- Friedrich Justin Bertuch
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Friedrich Johann Justin Bertuch (* 30. September 1747; † 3. April 1822 in Weimar) war ein deutscher Verleger und Mäzen.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Bertuch stammte aus einer Familie, die nachweislich schon seit dem 15. Jahrhundert in Thüringen im Raum (Bad) Tennstedt ansässig und mit dem wissenschaftlichen und geistigen Umfeld eng verbunden war und der u.a. der Direktor der Fürstenschule Schulpforta bei Naumburg Justin Bertuch angehört hatte.
Als Bertuch fünf Jahre alt war, starb sein Vater Justinus, der Garnisonsarzt im Dienst des Herzogs Ernst August Konstantin (1737–1758) war, an Blutsturz. Seine Mutter verlor er 15-jährig. Zunächst mittellos, wuchs er im Hause seines Onkels, des Weimarer Rats der Landschaftskasse Gottfried Matthias Ludwig Schrön, auf. Er besuchte das Weimarer Wilhelm-Ernst-Gymnasium und studierte zwischen 1765 und 1769 an der Landesuniversität in Jena erst Theologie, dann Rechtswissenschaft. Sein Hauptinteresse galt jedoch der Literatur und der Naturgeschichte.
Die Bekanntschaft mit dem Freiherrn Ludwig Heinrich Bachoff von Echt ließ den 22-jährigen sein Studium 1769 ohne Examen abbrechen. Bertuch begann noch im selben Jahr auf dem Rittergut Dobitschen bei Altenburg als Hoflehrer der Söhne Bachoff von Echts und hatte die Stelle bis 1773 inne. Er lernte seinerseits von seinem Arbeitgeber, der Gesandter in Spanien war, die spanische Sprache, übersetzte Don Quichotte ins Deutsche und verlegte dieses Werk 1774 selbst. Erfolg versprachen auch seine Übersetzungen englischer und französischer Literatur.
Aus gesundheitlichen Gründen 1773 nach Weimar zurückgekehrt, pflegte Bertuch als freier Schriftsteller Kontakte zum Hofkapellmeister Ernst Wilhelm Wolf und dessen Frau, der Tochter des berühmten Konzertmeisters Franz Benda, sowie zum Schauspielerehepaar Friederike und Abel Seyler, dem Schauspieler Konrad Ekhof und dem Gymnasialprofessor und Märchensammler Johann Karl August Musäus. Seinen Lebensunterhalt verdiente er bis 1796 als Verwalter der herzoglichen Privatfinanzen.
Bertuch konnte von 1782 bis 1786 am Teutschen Merkur mitarbeiten. Dessen Herausgeber Wieland, Erzieher der Söhne der Weimarer Herzogin Anna Amalia, verschaffte ihm Zugang zum Weimarer Hof. Bertuchs Übersetzung des von der Herzogin bei Antoine Houdar de la Motte in Auftrag gegebenen Trauerspiels Ines de Castro aus dem Französischen fand große Beachtung.
1774 reichte Bertuch zusammen mit dem befreundeten Maler Georg Melchior Kraus in Weimar die Denkschrift „Entwurf einer mit wenigen Mitteln hier zu errichtenden freien Zeichenschule“ ein. Auf diese Initiative hin wurde 1776 von Herzog Karl August in den Räumen des Roten Schlosses die sogenannte Fürstliche freie Zeichenschule Weimar gegründet, die nach Bertuchs Ideen eingerichtet und später von Johann Heinrich Meyer sowie ab 1788 von Johann Wolfgang von Goethe geleitet wurde. Bertuchs Ziel war es, allen Interessenten, gleich welchen sozialen Standes, die Möglichkeit zu bieten, ihre handwerkliche Kunstfertigkeit zu verbessern und ihre Talente auszubilden.
Bertuch wurde 1775 Geheimer Sekretär des Herzogs und sollte in verschiedenen Funktionen bis 1787 im Staatsdienst bleiben. 1776 wurde er in die Weimarer Freimaurerloge Amalia zu den drei Rosen aufgenommen.
Seine geschäftlichem Tätigkeit war vielfältig. Er nahm 1777 den großen „Baumgarten“, den heutigen „Weimarhallenpark“, in Erbpacht und gestaltete ihn um; der Schwanseeteich im öffentlich zugänglichen Garten seines Anwesens wurde zu einer beliebten Eislauffläche. 1782 gründete er eine Fabrik für künstliche Blumen; mit dem kunstgewerblichen Modeartikel hatte er in ganz Deutschland Erfolg. 1785 gründete er die Allgemeine Literatur-Zeitung, die später als Neue Jena’sche Allgemeine Literaturzeitung erscheinen sollte.
Ab 1778 konnte Bertuch seine Werke selbst verlegen, nachdem er eine Schleifmühle zu einer Papier- und Farbenmühle hatte umbauen lassen – ein weiteres Beispiel für seine Weitsicht und sein kaufmännisches Talent. 1780 ließ er am Weimarer Baumgarten sein Haus errichten, in dem auch die Fabrik für Kunstblumen ihren Platz fand und damit unter anderen Goethes spätere Frau Christiane Vulpius beschäftigt war.
Das Journal des Luxus und der Moden, das Bertuch seit 1786 herausgab, pries nicht nur Kunstblumen, sondern auch technische Neuerungen an, enthielt Lesestoff zur Unterhaltung und Belehrung und gilt als die erste Illustrierte Europas. Für den Plan eines Landes-Industrie-Comptoirs, das die Landesindustrie fördern, geschickte Arbeiter ausbilden und den Wohlstand steigern sollte, erhielt Bertuch 1791 das fürstliche Privileg. Er beschäftigte zeitweilig 400 bis 500 Personen, was etwa zehn Prozent der Weimarer Bevölkerung entsprach. Es gelang ihm damit, Drucker, Kartographen und Künstler unter einem Dach zu vereinigen. Die Entlohnung war überdurchschnittlich. Im Jahr 1792 wurde er zum Mitglied der Gelehrtenakademie Leopoldina gewählt.
1793 definierte Bertuch selbst diese Art Unternehmen in einer Zeitschrift öffentlich als „ein unfehlbares Mittel, die deutsche Industrie zu beleben und Nahrung und Wohlstand unter uns zu verbreiten“. Hier zeigte sich aufklärerisches Gedankengut, das auf die Marktwirtschaft praktisch angewendet wurde:
„Ich verstehe unter Landes-Industrie-Institut eine gemeinnützige öffentliche oder private Anstalt, die sichs zum einzigen Zwecke macht, teils die Natur-Reichtümer ihrer Provinz aufzusuchen und ihre Kultur zu befördern, teils den Kunstfleiß ihrer Einwohner zu beleben, zu leiten und zu vervollkommnen. Am besten und für das Land am wohltätigsten werden alle dergleichen Unternehmungen durch kaufmännische Societäten oder sogenannte Aktien-Gesellschaften oder, wenn ihr Objekt nicht so groß ist, bloß durch einen tätigen und geschickten Privat-Mann gemacht.“
Bertuch erlangte über die geforderte „Lokal-Nützlichkeit und Lokal-Wirksamkeit“ hinaus nationale und europäische Wirksamkeit. Zu dem Comptoir zählten im Laufe der Zeit die schon früher errichtete Papier- und Farbenmühle, die Buchdruckerei, eine kartografische Abteilung (seit 1804 als „Geographisches Institut“ selbstständig) und vieles mehr. Ab 1796 war Bertuch außerdem kaufmännischer Direktor der Chalkographischen Gesellschaft zu Dessau.
Solche Produktions-Instrumente für eine „literarische und artistische Industrie“ im Rücken, bezeichnete Bertuch sich als „literarischen Geburtshelfer“. Er unterstützte die erste Goethe-Ausgabe bei Göschen finanziell und fuhr mit der Allgemeinen Literatur-Zeitung ab 1785 hinsichtlich der Entwicklung der Abonnentenzahl und seiner jährlichen Einnahmen beträchtlichen Erfolg ein.
In Zusammenarbeit mit dem Thüringischen Pfarrer und Obstbaukundler J. V. Sickler schuf Bertuch zwischen 1794 und 1820 ein Obstkabinett als hoch wissenschaftliche und naturgetreue Modellsammlung von Kern-, Stein- und Schalenfrüchten. Nach Bertuchs Tod wurde die Sammlung nicht fortgesetzt. Die Nachfolge trat der Thüringer Gartenbau-Verein an. Das Museum der Natur in Gotha verfügt über 179 Wachsfrüchte von Bertuch & Sickler.
Zwischen 1790 und 1830 erschien mit Bertuchs zwölfbändigem Bilderbuch für Kinder ein Unterrichtswerk, das in monatlichen Ausgaben „das Wissen der Epoche vor dem Kind [ausbreitete]“ und mit 1185 Tafeln und 6000 Stichen illustriert war.
Auch durch Übersetzungen und medizinische Veröffentlichungen wurde hier in einem sehr weiten und modernen Sinne einer breiten Öffentlichkeit Kultur zugänglich gemacht und vermittelt. Mit dem Nebeneinander von und der Spannung zwischen Idealem und Realem wurde die ganze Breite und Vielfalt Weimaranischer Kultur um 1800 deutlich, die von Goethes klassischer Verarbeitung des antiken Iphigenie-Stoffes bis hin zur grafischen und sprachlichen Skizze einer „neu erfundenen Englischen Patent-Waschmaschine" reichte.
Die Kriegsereignisse des Jahres 1806 jedoch rissen Bertuchs Unternehmen in eine Krise. Es blieb fortan den politischen Zuständen ausgeliefert. Ab 1814 fungierte Bertuch auch als Verleger politischer Zeitungen und Zeitschriften, u.a. von Nemesis und Das Oppositionsblatt.
Seine letzten Lebensjahre verbrachte Bertuch zurückgezogen. Er starb am 3. April 1822 und wurde am südwestlichen Ende seines ehemaligen Baumgartens in dem von Eiben umsäumten Bertuch-Familiengrab beerdigt. Die Grabrede, an der Goethe mitgearbeitet hat, hielt der Kanzler des Herzogtums Sachsen-Weimar Friedrich von Müller. Darin hieß es:
„Ein langes, thaten- und seegensreiches Leben ist geschlossen, ein fester, kräftiger Wille, der nach allen Richtungen menschlicher Thätigkeit, von frühester Jugend herauf bis zum spätesten Alter, gemeinnützige Zwecke rastlos und glücklich verfolgte, hat für unsere Kreise zu wirken aufgehört. […] Um den zärtlich liebevollen Familienvater weinen tiefgebeugte Kinder und Enkel, um den warmen, redlichen Freund die Verbündeten seines Geistes und Herzens: den unermüdlichen Bürger klagt die Stadt, klagt das Vaterland, unser erhabenes Fürstenhaus den treuen, innigst anhänglichen Diener! […] Von früher Zeit her unserem Maurerbunde eingeweiht, hat er dessen reinmenschliche Zwecke mit eigenthümlicher Lebendigkeit erfasst und mit jeder persönlichen Aufopferung unermüdet verfolgt. […] Ihm verdanken wir die Wiedererweckung unserer Loge Amalia, und unzählige Stunden des reinsten geistigen Genusses. Tief gerührt sprechen wir es aus, hier am offenen Grabe, wo jede Schmeichelei verstummt: Er war eine der schönsten Zierden, eine der treuesten Stützen unseres Bundes.“
Der Schriftsteller und Journalist Karl Bertuch war sein Sohn.
Werke
- Polyxena (1775)
- Bilderbuch für Kinder enthaltend eine angenehme Sammlung von Thieren, Pflanzen, Blumen, Früchten, Mineralien, Trachten und allerhand andern unterrichtenden Gegenständen aus dem Reiche der Natur, der Künste und Wissenschaften; alle nach den besten Originalen gewählt, gestochen, und mit einer kurzen wissenschaftlichen, und den Verstandes-Kräften eines Kindes angemessenen Erklärung begleitet von F. J. Bertuch. 12 Bände. Verlag des Industrie-Comptoirs, Weimar 1792-1830 (online [UB Heidelberg]).
Literatur
- Jutta Heinz: Ueber die Mittel Naturgeschichte gemeinnütziger zu machen (1799) – Bertuchs Entwurf eines populärwissenschaftlichen Forschungs- und Verlagsprogramms. In: Gerhard R. Kaiser, Siegfried Seifert (Hrsg.): Friedrich Justin Bertuch (1747-1822) – Verleger, Schriftsteller und Unternehmer im klassischen Weimar. Tübingen 2000, S. 659-671 (Online-Publikation im Goethezeitportal; PDF, 132 kB).
- Katharina Middell: Die Bertuchs müssen doch in dieser Welt überall Glück haben. Der Verleger Friedrich Justin Bertuch und sein Landes-Industrie-Comptoir um 1800. Leipziger Universitäts-Verlag, Leipzig 2002, ISBN 3-936522-17-0.
- Kurt Schreinert: Bertuch, Friedrich Justin. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, S. 171–173 (Onlinefassung).
Weblinks
Commons: Friedrich Justin Bertuch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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