Grüne fordern Rücktritt von EFSA-Chefin Diana Banati wegen Befangenheit vom 1. Oktober 2010 abgerufen am 6. Oktober 2010
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