Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen

Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen

Das Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen vom 20. Dezember 1934 [1], besser bekannt unter dem Begriff Heimtückegesetz, stellte die missbräuchliche Benutzung von Abzeichen und Parteiuniformen unter Strafe. Es schränkte darüber hinaus das Recht auf freie Meinungsäußerung ein und kriminalisierte alle kritischen Äußerungen, die angeblich das Wohl des Reiches, das Ansehen der Reichsregierung oder der NSDAP schwer schädigten.

Das Gesetz griff auf fast gleichlautende Bestimmungen zurück, die in der „Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung“ vom 21. März 1933[2] enthalten waren, erweiterte jedoch den Strafrahmen.

Inhaltsverzeichnis

Verordnung von 1933

Nach heftigen Vorwürfen versprach Staatssekretär Franz Schlegelberger im März 1933, die Justiz werde „die jetzige Regierung der nationalen Erhebung auf das energischste (...) unterstützen“. Er legte den Entwurf einer „Verordnung zur Abwehr heimtückischer Diskreditierung der nationalen Regierung“ vor, die mit geänderter Überschrift am 21. März 1933 vom Kabinett beschlossen und auch vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg unterzeichnet wurde. [3] Am selben Tag, der als Tag von Potsdam in die Geschichte einging, wurden mit einer weiteren Verordnung Sondergerichte gebildet, die zur Aburteilung zuständig sein sollten.

Inhalt

Im § 1 wurden unbefugter Besitz und das Tragen von Parteiuniformen wie auch unbefugtes Führen von Abzeichen mit Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren bedroht.

Wer dabei eine strafbare Handlung beging, damit in der Bevölkerung Schrecken erregte oder dadurch außenpolitische Schwierigkeiten bereitete, konnte nach § 2 zu lebenslanger Zuchthausstrafe oder sogar zum Tode verurteilt werden.

Wer „vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art“ aufstellte oder verbreitete, die „das Wohl des Reiches ... oder das Ansehen der Reichsregierung ...oder Parteien“ schwer schädigt, konnte nach § 3 mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft werden.

Gesetz von 1934

Nach nicht einmal zwei Jahren wurde die Verordnung am 20. Dezember 1934 umgeformt zum „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen“.

Inhalt

Zunächst änderte man die Reihenfolge der Bestimmungen, wobei die gegen den Missbrauch von Parteiuniform und –abzeichen gerichteten Paragrafen nach hinten rückten. Die Anzahl der deswegen eingeleiteten Verfahren war mit knapp 5 % bedeutungslos geblieben.[4] Erhalten blieb allerdings im erneuerten § 3 die unverhältnismäßig hohe Strafandrohung mit Zuchthaus oder sogar mit der Todesstrafe, wenn der sich als Nationalsozialist tarnende Täter die Absicht verfolgte, „einen Aufruhr oder in der Bevölkerung Angst oder Schrecken zu erregen, oder dem Deutschen Reich außenpolitische Schwierigkeiten zu bereiten...“

Die Bestimmung des § 3 der Verordnung wurde fast wortgleich als § 1 des Gesetzes übernommen. Danach wurde bestraft, wer „vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet...“Auch grob fahrlässige Taten waren strafbar. Als Strafmaß wurde eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren Gefängnis festgelegt.

Neu hinzu kam ein § 2, mit dem über Tatsachenbehauptungen hinaus nun auch geäußerte Werturteile bestraft werden konnten: „Wer öffentlich gehässige, hetzerische oder von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates oder der NSDAP, über ihre Anordnungen oder die von ihnen geschaffenen Einrichtungen macht...“, wird mit Gefängnis unbestimmter Dauer bestraft. Als „öffentlich“ galten Äußerungen auch dann, wenn der Täter „damit rechnen muss, dass die Äußerung in die Öffentlichkeit dringen werde.“

Für eine Strafverfolgung bedurfte es der Zustimmung des Stellvertreters des „Führers“ oder des Reichsjustizministeriums. Damit war eine politische Steuerung möglich.

Hintergrund und rechtliche Beurteilung

Amtlich begründet wurde die Einfügung des § 2 damit, dass bei einer Beschränkung auf Tatsachenbehauptungen „hetzerische Äußerungen über leitende Persönlichkeiten ... über ihre Anordnungen und die von ihnen geschaffenen Einrichtungen straflos blieben“ oder nur wegen Beleidigung bestraft werden könnten.[5] Darüber hinaus aber konnte nun auch eine unerwünschte Erörterung über den Wahrheitsgehalt einer Behauptung umgangen werden.

Die unbestimmten Rechtsbegriffe ermöglichten es, nahezu jede kritische Äußerung zu ahnden. Die Zuständigkeit von Sondergerichten reduzierte die Schutzrechte des Beschuldigten: Eine gerichtliche Voruntersuchung und Haftprüfung unterblieb, die Ladungsfrist betrug nur drei Tage und ein Urteil wurde sofort rechtskräftig.

Durch die Konstruktion einer „Ersatzöffentlichkeit“ konnte Kritik nur noch innerhalb intakter Familien geäußert werden, denn „bei zerrütteter Ehe muss der Täter (...) damit rechnen, dass seine Ehefrau die Äußerung nicht für sich bewahrt.“ [6]

Auswirkung

Auch wenn nur ein bestimmter Teil der Bevölkerung durch Denunziation mitwirkte[7], wurde die erwünschte abschreckende Wirkung und Sicherung des Herrschaftssystems erreicht. Nach einer erhaltenen Gesamtstatistik für das Jahr 1937 wurden binnen zwölf Monaten 17.168 Personen aufgrund ihrer Äußerungen angezeigt, über 7.000 angeklagt und etwa 3.500 verurteilt.[8]

Übergroße Härte war nicht erforderlich, um die Kritiker zum Schweigen zu bringen. Der Mehrzahl der Angezeigten blieb daher ein förmliches Strafverfahren erspart. Sie kamen mit Warnungen oder „Rede -und Aufenthaltsverbot“ davon, die in einigen Fällen aber erst nach bis zu 21 Tagen Schutzhaft bei der Gestapo ausgesprochen wurden.[9] Auch Beschuldigte, die wegen eines deftigen politischen Witzes denunziert worden waren, blieben als Ersttäter meist von förmlichen Haftstrafen verschont.[10]

In der Vorkriegszeit griff man häufig auf den § 360 StGB zurück und sanktionierte Äußerungen nur als „grob ungebührliches Benehmen“ mit Geldstrafen oder geringer Haftstrafe.[11] Später wurden manche Verfahren auf Anweisung aus dem Justizministerium oder der Parteikanzlei niedergeschlagen, weil Äußerungen über Euthanasie, Judenverfolgung oder Stalingrad nicht erörtert werden sollten. [12] Bei Kriegsbeginn bezeichneten einzelne Richter die Verhängung von Haftstrafen nach dem Heimtückegesetz als ungeeignetes Mittel: Eine Haftstrafe könne „möglicherweise ein ‚Ansporn’ sein, sich durch Meckereien dem Heeresdienst zu entziehen.“[13]

Urteilssprüche mit Todesstrafe, die gemäß § 3 Absatz 2 des Heimtückegesetzes möglich waren, sind in den lückenhaft überlieferten Akten der Sondergerichte nicht enthalten. Polnische Sondergerichte verhängten einige Todesurteile, indem sie eine Verbindung mit der Volksschädlingsverordnung herstellten. Ab 1943 wurden viele kritische Meinungsäußerungen nicht mehr nach dem Heimtückegesetz verfolgt, sondern öfter vom Volksgerichtshof als Wehrkraftzersetzung ausgelegt und mit der Todesstrafe geahndet.[14]

Bewertungen

Nicht nur Gegner, auch Nationalsozialisten und Mitläufer wurden zur Vorsicht bei kritischen Äußerungen veranlasst. Furcht vor der Gestapo, vor Untersuchungs- und Strafhaft und Existenzverlust waren allgegenwärtig.

Nach Dörner war das Heimtückegesetz „ein notwendiger, nicht wegzudenkender Bestandteil der nationalsozialistischern Diktatur.“[15] Wüllenweber[16] bezeichnet das beliebig dehn- und beugbare Gesetz als Gesinnungsterror.

Nach dem Krieg

Das „Heimtückegesetz“ wurde durch das Gesetz Nr. 1 des Alliierten Kontrollrates vom 20. September 1945 aufgehoben.

Denunzianten und Gestapobeamte, die Vernehmungen vorgenommen und die Strafverfolgung eingeleitet hatten, wurden in den ersten Nachkriegsjahren oftmals zur Rechenschaft gezogen. Die Mehrzahl der Richter und Staatsanwälte kam straffrei davon.[17] Den Opfern des Heimtückegesetzes blieb eine Haftentschädigung meist verwehrt, weil sie nicht nachweisen konnten, dass ihre Äußerung eine „wirklich fundierte eindeutige politische Haltung“ und Überzeugung offenbare.[18]

Fußnoten

  1. RGBl 1934, I S. 1269f
  2. RGBl 1933, I S.135f
  3. Bernward Dörner: „Heimtücke:“ Das Gesetz als Waffe. Paderborn 1998, ISBN 3-506-77509-X , S. 18
  4. Bernward Dörner: „Heimtücke“, S. 67
  5. Bernward Dörner: „Heimtücke“, S. 21
  6. Bernward Dörner: „Heimtücke“, S. 31
  7. Thomas Mang: „gestapo-leitstelle Wien, mein Name ist Huber“. LIT-Verlag, Berlin-Hamburg-Münster 2004, ISBN 3-825-87258-0, S.49.
  8. Bernward Dörner: „Heimtücke“, S. 9/10, weitere Angaben S.324
  9. Bernward Dörner: „Heimtücke“, S. 275
  10. Meike Wöhlert: Der politische Witz in der NS-Zeit am Beispiel ausgesuchter SD-Berichte und Gestapo-Akten. Frankfurt/M 1997, ISBN 3-631-30779-9, S.96
  11. Gunther Schmitz: Wider die „Miesmacher“, „Nörgler“ und „Kritikaster“. In: „Justizbehörde Hamburg (Hrsg.): „Für Führer, Volk und Vaterland...“ Hamburg 1992, S. 294
  12. Bernward Dörner: „Heimtücke“, S. 151 u.a.
  13. Meldungen aus dem Reich hrsg. von Heinz Boberach, Bd. 2, Herrsching 1984, ISBN 3-88199-158-1, S. 912/913 (15. März 1940)
  14. Ein Beispiel bei Dietrich Güstrow: Tödlicher Alltag. dtv 10308, München 1984, ISBN 3-423-10303-5, S.116
  15. Bernward Dörner: „Heimtücke“, S.313
  16. Hans Wüllenweber: Sondergerichte im Dritten Reich. Frankfurt/M 1990, ISBN 3-630-61909-6, S. 34
  17. Bernward Dörner: „Heimtücke“, S. 327
  18. Zitat aus einem Urteil von 1950 / Bernward Dörner: Heimtücke, 343.

Literatur

  • Bernward Dörner: „Heimtücke“: Das Gesetz als Waffe. Paderborn 1998, ISBN 3-506-77509-X
  • Gunther Schmitz: Wider die „Miesmacher“, „Nörgler“ und „Kritikaster“. In: „Justizbehörde Hamburg (Hrsg.): „Für Führer, Volk und Vaterland...“ Hamburg 1992, ISBN 3-87916-016-3

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