Geißenklösterle

Geißenklösterle
Höhle Geißenklösterle (September 2004)

Das Geißenklösterle ist ein Abri im Achtal bei Blaubeuren und zugleich ein bedeutender archäologischer Fundplatz des Jungpaläolithikums.

Inhaltsverzeichnis

Geologie

Geißenklösterle im Bruckfelsmassiv (Achtal)

Das Geißenklösterle ist Teil einer Fundlandschaft im heutigen Blau- und Achtal, wo sich im Pleistozän am Südrand der Schwäbischen Alb ein tiefes Tal in die Juraformationen gegraben hat. Dadurch wurden einige Hohlräume des Karstsystems angeschnitten. Viele der so entstandenen Höhlen des Achtals wurden schon von Neandertalern des Mittelpaläolithikums als Lagerplatz genutzt (neben dem Geißenklösterle auch in der Brillenhöhle und der Großen Grotte bei Blaubeuren). Andere, wie der nahe gelegene Hohler Fels, weisen mehrfache intensive Besiedlungsphasen durch den anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens) auf.

Das Geißenklösterle liegt heute etwa 60 m über der Talsohle. Der Eingang ist durch zwei vorspringende Felswände geschützt.

Archäologie

1963 wurde eine erste Sondage durch Gustav Riek durchgeführt. Systematische Grabungen begannen 1973 unter Eberhard Wagner (Landesdenkmalamt Baden-Württemberg), seit 1974 dann im Auftrag des Landesdenkmalamtes unter Leitung von Joachim Hahn (Universität Tübingen), die nach dessen Tod (1997) durch die Tübinger Prähistoriker Nicholas Conard und Hans-Peter Uerpmann fortgeführt wurden. Die Ausgrabungen wurden im Jahre 2002 vorläufig abgeschlossen.[1]

Die Grabungen bis 1983 wurden in einer Monographie vorgelegt, die vor allem Funde des Aurignacien vorstellte.[2] Ein besonderes Augenmerk galt dabei der Schichtgenese innerhalb der Höhle. Es konnten innerhalb des Aurignacien sechs Fundhorizonte, innerhalb des Gravettien sieben Fundhorizonte unterschieden werden. Sie repräsentieren jedoch keine Nutzungsphasen, sondern entstanden durch natürliche Prozesse.

Folgende stratigraphische Abfolge wurde festgestellt (in der Auflistung vom älteren zum jüngeren):

Eisenzeit, Mittelalter

Mittelpaläolithikum

In den letzten Grabungsjahren von 2000–2002 wurden die basalen Schichten des Mittelpaläolithikums untersucht. Es konnten drei archäologische Horizonte unterschieden werden (AH IV bis VI), die den geologischen Schichten GH 18–20 entsprechen. Zwischen dem untersten Aurignacien-Horizont und den Schichten des Mittelpaläolithikums gab es eine weitgehend fundleere Schicht (GH 17), die durch Glimmer und grobklastischen Kalkschutt charakterisiert ist.[3]

Holzkohlen weisen auf die Nutzung von Feuer hin, doch fehlen ausgeprägte Brandschichten.

Aurignacien

Nachweisbar ist ein Aufenthalt kleiner Gruppen von Menschen während der letzten Würmeiszeit zwischen ungefähr 36.000 und 32.000 Jahren vor heute, mindestens zweimal für eine Dauer von nicht mehr als drei Monaten.

Das Herstellen von Steinwerkzeugen, das Verarbeiten von Knochen, Geweih und Elfenbein zu Gebrauchs-, Schmuck- oder Kunstgegenständen oder das Behandeln von Tierhäuten in der Höhle wurden nachgewiesen. Eventuell wurden einige der Gegenstände hier nicht nur hergestellt und benutzt, sondern auch deponiert. Reste von Brandstellen weisen darauf hin, dass die mit Knochen geschürten Feuer nicht nur zur Nahrungszubereitung, sondern auch zur Erwärmung, als Lichtquelle sowie als Schutz- und Arbeitshilfsmittel gedient haben. Die Rohmaterialversorgung mit Hornstein erfolgte wohl vorrangig aus der Umgebung; gebänderter Jaspis verweist allerdings auf Verbindungen der Bewohner in den bayerischen Raum.

Figürliche Kleinkunst

Weltweite Bedeutung erlangte das Geißenklösterle durch die dem Aurignacien zugehörigen Funde von Schnitzereien aus Mammutelfenbein, die zusammen mit den Funden aus dem nahe gelegenen Hohlefels und der Vogelherdhöhle im Lonetal zu den ältesten bisher bekannten figürlichen Kunstwerken zählen.

Flöten aus Knochen und Elfenbein

Im Geißenklösterle wurde im Jahre 1990 eine 12,6 cm lange Flöte (Flöte 1) aus dem Radius eines Singschwans gefunden.[4] Neben der gut erhaltenen Flöte 1 wurde von Hahn und Münzel eine zweite, sehr fragmentarische Vogelknochen-Flöte (Flöte 2) vorgelegt. Beide Exemplare stammen aus dem Archäologischen Horizont II (Oberes Aurignacien) und zeigen sorgfältig angelegte Kerben und flach geschnittene Grifflöcher, die eine eindeutige Interpretation der Funde als Flöten ermöglichen. Später wurde eine weitere Flöte (Flöte 3) aus dem Geißenklösterle identifiziert, die erstaunlicherweise aus zwei ausgehöhlten Mammutelfenbeinspänen hergestellt und dann zusammengeklebt wurde.[5] Wie die Vogelknochenflöten wurde diese Flöte aus dem oberen Aurignacien-Schichtkomplex AH II geborgen. Ein Teil der Flöte 3 war von Hahn bereits 1988 als mit einer Kerbreihe verziertes Elfenbeinstabfragment veröffentlicht worden, konnte aber wegen fehlender Teile noch nicht als Flöte identifiziert werden.[6]

Eine weitere Knochenflöte wurde 2008 im benachbarten Hohlen Fels gefunden.[7] Wie in diesem Artikel von Conard/Malina/Münzel kurz erwähnt, gibt es dort einige weitere Bruchstücke mit eindeutigen Flötenmerkmalen, außerdem auch aus der Vogelherdhöhle.

Bemalte Steine

Neben den figürlichen Kleinkunstwerken gibt es in Aurignacien-Schichten des Geißenklösterle mehrere Steine mit Farbaufträgen. In seiner Bedeutung als Kleinkunstwerk ragt ein dreifarbig (schwarz, rot und gelb) bemaltes Kalksteinstück aus der Aurignacien-Schicht IIb heraus.[8] Die roten Farbaufträge bestehen aus Hämatit, die gelben aus Limonit. Gelbe Ockerstücke wurden in denselben Schichten auch als mineralische Überreste gefunden, so dass die Verbindung zu den regelmäßige Pigmentaufträgen gesichert ist.

Gravettien

Mehrere Feuerstellen wurden gefunden: eine große im nördlichen, geschützten Bereich, eine kleine im südlichen, offenen Höhlenbereich. Die Nutzung erfolgte wohl im Frühjahr.

Literatur

  • L. Moreau: Geißenklösterle. Das Gravettien der Schwäbischen Alb im europäischen Kontext. Kerns, Tübingen 2009.
  • Eberhard Wagner: Eiszeitjäger im Blaubeurener Tal. Führer zu arch. Denkm. Bad.-Württ. Bd 6. Theiss, Stuttgart 1979. ISBN 3-8062-0225-7.
  • Urgeschichte in Oberschwaben und der mittleren Schwäbischen Alb. Zum Stand neuerer Untersuchungen der Steinzeit-Archäologie. Arch. Inform. Bad.-Württ. Bd 17. Stuttgart 1991. ISBN 3-927714-09-7.
  • Michael Zick: Die ersten Künstler. in: Abenteuer Archäologie. Spektrum, Heidelberg 2006,1,28ff. ISSN 1612-9954.

Einzelnachweise

  1. Nicolas Conard, Maria Malina: Abschließende Ausgrabungen im Geißenklösterle bei Blaubeuren, Alb-Donau-Kreis. In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2002 Theiss, Stuttgart 2003, S. 17–21 ISSN 0724-8954
  2. Joachim Hahn: Die Geißenklösterle-Höhle im Achtal bei Blaubeuren: Fundhorizontbildung und Besiedlung im Mittlelpaläolithikum und im Aurignacien. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Band 26. Theiss, Stuttgart, 1988 ISBN 3-8062-0794-1
  3. Conard, N. J., Malina, M.: Neue Ausgrabungen in den untersten Schichten des Aurignacien unddes Mittelpaläolithikums im Geißenklösterle bei Blaubeuren. In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2001. Theiss, Stuttgart, 2002, S. 16–21
  4. Joachim Hahn, Susanne Münzel: Knochenflöten aus dem Aurignacien des Geißenklösterle bei Blaubeuren, Alb-Donau-Kreis. Fundberichte aus Baden-Württemberg 20, 1995. S. 1–12
  5. Nicholas J. Conard, Maria Malina, Susanne C. Münzel, Friedrich Seeberger: Eine Mammutelfenbeinflöte aus dem Aurignacien des Geissenklösterle. Archäolog. Korrespondenzblatt 34, 2004. S. 447 ff.
  6. Joachim Hahn: Die Geißenklösterle-Höhle im Achtal bei Blaubeuren I. Fundhorizontbildung und Besiedlung im Mittelpaläolithikum und im Aurignacien. Forsch. u. Ber. z. Vor- und Frühgesch. in Baden-Württemberg 26. Stuttgart, 1988.
  7. Nicholas J. Conard, Maria Malina & Susanne C. Münzel: New flutes document the earliest musical tradition in southwestern Germany. Nature, 24 June 2009.doi:10.1038/nature08169
  8. Harald Floss et al: Lascaux auf der Alb? Hinweise auf Höhlenkunst im deutschen Südwesten. In: Eiszeit: Kunst und Kultur. Thorbecke, 2009, S. 303-306 ISBN 978-3799508339

Weblinks

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