Exarchat von Karthago

Exarchat von Karthago

Das Exarchat von Karthago war neben dem Exarchat von Ravenna ein oströmisches Vizekönigtum, mit dessen Gründung der oströmische Kaiser Maurikios (582–602) den Folgen einer imperialen Überdehnung entgegenwirken konnte.

Die Eroberungen Justinians I. sowie die offensive Politik seiner Nachfolger überforderten die Ressourcen des oströmischen Reiches und führten letztlich zur Gründung der Exarchate.

Während in der bisherigen spätantiken römischen Provinzialverwaltung seit etwa 300 Jahren zivile und militärische Befugnisse zwischen dem Prätorianerpräfekten und dem magister militum aufgeteilt waren, bündelte Maurikios diese Befugnisse, als er 584 das Exarchat von Ravenna und 590 das Exarchat von Karthago gründete. Letzteres wurde zum Eckpfeiler byzantinischer Macht im westlichen Mittelmeerraum und erst 698 von den Arabern vernichtet.

Inhaltsverzeichnis

Ausgangslage

Die Eroberungskriege unter Justinian I. wie auch die Verteidigung der eroberten Gebiete belasteten nicht nur in Nordafrika die begrenzten Ressourcen des Reiches. Nachfolgende Kaiser waren nicht bereit, dem durch Preisgabe der eroberten Gebiete abzuhelfen. Die ständige Bedrohung, in Italien durch die Langobarden und in Südspanien durch die Westgoten, zwangen Ostrom zur Dezentralisierung ziviler und militärischer Macht in den eroberten Gebieten, zumal das Ostreich mit der Abwehr der Awaren und Slawen auf dem Balkan sowie seit 572 insbesondere auch wieder der persischen Sassaniden in Kleinasien, Armenien und Syrien genug eigenen Bedrohungen ausgesetzt war. Die Sicherung der reichen Orientprovinzen musste Vorrang vor dem Halten der justinianischen Eroberungen im Westen haben. Unter diesen Rahmenbedingungen schuf Maurikios die Exarchate von Karthago und Ravenna, um seinen Statthaltern in diesen nun weitgehend auf sich allein gestellten Gebieten eine möglichst große Handlungsfreiheit zu gewähren. Im Kernbereich des Oströmischen Reiches hingegen hielt man noch Jahrzehnte weitgehend an der herkömmlichen Trennung der zivilen und militärischen Kompetenzen fest.

Oströmisches Nordafrika vor Gründung des Exarchates

Nordafrika 533-ca.645

Auch nach dem Ende des Weströmischen Reiches 476 stellte das oströmische Reich weiterhin ein Bollwerk gegen die „Barbaren“ und das Sassanidenreich dar. 533–553 hatte der oströmische Kaiser Justinian I. zuerst Nordafrika, Italien, Dalmatien und schlussendlich auch Südspanien zurückerobert. Nordafrika war seit 533/34 wieder römisch, nachdem Belisar mit seinen Siegen über Gelimer bei Ad Decimum und Tricamarum das Reich der Vandalen vernichtete. Karthago wurde erneut Hauptstadt der römischen Provinz Africa. Das oströmische Afrika umfasste außerdem die Provinzen Byzacena, Mauretania Caesariensis, Mauretania Tingitana, Numidien, Sardinien und Tripolitanien. Zeitweilig gehörten auch Südspanien und die Balearen dazu. Auf afrikanischem Boden umfasste das oströmische Nordafrika somit etwas mehr Gebiet als das vormalige Vandalenreich und war somit auch mit den gleichen, gefährlichen Nachbarn konfrontiert. Die Provinzen mussten jedoch nicht nur gegen die Berber gesichert werden, sondern waren zunächst auch Schauplatz zahlreicher Aufstände der verbliebenen Vandalen oder oströmischer Soldaten unter Stotzas. Restgebiete des untergegangenen Weströmischen Reiches im heutigen Algerien und Marokko, die nicht unter vandalischer Herrschaft standen, waren in ihrer Kleinstaaterei bereits so etabliert, dass sie die wiederhergestellte römische Herrschaft in Karthago nicht anerkannten. Eine gewisse Konsolidierung setzte bereits Ende der 530er Jahre unter Germanus ein. Das Reich von Altava (Fürstentum Masuna), der bedeutendste der römisch-berberischen Kleinstaaten, wurde Ende der 570er Jahre vom letzten magister militum und späteren Exarchen Gennadios besiegt. Nicht geklärt ist bis heute, ob das Gebiet von Altava in der Folge dem oströmischen Reich einverleibt wurde.

Das Exarchat von 590 bis 642

Bereits Gennadios konnte in seiner Amtszeit als erster Exarch (591–598) die Mauren aus eigener Kraft besiegen. Dies, verbunden mit seinem vormaligen Sieg über Altava, bescherte der Provinz Africa jahrzehntelangen Frieden. Maurikios hatte deshalb den Rücken frei, um mit Persien einen vorteilhaften Frieden auszuhandeln (siehe Römisch-Persische Kriege) und anschließend den Awaren und Slawen entgegenzutreten (siehe Balkanfeldzüge des Maurikios). Auch während anschließend unter Phokas das byzantinische Reich in Chaos und Anarchie versank, waren die Verhältnisse in Africa relativ stabil. Herakleios der Ältere, vermutlich Nachfolger von Gennadios und noch von Maurikios zum Exarchen ernannt, konnte den Berberstämmen - vor allem den Aures und möglicherweise auch dem Fürstentum Masuna - politisch wie auch militärisch die Stirn bieten. Dies wurde begünstigt durch den Umstand, dass einige Berberstämme mit dem Exarchen verbündet waren, so etwa die Sanhadscha und Zanata.

Als 610 Herakleios der Ältere und sein Sohn revoltierten, stellten Berber einen großen Teil der Flotte, mit der Herakleios nach Konstantinopel segelte, während das von Herakleios dem Älteren verhängte Getreideembargo ein übriges tat, um den Unmut in Konstantinopel gegen Phokas anzufachen. Die Pläne von Herakleios aus dem Jahr 618, die Hauptstadt des Reiches von Konstantinopel nach Karthago zu verlegen, belegen die Stabilität und Machtfülle des Exarchates eindrucksvoll. Sie wurden jedoch nicht in die Tat umgesetzt, Konstantinopel trotzte 626 seiner ersten Belagerung, Herakleios besiegte die Perser 627 endgültig.

Abwehrkampf gegen die Araber

Die Islamische Expansion

Infolge der Eroberung Ägyptens durch die Araber wurde das Exarchat mit der Islamischen Expansion konfrontiert. Die ersten arabischen Expeditionen wurden 642 von dem gerade eroberten Ägypten durch den Emir Amr Ibn Al-as und seinen Neffen Uqba Ibn al Nafia al Fihri geführt. Vorstöße in die Kyrenaika begegneten kaum Widerstand. Byzantinische Kontrolle beschränkte sich ohnehin auf wenige schlecht verteidigte Küstenstützpunkte. Nachdem die Araber 646 zu zweiten Mal Alexandria erobert hatten, spürten sie die Schwäche des byzantinischen Reiches im südlichen Mittelmeer.

646 rebellierte erneut ein Exarch gegen den Kaiser, diesmal vor dem Hintergrund der monotheletischen Streitigkeiten in Byzanz. Gregor, ein Verwandter von Herakleios’ Vetter Niketas, sagte sich vom Byzantinischen Reich los und verlegte die Hauptstadt nach Sufetula/Sbeitla. Seine Machtfülle wurde durch die rund 100.000 Berber belegt, die er nach arabischen Quellen aufbieten konnte. Die Araber eroberten die Kyrenaika und stießen nach Tripolitanien und anschließend in die Byzacena vor, wo sie erneut auf Widerstand stießen. Gregor sammelte seine eigenen Truppen und seine Verbündeten bei seiner Hauptstadt Sufetula, allerdings ohne Unterstützung aus dem byzantinischen Mutterland. Als er sich den von Abdullah ibn Sa'ad ibn Abi as-Sarh geführten Arabern zur Schlacht stellte, konnte er nach arabischen Quellen 120.000 Mann aufbieten, verlor aber Schlacht und möglicherweise auch sein Leben.

Nach der Schlacht zogen sich die Araber nach Tripolitanien zurück, während die übrigen Teile des Exarchates unter dem neuen Exarchen Gennadios II. wieder in byzantinische Abhängigkeit gerieten. Die Hauptstadt wurde wieder nach Karthago verlegt, zumal Gregor nur aus Furcht vor einer byzantinischen Strafexpedition in das Landesinnere nach Sufetula verlegte. Da der neue Exarch die Araber durch Tributzahlungen ruhig zu stellen suchte, führte die entsprechende Steuerlast zu wachsendem Unmut in der Bevölkerung. Der wahre Grund für die Atempause des Exarchats lag jedoch nicht in den Tributzahlungen, sondern in innerislamischen Streitigkeiten um das Amt des Kalifen. Unter Muawiya I. wurde die Expansion 661 wieder aufgenommen. Der Feldherr Uqba ibn Nafi gründete Kairuan und stieß bis zum Atlantik vor.

Einen beachtlichen Abwehrerfolg konnte der Exarch jedoch 683 erzielen, als er zusammen mit verbündeten Berberstämmen unter deren König Kusaila ibn Lemzem die Araber bei Biskra schlagen konnte, vier Jahre nach der ersten arabischen Belagerung von Konstantinopel. Die geschlagenen Araber zogen sich ohne ihren gefallenen Feldherren nach Ägypten zurück, was dem Exarchat eine Atempause verschaffte. Doch 695 nahmen die Araber ihre Angriffe gegen das durch die laufenden Auseinandersetzungen geschwächte Exarchat wieder auf. Verstärkung erhielt es jedoch durch die Westgoten, deren König ebenfalls einen Angriff der Araber befürchtete. 698 belagerte der arabische Feldherr Hassan ibn an-Numan mit 40.000 Mann Karthago. Kaiser Leontios entsandte die byzantinische Flotte unter dem späteren Kaiser Tiberios II. Die Flotte kämpfte mit wechselndem Erfolg gegen die arabische Flotte, wich jedoch nach Kreta aus, um Verstärkungen aufzunehmen. Hierdurch gelang den arabischen Belagerern im Zusammenwirken mit ihrer Flotte die Einnahme und Zerstörung der Stadt.

Folgen der arabischen Eroberung

Der Verlust von Afrika war ein herber Schlag für das byzantinische Reich. Nach dem Verlust Ägyptens ging hier 698 die zweite große Kornkammer verloren. Tiberios brachte der Fall von Karthago jedoch den Kaiserthron ein. Seine Offiziere erhoben ihn aus Furcht, für die Niederlage verantwortlich gemacht zu werden, zum Gegenkaiser und stürzten Leontios, dem die Nase abgeschnitten wurde.

Auf dem Gebiet des Exarchats von Karthago setzte danach eine rasche und vollständige Arabisierung und Islamisierung ein, die durch die semitische Herkunft der Provinzialbevölkerung und durch die Demontage von Kirchen zwecks Moscheenbau begünstigt wurde. Hierdurch erfolgte die bis heute fortwirkende Trennung des Mittelmeerraumes in eine Nord- und Südhälfte.

Mit der Eroberung von Karthago schufen die Araber die Grundlage für eine Vorherrschaft über den westlichen Mittelmeerraum, da sie nunmehr die tunesischen Häfen als Sprungbrett für Operationen gegen die Balearen, Sardinien und Sizilien benutzen konnten. Sie bereiteten hierdurch außerdem die dreizehn Jahre später durchgeführte Invasion Spaniens vor, indem sie die Bedrohung aus der Flanke beseitigten.

Bekannte Exarchen

Bemerkungen
591–598 Gennadios Letzter magister militum per Africam, besiegte bereits in diesem Amt das römisch-berberische Reich von Altava.
598 oder 602–611 Herakleios
641(?)–647/48 Gregor
nach 647/48 Gennadios (II.)
Eleutherios Vermutlich Exarch von Karthago. Er wird nur in den arabischen Quellen erwähnt. Der Name al-At'riyūn wird allgemein in Eleutherios aufgelöst. Er stürzte Gennadios. Über seine offizielle Stellung ist nichts bekannt.
um 711 Julianos möglicherweise letzter Exarch von Afrika. Angeblicher byzantinischer Befehlshaber von Septem, der letzten byzantinischen Besitzung in Afrika. Er soll den Arabern bei ihrem Angriff auf das westgotische Spanien 711 geholfen haben.

Literatur (nicht ausgewertet)


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