Ferdinand Ďurčanský

Ferdinand Ďurčanský

Ferdinand Ďurčanský (* 18. Dezember 1906 in Rajec; † 15. März 1974 in München) war ein slowakischer Jurist, Journalist, nationalistischer Politiker und galt eine Zeit lang als Vertreter des radikalen pronazistischen Flügels der Slowakischen Volkspartei. Von 1938 bis 1939 war er Minister der autonomen Slowakei innerhalb der Tschecho-Slowakischen Republik.

Von 1939 bis 1940 war er Außenminister und Innenminister der Ersten Slowakischen Republik. Im Juli 1940 wurde er im Rahmen des sogenannten Salzburger Diktates auf Druck Hitlers aus der Regierung entlassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er neben Karol Sidor einer der beiden führenden exilslowakischen Politiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ausbildung und Werdegang

Ďurčanský studierte am Institute des Hautes Études Internationales in Paris sowie der Universität Bratislava und promovierte an der Haager Akademie für Völkerrecht. Anschließend hielt er eine Professur in Bratislava. Seit dem 15. April 1933 gab er gemeinsam mit seinem Bruder Ján Ďurčanský die Halbmonatszeitschrift Nástup (Aufbruch) heraus, die der ganzen Gruppierung der separatistisch eingestellten Radikalen ihren Namen gab (die sog. Nástupisten).[1] Von 1938 bis 1939 war er Justizminister, Gesundheitsminister und Sozialminister der in Folge der Invasion Hitlers in die "Rest-Tschechei" entstandenen (ersten)slowakischen Republik.

Politik 1938 bis 1945

Der Nationalist Ďurčanský strebte nicht nur Autonomie, sondern die volle Unabhängigkeit des Landes an. Nach dem Deutschlandbesuch Vojtech Tukas und Franz Karmasins am 12. Februar 1939 reiste knapp 2 Wochen später auch Ďurčanský mit einer Delegation nach Berlin, um sich unter anderem mit Hermann Göring und Joachim von Ribbentrop zu treffen. Dabei verfolgte Ďurčanský die Strategie, die Slowakei aus der finanziellen Abhängigkeit von Prag zu befreien, was durch den Rückgriff auf deutsche Kapitalanleihen möglich werden sollte.[2]

Göring erklärte sich zu wirtschaftlicher Unterstützung bereit, jedoch stellte er die Bedingung einer slowakischen Beteiligung an der Spaltung des tschecho-slowakischen Gesamtstaates. Auch Ribbentrop versicherte, dass die deutsche Reichsregierung die slowakische Selbstständigkeit und die Achtung ihrer Grenzen zu garantieren bereit sei, falls "dieser Schritt in einem günstigen Moment durchgeführt werden würde". Einige Tage später kam es noch zu wirtschaftlichen Verhandlungen mit Wilhelm Keppler.[2]

Auch bei den Verhandlungen mit Hitler und dem deutschen Außenminister Joachim von Ribbentrop zusammen mit Jozef Tiso am 13. März 1939 sprach sich Ďurčanský für die Unabhängigkeit aus.[3]. Hitler bestand gegenüber Tiso ebenfalls auf eine sofortige Unabhängigkeitserklärung, andernfalls würde die Slowakei ungarischen Interessen überlassen.[4]

Am 14. März proklamierte der slowakische Landtag in Bratislava dann einstimmig den Slowakischen Staat. Ďurčanský wurde Außenminister in der Tiso-Regierung. Am 18. März unterzeichnete er gemeinsam mit Vojtech Tuka den von Nazi-Deutschland diktierten Schutzvertrag.[5]

Nachdem Jozef Tiso am 26. Oktober 1939 zum Staatspräsidenten gewählt wurde und die Neubildung der Regierung mit Vojtech Tuka ein Berlin völlig ergebener Politiker zum Ministerpräsidenten gemacht wurde, übernahm Ďurčanský auch das Innenministerium. Im deutschen Kreisen glaubte man nun die Sorgen über eine ideologischen Entfremdung der Slowakei vorerst zurückstellen zu können. Doch gerade der bis dahin zu den germanophilen Radikalen zählende Ďurčanský, schloß sich - gestützt auf Kräfte in Wirtschaft, Staatsbürokratie und der Hlinka-Partei und durch das eifersüchtige Misstrauen von Armee und Polizei gegen die Beschneidung ihrer Kompetenzen durch die Hlinka-Garde begünstigt - den katholisch-konservativen Kräften des Staatspräsidenten Jozef Tiso an.[6]

Als Innenminister ging Ďurčanský immer wieder scharf gegen Mitglieder der Hlinka-Garde und deren Oberbefehlshaber Alexander Mach vor. Als im Februar 1940 Hlinka-Gardisten und Mitglieder der Freiwilligen Schutzstaffel in Bratislava mit antijüdischen Aktionen begannen, schritt Ďurčanský unverzüglich ein und gab die Weisung heraus, dass alle antisemitischen Plakate abzunehmen und alle antisemitischen Aktionen in Kaffees, Restaurants und Geschaften zu unterlassen seien. Weiters kontaktierte die ÚŠB auf initiative Ďurčanskýs den Stabschef der Hlinka-Garde Otomar Kubala, und erklärte ihm, dass alle Aktionen der Hlinka-Garde unverzüglich abzubrechen sind, weil sonst gegen Einzelpersonen, die die Aktionen durchführen, nach den geltenden Vorschriften eingeschritten wird.[7]

Auch als Außenminister versuchte er eine möglichst von Nazi-Deutschland unabhängige Politik zu betreiben. Seine Bemühungen, die Kontakte zu den Westmächten zu intensivieren sowie bei der bilateralen Beziehung zum Deutschen Reich slowakische Interessen durchzusetzen, machen ihn in Berlin bald zur "persona non grata".[8] Nachdem als Anhängsel des deutschen Polenfeldzuges Tiso Ende 1939 Javorina und die Arwa zurückeroberte, die Edvard Beneš 1932 den Polen für Gebietsteile von Teschen abgetreten hatte. Dies ging Ďurčanský zu weit, so dass er über Lissaboner und römische Diplomaten den Briten anbot, im Tausch gegen die Anerkennung der Unabhängigkeit des Landes durch England Hitler davon zu überzeugen die Slowakei neutral zu halten. Das Schreiben wurde in Berlin bekannt und Joachim von Ribbentrop überreichte es während des Salzburger Diktats an Staatspräsident Tiso. Dieser sah sich daraufhin gezwungen Ďurčanský augenblicklich zu entlassen, um den neuen Staat zu retten.[9] Die Ersetzung Ďurčanskýs, der damals der mächtigste Mann im Kabinett war, verfolgte den Zweck, den Exponenten der Hlinka-Garde eine Ausgangsbasis für die Gleichschaltung der Slowakei nach deutschem Vorbild zu verschaffen.[10] 1945 floh Ďurčanský nach Deutschland in die Französische Besatzungszone, 1947 nach Argentinien und 1952 zog er wieder nach Deutschland.

Flucht und Exil

Nach der Eroberung der Slowakei durch die Rote Armee wurde Ďurčanský wegen angeblicher Judenverfolgung in Abwesenheit zum Tode verurteilt, allerdings war er in der Verfolgungszeit nicht im Amt gewesen. Die United Nations War Crimes Commission akzeptierte dennoch die tschechoslowakische Anklage und die CIA führte 1951 eine Akte über ihn. 1947 flüchtete er zunächst nach Argentinien und zog 1959 nach München um. Ďurčanský ging 1959 in die Vereinigten Staaten und referierte dort verschiedentlich bei antikommunistischen slowakischen Emigrantengruppen. Die Umstände seiner Visaerteilung wurde von B'nai B'rith untersucht[11]. Ďurčanský war Präsident des slowakischen Komitees des Antibolschewistischen Blocks der Nationen und schrieb u.a. in Nation und Europa[12] und Der Donauraum des Institut für den Donauraum und Mitteleuropa. Weiters gründete er den Slowakischen Aktionsausschuss (Slovenský akčný výbor) als politisches Organ der Exilslowaken. Ďurčanský stand innerhalb der slowakischen Emigration vor allem in Konkurrenz zu Karol Sidor, von dem ihn in seinen politischen Zielen jedoch nichts unterschied.[13]

Rehabilitierungsversuch nach 1990

Am 11. Juni 2011 wurde ihm zu Ehren in seiner Heimatstadt Rajec eine Büste errichtet, worauf die Organisation Human eine Anzeige erstattete, und erklärte:

„Eine solche Schändung der Opfer eines unmenschlichen Systems, das diese Person vertritt, ist Ausdruck einer Verachtung und Unehre der Werte, zu denen sich die Slowakei bekennt.[14]

Am 29. August 2011 wurde die Büste Ďurčanskýs aus Protest während einer Gedenkfeier zu Ehren des Slowakischen Nationalaufstands von Aktivisten der Organisation "Charta 2010" in Toilettenpapier eingehüllt.[15]

Werke

  • Die Existenzberechtigung der kleinen Staaten. Wissenschaftliche Gesellschaft für das Auslandsslowakentum. Bratislava 1944
  • Der Weg zur slowakischen Freiheit. Wissenschaftliche Gesellschaft für das Auslandsslowakentum. Bratislava 1944
  • Die slowakische Frage - eine internationale Frage. München, Selbstverlag Slowakisches Befreiungskomitee, 1954.
  • Mit Tiso bei Hitler. Isar Verlag, München 1956
  • Es war nur eine sowjetische Partisanenaktion. Sonderdruck aus "Politische Studien", Heft 157. München. Olzog. 1964.
  • Die Slowakei und der Panslawismus. München : Lerche, 1965

Literatur

  • Milan S. Ďurica: Ferdinand Ďurčanský a jeho vzťah k Hitlerovmu Nemecku. [Ferdinand Ďurčanský und sein Verhältnis zu Hitler-Deutschland.] Lúč Verlag, Bratislava 2011, ISBN 978-80-7114-859-3

Quellen

www.aktuality.sk, Názor: Kontroverzný Ferdinand Ďurčanský, vom 4. Februar 2011, abgerufen am 2. Juli 2011 (online)

Einzelnachweise

  1. Jörg Konrad Hoensch: Studia Slovaca: Studien zur Geschichte der Slowaken und der Slowakei in Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2000, S. 162, ISBN 3-486-56521-4
  2. a b Edmund Veesenmayer - Von Igor-Philip Matić, S. 69 (online)
  3. Vojtech Mastny, The Czechs under Nazi Rule: The Failure of National Resistance 1939-1942, New York: Columbia University Press, 1971
  4. Meine zwei Leben: Erinnerungen einer Holocaust-Überlebenden Von Lotte Weiss, S. 196 (online)
  5. Edmund Veesenmayer - Von Igor-Philip Matić, S. 78 (online)
  6. Jörg Konrad Hoensch: Studia Slovaca: Studien zur Geschichte der Slowaken und der Slowakei in Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2000, S. 231, ISBN 3-486-56521-4
  7. Peter Sokolovič: HLINKOVA GARDA 1938 - 1939 In: Ústav pamäti národa, 2009, S. 244 u. 245, ISBN 978-80-89335-10-7
  8. Jörg Konrad Hoensch: Studia Slovaca: Studien zur Geschichte der Slowaken und der Slowakei Oldenbourg, 2000, S. 259 ISBN 3-486-56521-4
  9. Wer war der Emigrantenführer Matus Cernäk?. DIE ZEIT, 14. Juli 1955 Nr. 28
  10. Jörg Konrad Hoensch: Studia Slovaca: Studien zur Geschichte der Slowaken und der Slowakei, S. 234
  11. In the War Crimes Archives: Rifts on Prosecutions. By RALPH BLUMENTHAL. New York Times, December 26, 1987
  12. Philip Rees: Biographical Dictionary of the Extreme Right Since 1890. Simon & Schuster. New York. 1990
  13. Die Befreiung vom Kommunismus - Von Bernd Stöver, S. 290 (online)
  14. Büsten-Enthüllung löste Polizeiermittlung aus auf Radio Slovakia International vom 15. Juni 2011 abgerufen am 15. Juni 2011
  15. Bustu Ďurčanského v Rajci zahalili do toaletného papiera, auf www.topky.sk, vom 29. August 2010

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