Friedhof der Russisch-Orthodoxen Gemeinde Berlin-Tegel

Friedhof der Russisch-Orthodoxen Gemeinde Berlin-Tegel
Russisch-orthodoxe Grabkreuze mit den typischen Schrägbalken

Der Friedhof der Russisch-Orthodoxen Gemeinde in der Wittestraße in Berlin-Tegel (Bezirk Reinickendorf) ist der einzige zivile russisch-orthodoxe Friedhof in Berlin. Er wurde 1893 gegründet und wurde später für zahlreiche Exilrussen in Deutschland, darunter auch viele bekannte Adelige, zur letzten Ruhestätte. Er ist Eigentum der Bruderschaft des heiligen Fürsten Wladimir Bratstwo.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Friedhof an der Wittestraße entstand auf einem etwa 2 Hektar großen Grundstück, das die russisch-orthodoxe Bruderschaft des heiligen Fürsten Wladimir Bratstwo im Oktober 1892 für 30.000 Mark kaufte. Bis dahin wurden orthodoxe Christen vorwiegend auf bestehenden, meist protestantischen, Berliner Friedhöfen bestattet. Auch wollte die Gemeinde auf dem erworbenen Grundstück ein neues Gotteshaus bauen.

St.-Konstantin-und-Helena-Kirche, zugleich Friedhofskapelle

Die Grundsteinlegung für die Kirche erfolgte am 3. Juni 1893, dem Tag der Apostelgleichen Konstantin der Große und Helena, die damit auch namensgebend für die Kirche wurden. Bereits weniger als ein Jahr später konnte das neue Kirchengebäude geweiht werden. Dieses wurde nach Plänen des deutschen Architekten Albert Bohm gebaut und lehnt sich mit seinen fünf zwiebelturmartigen, heute blau angestrichenen Kuppeln architektonisch an andere bekannte russisch-orthodoxe Kirchenbauten an, so beispielsweise die Basilius-Kathedrale in Moskau. Außer dem Kirchengebäude errichtete man auf dem Friedhofsgrundstück ein Pförtnerhaus sowie einige Wirtschaftsgebäude.

Die Anlage des Friedhofs rund um die Kirche, die auch als Friedhofskapelle vorgesehen wurde, vollzog sich zeitgleich mit deren Bau. Dafür wurden eigens vier Eisenbahnwaggons mit 4000 Tonnen Erde aus Russland hierher gebracht, damit die russischen Verstorbenen gemäß der orthodoxen Tradition in heimatlicher Erde beigesetzt werden konnten. Die offizielle Einweihung der neuen Begräbnisstätte erfolgte am 2. Juni 1894.

Ruhestätte des Vaters von Vladimir Nabokov

Aufgrund der zu jener Zeit noch geringen Größe der russischen Gemeinde Berlins führte der neue Friedhof die ersten Jahrzehnte lang eher ein Schattendasein. Dies änderte sich jedoch nach der Oktoberrevolution und dem Untergang des Russischen Kaiserreiches, als die russische Gemeinde durch den Zulauf zahlreicher Exilanten anwuchs. Fortan wurde der Russische Friedhof in Tegel zur letzten Ruhestätte für Mitglieder des russischen Hochadels, ranghohe Offiziere, Künstler und Intellektuelle. Bis heute erinnern zum Teil prachtvolle Erbbegräbnisse, aber auch schlichte Holzkreuze, mit prominenten Adelsfamiliennamen wie beispielsweise Kropotkin, Golizyn oder Daschkow an die Blütezeit sowohl der Russischen Gemeinde Berlins als auch deren Begräbnisstätte. Ein großes Denkmal an der nördlichen Friedhofsmauer erinnert an den in Berlin verstorbenen Komponisten Michail Glinka, der allerdings nicht hier, sondern in Sankt Petersburg begraben liegt. Freilich fanden auf dem Friedhof auch einfache Russen ihre letzte Ruhe: So wurden hier in den beiden Weltkriegen in Kriegsgefangenschaft verstorbene Soldaten beerdigt, woran hier bis heute zwei Gedenkstätten erinnern.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurden viele Grabmäler beschädigt und mussten nach dem Krieg mühsam repariert werden. An den Zweiten Weltkrieg erinnert hier auch das Eingangstor an der Wittestraße: Dort hängen neun Glocken, die von den deutschen Truppen während des Krieges gegen die Sowjetunion geraubt und nach Deutschland transportiert, später aber von der Sowjetarmee wieder sichergestellt wurden. Die älteste dieser Glocken wurde bereits im Jahr 1899 gegossen.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verlor der Friedhof zunehmend wieder an Bedeutung, nicht wenige erhaltenswerte Grabmäler waren sogar vom Verfall bedroht und sind es teilweise auch heute noch. Seit den 1990er Jahren ist jedoch eine gewisse „Wiederbelebung“ des Russischen Friedhofs zu verzeichnen, da sich viele der in Berlin lebenden Emigranten der postsowjetischen Welle hier bestatten lassen. Die lange vernachlässigte, denkmalgeschützte Friedhofskirche konnte im Jahr 2005 mit Hilfe von privaten Spenden restauriert werden.

Gräber bekannter Persönlichkeiten

Literatur

  • Nikolaus Thon: Die russisch-orthodoxe Gemeinde zu Berlin bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges. Aus: Der Christliche Osten, Würzburg 1986
  • Klaus Hammer: Historische Friedhöfe und Grabmäler in Berlin, S. 321–324. Berlin 1994, ISBN 3-922778-32-1
  • Rolf Richter: Aus dem Leben der Russischen Orthodoxen Kirche in Berlin, S. 68–69. Berlin 1999, ISBN 3-932180-69-0
  • Wolf-Borwin Wendlandt, Volker Koop (Hrsg.): Ein Stück Russland in Berlin – Die Russisch-Orthodoxe Gemeinde Reinickendorf, S. 58–70. Berlin 1994, ISBN 3-89488-072-4
  • Ralf Schmiedecke: Reinickendorf. Berlins grüner Norden. Sutton-Verlag; Erfurt 2003
  • Dimitrij Rahr: Woswraschschenie Bratstwu chrama sww. rawnoapostol'nych Konstantina i Eleny i russkago kladbischschscha w Berline-Tegele (Rückgabe der Kirche der hl. Konstantin und Helena und des russischen Friedhofs in Berlin-Tegel an die Bruderschaft) (russ.), in: Bratskij Westnik № 21, Bad Kissingen 2006

Weblinks

 Commons: Friedhof der Russisch-Orthodoxen Gemeinde Berlin-Tegel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Siehe auch

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