- Romanist
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Romanische Philologie oder Romanistik ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit Geschichte und Gegenwart der aus dem Latein hervorgegangenen romanischen Sprachen und den in diesen Sprachen verfassten Literaturen und Kulturen, und zwar in deren durch die Romanisierung (d.h. Latinisierung) entstandenen Sprachgebieten in Europa sowie in den durch Kolonisation hinzugekommenen Gebieten in Übersee, vor allem in Amerika und in Afrika. In diesem Zusammenhang spricht man von der „Romania antiqua“ bzw. der „Romania nova“. Ehemals romanisierte Gebiete, in denen heute keine romanischen Sprachen gesprochen werden - im heutigen Großbritannien, Deutschland, auf dem Balkan - bezeichnet man als „Romania submersa“. Grundlage der romanischen Sprachen ist nicht das geschriebene, klassische, sondern das gesprochene Latein, das man traditionell Vulgärlatein nennt und das natürlich nur schwierig aus schriftlichen Quellen zu rekonstruieren ist.
Die Romanistik umfasst somit vor allem das Französische, Italienische, Spanische, Portugiesische und Rumänische, aber auch die kleineren romanischen Sprachen wie Katalanisch, Galicisch, Okzitanisch, Rätoromanisch, Ladinisch, Friaulisch und Sardisch. Da die Abgrenzung von Sprachen und Dialekten äußerst schwierig ist, schwankt auch in den Handbüchern die Zahl der romanischen Sprachen. Sind z.B. das Asturianische, das Aragonesische, das Gaskognische oder das Korsische als eigene Sprachen zu bezeichnen? Das sogenannte Franko-Provenzalische bezeichnet keine Sprache, sondern fasst unter einem wissenschaftlichen Oberbegriff Dialekte der Übergangszone zwischen Französisch und Okzitanisch zusammen. Zum Gegenstandsbereich der Romanistik gehören auch die romanischbasierten Kreolsprachen.
Aufgrund ihrer Entstehung gehört die Romanistik zum Paradigma der historisch-vergleichenden Kulturwissenschaft. In Folge der Abkehr von einer rein historischen Betrachtung der Sprachen und Literaturen sowie wegen der zunehmenden Spezialisierung des Wissens tritt die ursprüngliche Beschäftigung mit allen romanischen Sprachen in einer Gesamtschau zusehends in den Hintergrund und macht einer intensiveren Beschäftigung mit den romanischen Sprachen (als Einzelphilologien) Platz. In oft kontrovers geführten wissenschafts- und berufspolitischen Diskussionen nähern sich damit die Teilfächer der Romanistik immer mehr den Nationalphilologien, wie sie in den verschiedenen romanischen Ländern etabliert sind, an. Man spricht dann auch von Rumänistik, Italianistik, Französistik (auch: Franko- oder Galloromanistik), Hispanistik und Lusitanistik. Die Romanistik leistet auch einen Beitrag zur Kreolistik.
Die Romanistik teilt sich in zwei Hauptgebiete auf: Romanische Literaturwissenschaft und Romanische Sprachwissenschaft. Literatur- und Sprachwissenschaft erweitern sich zu einer umfassenden Kulturwissenschaft.
Die Romanische Sprachwissenschaft bildet Hypothesen über den genauen Prozess der Entstehung der romanischen Sprachfamilie. Sie versucht, die Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen den romanischen Sprachen typologisch zu erfassen. Darüber hinaus erfasst die Disziplin die Beschreibung des Varietätengefüges (Dialekte, Sprachniveaus und -register), der Sprachstruktur und -geschichte jeder einzelnen romanischen Sprache. In der jüngeren Vergangenheit versucht die romanische Sprachwissenschaft verstärkt, Anregungen aus der allgemeinen Sprachwissenschaft, besonders der Pragmatik, der kognitiven Linguistik sowie der Syntax, aufzunehmen.
Inhaltsverzeichnis
Literatur
- Einführungen
- Baasner, Frank / Kuon, Peter: Was sollen Romanisten lesen?, Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1994, ISBN 978-3-503-03081-1
- Bossong, Georg: Die romanischen Sprachen: Eine vergleichende Einführung, Hamburg: Buske Verlag, 2008, ISBN 978-3-875-48518-9
- Gier, Albert: Orientierung Romanistik: Was sie kann, was sie will, Reinbek: Rowohlt, 2000, ISBN 978-3-499-55607-4
- Umfassende Darstellungen
- Holtus, Günter / Metzeltin, Michael / Schmitt, Christian (Hrsg.): Lexikon der romanistischen Linguistik (LRL), 8 Bde. in 12 Teil-Bdn., Tübingen: Niemeyer, 1988-2003.
- Ernst, Gerhard / Gleßgen, Martin-Dietrich / Schmitt, Christian u.a. (Hrsg.): Romanische Sprachgeschichte, 3 Bde., Berlin: de Gruyter, 2003-2008.
- Jauß, Hans Robert / Köhler, Erich / Gumbrecht, Hans Ulrich (Hrsg.): Grundriß der romanischen Literaturen des Mittelalters (GRLMA), 11 Bde., Heidelberg: Winter 1972-1993.
- Lange, Wolf-Dieter / Baltrusch, Burghard u.a. (Hrsg.): Kritisches Lexikon der romanischen Gegenwartsliteraturen (KLRG), Tübingen: Narr, 1990ff.
- Nachschlagewerke
- Elwert, Theodor Wilhelm: Die romanischen Sprachen und Literaturen. Ein Überblick, München: Beck 1979, ISBN 978-3-406-05721-2
- Hess, Rainer / Siebenmann, Gustav / Stegmann, Tilbert D.: Literaturwissenschaftliches Wörterbuch für Romanisten (LWR), 4., überarb. u. erw. Aufl., Tübingen: Francke, 2003 (=UTB 1373), ISBN 978-3-825-21373-2
- Wissenschaftliche Bibliographie
- Romanische Bibliographie / Bibliographie romane / Romance Bibliography, Tübingen: Niemeyer 1961ff. (zuvor Zeitschrift für Romanische Philologie (ZrP) Supplemente, Halle/Saale, dann Tübingen 1875ff.; Berichtszeitraum 1875-1913; 1924ff.)
- Wissenschaftliche Zeitschriften
- Germanisch-romanische Monatsschrift
- Grenzgänge. Beiträge zu einer modernen Romanistik
- Quo vadis, Romania? Zeitschrift für eine aktuelle Romanistik
- Revue de linguistique romane
- Romance Philology
- Romania
- Romanische Forschungen. Vierteljahresschrift für romanische Sprachen und Literaturen
- Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte / Cahiers d‘Histoire des Littératures Romanes
- Romanistik in Geschichte und Gegenwart
- Romanistisches Jahrbuch
- The Romanic Review
- Vox Romanica
- Zeitschrift für romanische Philologie
- Wissenschaftsgeschichte
- Christmann, Hans Helmut: Romanistik und Anglistik an der deutschen Universität im 19. Jahrhundert. Ihre Herausbildung als Fächer und ihr Verhältnis zu Germanistik und klassischer Philologie, Mainz: Akademie der Wissenschaften und der Literatur, 1985, ISBN 978-3-515-04465-3
- Coseriu, Eugenio / Meisterfeld, Reinhard: Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft, 4 Bde., (Bd. 1 Von den Anfängen bis 1492, Bd. 2 Von Nebrija bis Celso Cittadini, Bd. 3 Von 1601 bis 1818, Bd. 4 Von 1818 bis Wilhelm Meyer-Lübke), Tübingen: Narr 2003-2008
- Ertler, Klaus-Dieter (Hrsg.): Romanistik als Passion: Sternstunden der neueren Fachgeschichte, Münster: LIT Verlag, 2007, ISBN 978-3-825-80273-8
- Estelmann, Frank / Krügel, Pierre / Müller, Olaf (Hrsg.): Traditionen der Entgrenzung. Beiträge zur romanistischen Wissenschaftsgeschichte, Frankfurt am Main: Lang, 2003, ISBN 978-3-631-50388-1
- Gross, Stefan: Ernst Robert Curtius und die deutsche Romanistik der zwanziger Jahre: zum Problem nationaler Images in der Literaturwissenschaft. Bonn: Bouvier, 1980, ISBN 978-3-416-01583-7
- Gumbrecht, Hans Ulrich: Vom Leben und Sterben der großen Romanisten: Biografische Skizzen von Carl Vossler, Ernst Robert Curtius, Leo Spitzer, Erich Auerbach, Werner Krauss, München: Hanser Verlag, 2002, ISBN 978-3-446-20140-8
- Hausmann, Frank-Rutger: 'Vom Strudel der Ereignisse verschlungen'. Deutsche Romanistik im 'Dritten Reich' , Frankfurt am Main: Klostermann, 2000, ISBN 978-3-465-03584-8
- Hirdt, Willi (Hrsg.): Romanistik. Eine Bonner Erfindung, 2 Bde., Bonn: Bouvier, 1993, ISBN 978-3-416-80605-3
- Jehle, Peter: „Periodisierungsfragen der neueren Geschichte der Romanistik“, in: Grenzgänge 8 (2001), S. 32-44
- Seidel, Gerdi: Vom Leben und Überleben eines 'Luxusfachs'. Die Anfangsjahre der Romanistik in der DDR, Heidelberg: Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren, 2005, ISBN 978-3-935-02579-9
- Zur Krise und den Entwicklungsperspektiven der Romanistik
- Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 29, 3/4 (2005): Themenheft „Romanistik 2006: Revisionen, Positionen, Visionen“, ISSN 0343-379X
- Grenzgänge. Beiträge zu einer modernen Romanistik 23 (2005): Themenheft „Romanistik und Gesellschaft: Zukunft der Romanistik – Romanistik der Zukunft“, ISSN 0944-8594
- Quo vadis, Romania? Zeitschrift für eine aktuelle Romanistik 29 (2007): Themenheft „Neue Herausforderungen für die Romanistik“, ISSN 1022-3169
- Romanische Forschungen. Vierteljahresschrift für romanische Sprachen und Literaturen 120,3 (2008): „Forum“ zur zukünftigen Entwicklung der Romanistik, ISSN 0035-8126
- Dahmen, Wolfgang / Holtus, Günter / Kramer, Johannes u.a. (Hrsg.): Die Bedeutung der romanischen Sprachen im Europa der Zukunft, Tübingen: Narr 1996 (=Romanistisches Kolloquium IX), ISBN 978-3-823-35073-6
- Lieber, Maria / Wentzlaff-Eggebert, Harald: Deutschsprachige Romanistik - für wen?, Heidelberg: Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren, 2002, ISBN 978-3-935-02532-4
- Nies, Fritz / Grimm, Reinhold R. (Hrsg.): Ein „unmögliches Fach“: Bilanz und Perspektiven der Romanistik, Tübingen: Narr, 1988, ISBN 978-3-878-08698-7
Bekannte Romanisten
- Graziadio Ascoli
- Erich Auerbach
- Theodor Berchem
- Eugenio Coseriu
- Ernst Robert Curtius
- Friedrich Diez
- Wendelin Foerster
- Hugo Friedrich
- Ernst Gamillscheg
- Hans-Martin Gauger
- Hans Ulrich Gumbrecht
- Dirk Hoeges
- Hans Robert Jauß
- Joseph Jurt
- Victor Klemperer
- Erich Köhler
- Hermann Körting
- Werner Krauss
- Heinrich Lausberg
- Yakov Malkiel
- Ramón Menéndez Pidal
- Harri Meier
- Wilhelm Meyer-Lübke
- Adolf Mussafia
- Hans-Jörg Neuschäfer
- Gaston Paris
- Luigi Pirandello
- Wolfgang Raible
- Hans Rheinfelder
- Elise Richter
- Gerhard Rohlfs
- Fritz Schalk
- Brigitte Schlieben-Lange
- Heinrich Schneegans
- Hugo Schuchardt
- Ulrich Schulz-Buschhaus
- Leo Spitzer
- Karlheinz Stierle
- Hermann Suchier
- Adolf Tobler
- Karl Vossler
- Mario Wandruszka
- Walther von Wartburg
- Harald Weinrich
Siehe auch
Weblinks
- Offene, moderierte Plattform der deutschsprachigen Romanistik
- Deutscher Romanistenverband (DRV)
- XXXI. Internationaler Deutscher Romanistentag 2009 in Bonn
- Links zum Thema Romanistik im Open Directory Project
- Ulrich Schulz-Buschhaus | Das Aufsatzwerk (Über 200 digitalisierte Aufsätze aus dem Bereich der Romanistik)
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