- Gemeinsame-Dateien-Gesetz
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Die Antiterrordatei ist eine gemeinsame Datenbank von 38 verschiedenen deutschen Ermittlungsbehörden, die bisher prinzipiell nicht zusammenarbeiten, darunter Inlands- und Auslandsgeheimdienste als auch Polizeibehörden:
- Bundeskriminalamt
- Bundespolizei
- Bundesamt für Verfassungsschutz
- Militärischer Abschirmdienst
- Zollkriminalamt
- Bundesnachrichtendienst
- 16 Landeskriminalämter
- 16 Landesbehörden für Verfassungsschutz
Die Datei ist eingestuft als Verschlusssache VS-Geheim. Die Hardware für diese Datei (Datenbankserver) ist beim BKA installiert. Die anderen Dienststellen greifen über SINA-Boxen und SINA-Thin Clients auf die Datei zu.
Der Begriff ist ein politisches Schlagwort. Er kam auf in Folge verschiedener muslimisch-fundamentalistisch motivierter Anschläge sowohl in den USA als auch in Europa und wurde nach den Terroranschläge am 7. Juli 2005 in London in Deutschland diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
Inhalte
Ziel der Datei ist es, weit im Vorfeld zu erkennen, ob jemandes Verhalten typischerweise dem eines potenziellen Attentäters ähnelt, und weiterhin, die Lücken zu schließen, die prinzipiell durch die Gewaltenteilung in demokratischen Staaten entstehen können und die eventuell bewirken, dass jemand von der einen Behörde verfolgt, von einer anderen aber geduldet oder sogar wiederum gefördert wird.
Bei der Antiterrordatei unterscheidet man zwischen offener und verdeckter Speicherung. Trifft eine Suchanfrage auf einen in offener Speicherung angelegten Datensatz, so wird dieser dem Anfragenden angezeigt. Trifft eine Suchanfrage auf einen in verdeckter Speicherung angelegten Datensatz, dann bekommt der Anfragende eine Negativ-Auskunft. Stattdessen bekommt die speichernde Dienststelle eine Information über diesen Treffer und kann in eigener Zuständigkeit entscheiden, ob sie mit der anfragenden Stelle Kontakt aufnimmt. Es wird vermutet, dass die Polizeidienststellen im Regelfall offene Speicherung, die Geheimdienste im Regelfall die verdeckte Speicherung anwenden werden.
Gesammelt werden sämtliche Angaben über Personen, über die sich durch Querverweise ein Verdacht auf geplante Attentate erhärten könnte. Nach Beschluss der 181. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom September 2006 sind das
- Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen
- Waffenbesitz
- Telekommunikations- und Internetdaten
- Bankverbindungen und Schließfächer
- Schul- und Berufsausbildung – Arbeitsstelle
- Familienstand – Religionszugehörigkeit
- Verlust von Ausweispapieren
- Reisebewegungen und bekannte Aufenthalte an Orten mit terroristischem Hintergrund (bspw. Ausbildungslagern) [1]
Im Juli/August 2006 wurde seitens des Bundesministeriums des Innern (BMI) unter Wolfgang Schäuble ein Gesetzentwurf verfasst. Die Einführung der Datei wurde am 1. Dezember 2006 mit den Stimmen der großen Koalition (CDU/CSU und SPD) beschlossen. Alle Oppositionsparteien (Grüne, FDP, Linkspartei.PDS) stimmten dagegen. Während der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar und der Deutsche Anwaltsverein ablehnten, weil zuviele Daten aus dem Umfeld Betroffener gesammelt werden und das Trennungsgebot für Polizei und Geheimdienste verletzt wird, begrüßte die Deutsche Polizeigewerkschaft den Beschluss. Der Grüne Abgeordnete Wolfgang Wieland sagte in der Debatte, das Gesetz atme „den Geist des Überwachungsstaates.“[2] Eine ähnliche Begründung[3] lieferte die Jury zur Verleihung der Big Brother Awards 2006 an die Bundes-Innenministerkonferenz für ihren Beschluss vom 4. September 2006 zum Aufbau der Antiterrordatei.
Die Aufhebung der Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten verstößt möglicherweise gegen das Grundgesetz.
Erweiterte Indexdatei
Die Antiterrordatei ist als erweiterte Indexdatei beschlossen. Die Indexdatei beinhaltet lediglich eine Übersicht – einen Index – über Daten, die wiederum in anderen Datenbanken gespeichert sind, also nicht die Daten selbst. Im Unterschied dazu enthält eine Volltextdatei sämtliche Daten aller polizeilichen und geheimdienstlichen Datenbanken. Der Zugriff auf Daten aller Ermittlungsbehörden und Nachrichtendienste (Volltextdatei) ist nur auf Anfrage möglich, in eiligen Fällen gibt es jedoch einen Sofortzugriff.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble forderte, dass in der Antiterrordatei auch Informationen über die Religionszugehörigkeit und berufliche Kenntnisse gespeichert werden.
Gesetzliche Regelung
Die nunmehr erlassene gesetzliche Regelung findet sich in einem Gesetz vom 22. Dezember 2006 (BGBl I S. 3409), das am 31. Dezember 2006 in Kraft getreten ist. Das gesamte Gesetz, ein Artikelgesetz, nennt sich „Gesetz zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtdiensten des Bundes und der Länder (Gemeinsame-Dateien-Gesetz)“. Die eigentlichen Regelungen zur Antiterrordatei finden sich im Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtdiensten des Bundes und der Länder (Antiterrordateigesetz – ATDG), das als Artikel 1 des genannten Artikelgesetzes erlassen worden ist.
Die Antiterrordatei im Einsatz
Am Bekanntgabetag der Basisversion der Antiterrordatei am 30. März 2007, einen Monat nach dem Start derselben, befanden sich bereits 15.000 Dateien verteilt auf 334 Datenbankdateien und 511 Protokolldateien bei rund 13.000 erfassten Personen in der Datenbank. Der Großteil der verdateten Personen gilt als unbedenklich – dagegen wird nur ein kleiner Teil als „akuter Gefährder“ vermerkt. Mehr als drei Viertel der Verdächtigten davon sollen nicht in Deutschland leben.[4][5][6] Laut Schätzungen im Gesetzesentwurf vom 16. Oktober 2006 sind allein die finanziellen Einführungskosten bei 15,3 Millionen Euro anzusiedeln und der jährlich laufende Betrieb bei 6,4 Millionen Euro.[7] Zuvor bezifferte das überregional erscheinende Magazin Focus die Einführungskosten laut heise online dagegen auf 50 Millionen Euro.[8] Am 30. März gab die Datenschutzbeauftragte von Nordrhein-Westfalen, Bettina Sokol, bekannt, dass sich derzeit die jährlichen Kosten allein für die technische Sicherung der Datenbank für ihr Bundesland auf 380.000 Euro belaufen.[9] Schäuble gab am gleichen Tag bekannt, dass sich die Kosten, entgegen den niedrigeren Angaben des Gesetzesentwurfes, auf jährlich 5,4 Millionen Euro beim Bund und weitere 3,0 Millionen bei den Ländern belaufen.[6]
Literatur
- Felix Ruhmannseder: Informationelle Zusammenarbeit von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten aufgrund des „Gemeinsame-Dateien-Gesetzes. In: StraFo 2007, S. 184
- Heinrich Amadeus Wolff/Fabian Scheffczyk: Verfassungsrechtliche Fragen der gemeinsamen Antiterrordatei von Polizei und Nachrichtendiensten. In: Juristische Arbeitsblätter (JA) 2008, S. 81-88
Quellen
- ↑ http://www.bundesrat.de/DE/gremien-konf/fachministerkonf/imk/Sitzungen/06-09-04-termin.html Beschluss der 181. Sitzung der Innenministerkonferenz vom 4.9.2006
- ↑ http://www.netzeitung.de/spezial/kampfgegenterror/462666.html Bush und Blair sollen in Anti-Terror-Datei, Netzeitung.de vom 1.12.2006
- ↑ http://www.bigbrotherawards.de/2006/.pol/pol-02/ Begründung der Verleihung des Big Brother Awards an die Innenministerkonferenz
- ↑ Tagesschau.de: Die Anti-Terror-Datei, 30. März 2007
- ↑ Spiegel Online: Antiterrordatei. Terrorfahndung 2.0, 30. März 2007
- ↑ a b heise online: Schäuble schaltet Anti-Terrordatei frei, 30. März 2007
- ↑ Deutscher Bundestag: Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder (Gemeinsame-Dateien-Gesetz) (PDF), 16. Oktober 2006
- ↑ heise online: Innenminister beschließen zweiteilige Anti-Terror-Datei, 4. September 2006
- ↑ WDR.de: NRW-Datenschutzbeauftragte: Besorgnis erregende Entwicklung. Zweifel an der Antiterror-Datei, 30. März 2006
Siehe auch
Weblinks
- Text des Gemeinsame-Dateien-Gesetzes (Rechtsgrundlage für die Antiterrordatei)
- Artikel aus dem Archiv von Tagesschau.de
- Artikel aus dem Archiv von Spiegel Online
- Artikel vom 28.02.2007 aus dem Archiv von Heise Online (Mit einer Tabelle der in der Anti-Terror-Datei zusammengeführten Datenbanken)
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