- Gewerkschaft der Lokführer
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Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer
Verbände: 7 Bezirke Mitglieder: etwa 34.000 (Stand: Juli 2007)[1] Bundesvorstand Vorsitzender: Claus Weselsky Stv. Vorsitzender: Norbert Quitter Stv. Vorsitzender: Sven Grünwoldt Internet Internetpräsenz: www.gdl.de Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ist eine Gewerkschaft im dbb beamtenbund und tarifunion mit Sitz in Frankfurt am Main.
Sie ist Tarifpartner der Deutschen Bahn und einiger privater Eisenbahnverkehrsunternehmen.[2] Seit ihrer Gründung im Jahr 1867 vertrat die GDL ausschließlich Lokführer. 2002 öffnete sie sich für das gesamte Fahrpersonal.
Inhaltsverzeichnis
Mitglieder
Ende Mai 2007 waren von 19.611 Triebfahrzeugführern der Deutschen Bahn 15.500 (79 Prozent) in der GDL organisiert, von 11.844 Mitarbeitern im Zugbegleitdienst der DB 3.900 (33 Prozent). Insgesamt 62 Prozent des Zugpersonals (19.450 von 31.455 Mitarbeitern) waren Mitte 2007 in der GDL organisiert.[2] Die Mehrzahl der Lokrangierführer sind hingegen in der Transnet organisiert.[3]
Die GDL organisiert nach dem erfolgreichen Streik bei der Deutschen Bahn AG auch zunehmend U-Bahn-, Straßenbahn- und Busfahrer. In Berlin, München, Nürnberg und Saarbrücken wurden bereits Ortsgruppen im Nah-/Stadtverkehr gegründet, bzw. sind in Gründung. Allein in der am 28. März 2008 gegründeten GDL-Ortsgruppe für Mitarbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe waren vor Gründung bereits rund 500 Mitarbeiter organisiert[4].
Organisation
Höchstes Organ der GDL ist eine Generalversammlung, welche in der Regel alle vier Jahre stattfindet. Als ausführendes Organ steht dieser, neben einem 20 Mitglieder umfassenden Hauptvorstand, ein geschäftsführender Vorstand vor. Den Bundesvorsitz hat Claus Weselsky inne, die beiden Stellvertreterpositionen Norbert Quitter und Sven Grünwoldt.
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer hat als Untergliederung sieben Bezirke: Bayern, Berlin-Sachsen-Brandenburg (BSB), Nordrhein-Westfalen, Frankfurt am Main (Hessen), Mitteldeutschland (Sachsen-Anhalt und Thüringen), Nord (Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern sowie die Hansestädte Hamburg und Bremen) und Südwest (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland). Unter der Ebene der Bezirke bestehen ca. 200 Ortsgruppen[2] mit etwa 34.000 Mitgliedern.
Seit 1958 besteht die Jugendorganisation GDL-Jugend. Sie vertritt die gewerkschaftspolitischen Interessen der GDL-Mitglieder bis zum 27. Lebensjahr in der Gewerkschaft. Die Gewerkschaft gibt eine Mitgliederzeitschrift namens VORAUS mit zehn Ausgaben pro Jahr heraus (ISSN 1438-0099).
In der Frankfurter Zentrale arbeiten 38[5], in den sieben regionalen Geschäftsstellen 20 weitere Vollzeitbeschäftigte.[1]
Geschichte
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer wurde 1867 als Verein Deutscher Lokomotivführer (VDL) gegründet und betrachtet sich damit als älteste deutsche Gewerkschaft.[6] Zu den frühen Leistungen gehörten eine Unfallkasse, eine Rechtsschutzversicherung und die Unterstützung notleitender Lokführerfamilien.[7]
Die GDL wurde 1933 zunächst von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet und 1937 verboten.[7] Erste Ortsverbände der GDL wurden 1946 wiedergegründet. 1949 fand die erste Generalversammlung nach dem Zweiten Weltkrieg statt; dabei wurde auch der Beitritt zum Deutschen Beamtenbund beschlossen. Am 24. Januar 1990 um 12:02 Uhr wurde die GDL-Ost im Bahnbetriebswerk Halle P[8] als erste freie Gewerkschaft in der DDR wiedergegründet. Am 29. Januar 1991 schlossen sich GDL West und Ost in Kassel[7] zu einer gesamtdeutschen Gewerkschaft zusammen.[2] Die erste Generalversammlung der GDL-Ost, auf der auch eine Satzung beschlossen wurde, fand am 3. und 4. Juli 1990 in Halle statt.[9] Anfang Juli 1990 organisierte die GDL-Ost Warnstreiks, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, im Rahmen der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion die Löhne der Reichsbahn-Lokomotivführer im Verhältnis 1:1 (statt, wie geplant, 2:1) umzurechnen. Im November gleichen Jahres folgten Tarifgespräche, in denen unter anderem die 40-Stunden-Woche vereinbart wurde.[10] Nach eigenen Angaben organisierte die GDL im Jahr 1990 binnen neun Monaten etwa neunzig Prozent (rund 15.000) der Lokomotivführer in den Neuen Bundesländern.[11] Bis Ende der 1980er waren etwa 98 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder Beamte, die nicht streiken durften[12].
Mit dem Verweis auf unvereinbare tarifpolitische Ziele löste sich die GDL im Juli 2002 aus der Tarifgemeinschaft der Deutschen Bahn, die sie bis dahin mit der gleichfalls zum dbb beamtenbund und tarifunion gehörenden GDBA sowie der DGB-Gewerkschaft Transnet bildete.[13] Im November 2002 scheiterte ein Ergänzungstarifvertrag, der u. a. bis zu 18 zusätzliche unbezahlte Schichten pro Jahr bei DB Regio vorsah, am Widerstand der GDL. In kurzer Zeit traten daraufhin nach GDL-Angaben rund 3.000 Mitarbeiter des Zugbegleitdienstes in die GDL ein.[14]
Im Februar 2003 legte die GDL erstmals einen Vorschlag für einen Spartentarifvertrag für das Zugpersonal vor.[2] Verhandlungen zwischen März und Mai 2003 zwischen DB AG und der Gewerkschaft scheiterten; am 6. März 2003 kam es zu einem Warnstreik. Ein Schlichtungsverfahren bleibt ohne Ergebnis, ein Gerichtsurteil bescheinigt der GDL, für einen eigenen Tarifvertrag streiken zu dürfen. Im Mai 2003 wurde eine Regelungsabrede zwischen DB und GDL vereinbart; diese legt eine Tarifführerschaft der GDL fest: Belange der Lokführer dürfen nicht über die GDL hinweg entschieden werden.[15] Im Februar 2005 scheitern Verhandlungen über einen Flächentarifvertrag; nach Angaben der GDL kommt es, neben einem Kündigungsschutz und Fragen der Arbeitszeit, zu keiner signifikanten Einkommensverbesserung des Fahrpersonals. Im August 2005 werden Verhandlungen zwischen DB und GDL über Langzeitarbeitskonten und einen Sozialsicherungstarifvertrag aufgenommen. Die Verhandlungen scheiterten, nachdem keine Einigung über die Verwendung der Mittel erreicht werden konnte. Im Anschluss legte die GDL einen Qualifizierungstarifvertrag vor, über den seither keine Verhandlungen mehr erfolgten.[2]
Tarifstreit und Streiks 2007/2008
Im Mai 2006 beschloss die Generalversammlung der GDL die Forderung nach einem eigenständigen Fahrpersonaltarifvertrag (insbesondere Lokführer, Zugbegleiter und Mitarbeiter der Bordgastronomie).[2] Diesen stellte sie im Frühjahr 2007 als Modell vor. Er sah bessere Arbeitsbedingungen und eine Erhöhung des Grundentgeltes um bis zu 40 Prozent vor, wobei einige Zulagen der heutigen Entgeltsystematik in das Grundentgelt integriert werden sollten. Die Deutsche Bahn war bisher nicht bereit, über einen solchen Spartentarifvertrag zu verhandeln.
Vor diesem Hintergrund erfolgten am 3. und 10. Juli 2007 flächendeckende Warnstreiks des in der GDL organisierten Fahrpersonals. Es waren die ersten flächendeckenden Lokführerstreiks in der Geschichte der Deutschen Bahn AG.[16] Ende Juli wurde die Urabstimmung eingeleitet. Am 6. August gab die GDL das Ergebnis bekannt, wonach eine Mehrheit von 95,8 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für einen Streik stimmte.[17] Die GDL kündigte daraufhin für den 9. August 2007 erste bundesweite Streikaktionen an. Diese versuchte die Deutsche Bahn zunächst per Einstweiliger Verfügung durch das Arbeitsgericht Nürnberg zu verbieten, diese galt bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens in Chemnitz, längstens bis zum 30. September 2007.[18][19] Am 9. August einigten sich Deutsche Bahn und GDL auf zwei Schlichter: Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler.[20]
Nach gescheiterten Verhandlungen rief die Gewerkschaft zu einem dreistündigen Streik am 5. Oktober[21], zu einem ganztägigen Streik am 12. Oktober[22], zu einem mehrstündigen Streik am 18. Oktober und zu einem je 30-stündigen Streik am 25. und 26. Oktober 2007 auf. Diese Streiks beschränkten sich auf den Nah- und Regionalverkehr.
Am 2. November 2007 hob das Landesarbeitsgericht Chemnitz das Streikverbot im Fern- und Güterverkehr auf.[23] [24] Daraufhin führte die GDL einen 42-stündigen Streik im Güterverkehr vom 8. bis 10. November 2007 durch. Nachdem die Bahn bis in den späten Abend des 13. November kein neues Angebot vorgelegt hatte, kündigte die GDL einen Streik im Güter- und Personenverkehr an. Vom 14. November, 12 Uhr (Güterverkehr) bzw. vom 15. November (Personenverkehr) bis zum 17. November, 2 Uhr fand der bisher längste Streik mit den größten Auswirkungen statt.[25]
Die GDL einigt sich mit der Deutschen Bahn am 13. Januar 2008 auf die Eckpunkte eines neuen, eigenständigen Tarifvertrages[26]. Dieser sieht eine durchschnittliche Tariferhöhung um 11 Prozent sowie eine Einmalzahlung von 800 Euro vor. Gleichzeitig soll die Wochenarbeitszeit bei gleichem Entgelt von 41 auf 40 Wochenstunden sinken. Ein weiterer Streik wurde nach dieser Einigung von der GDL nahezu ausgeschlossen. Die endgültige Ausformulierung des Tarifvertrages sollte bis zum 31. Januar 2008 erfolgen.
Am 4. März 2008 spitzte sich der Konflikt wieder zu, weil die Deutsche Bahn den erfolgreichen Abschluss der Tarifverhandlungen von einer gleichzeitigen Einigung zu einem neuen Grundlagentarifvertrag abhängig machte. Deshalb brach die GDL die Tarifverhandlungen zunächst ab und kündigte unbefristete Streiks an.[27] Durch die Wiederaufnahme von Gesprächen zwischen der Deutschen Bahn und der GDL konnte dieser Streik aber angewendet werden. Die GDL sowie die beiden Bahngewerkschaften Transnet und GDBA erklärten, Tarifverträge der jeweils anderen Seite anzuerkennen.[28]
Im April 2008 einigten sich die Beteiligten. In einer Urabstimmung stimmten 85,5 Prozent der Mitglieder dem Tarifvertrag zu. Der neue Vertrag gilt für alle Triebfahrzeugführer, mit Ausnahme von Rangierlokführern, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht mehrheitlich in der GDL organisiert waren.[29] Damit ging der längste Tarifkonflikt in der Geschichte der Deutschen Bahn zu Ende.
Nach Angaben der Transnet wechselten im Rahmen der Tarifauseinandersetzung bis Mitte August 2007 nahezu 1.000 Gewerkschaftsmitglieder zur GDL.[30] Ferner traten allein in Berlin rund 700 Mitglieder, zumeist Bus- und Straßenbahnfahrer von VER.DI zur GDL über, nachdem diese einen niedrigen Tarifvertrag ausgehandelt hatte. Ähnliche Effekte wurden auch in Nürnberg und München beobachtet.[31]
Mitgliedschaften
Die GDL ist Mitglied in folgenden Organisationen: Europäische Union der unabhängigen Gewerkschaften, deutscher beamtenbund und tarifunion, Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland, Allianz pro Schiene.
Fußnoten
- ↑ a b Ein Mann will nicht bremsen. In: Die Zeit vom 12. Juli 2007
- ↑ a b c d e f g Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer: Der Fahrpersonaltarifvertrag: Zahlen, Fakten, Hintergründe
- ↑ "Es gibt keine Sieger und keine Besiegten". In: Die Welt, 14. Januar 2008
- ↑ Kernchen: GDL erlebt Boom bei BVG-Mitarbeitern. In: Berlin Online, 27. März 2008, abgerufen am 28. März 2008
- ↑ Schell (2009), S. 185
- ↑ Spiegel-Notiz
- ↑ a b c Schell (2009), S. 65 f.
- ↑ Manfred Schell: Die Lok zieht die Bahn. Rotbuch-Verlag, Berlin 2009. ISBN 978-3-86789-059-5, S. 95 f.
- ↑ Schell (2009), S. 102
- ↑ Schell (2009), S. 104 f.
- ↑ Poltergeist Schell verlässt den Führerstand. In: Die Welt, 6. Mai 2008
- ↑ Der uneitle Eitle. In: Süddeutsche Zeitung, 4. Mai 2008
- ↑ Deutschlands oberster Lokführer, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. Juli 2007
- ↑ Schell (2009), S. 154, 159
- ↑ Das Ringen der Lokführer um einen eigenen Tarifvertrag. In: Fränkischer Tag vom 5. Juli 2007
- ↑ Die Räder stehen still. In: die tageszeitung vom 3. Juli 2007
- ↑ www.reuters.com: Lokführergewerkschaft stimmt für Streik bei der Bahn vom 6. August 2007
- ↑ Arbeitsgericht verbiete Bahnstreiks. Tagesschau.de vom 8. August 2007
- ↑ Einstweilige Verfügung des LAG Nürnberg
- ↑ www.ad-hoc-news.de
- ↑ Netzeitung: Arbeitskampf bei der Bahn: Lokführer streiken für drei Stunden
- ↑ http://www.netzeitung.de/wirtschaft/unternehmen/777693.html
- ↑ Presseerklärung des Landesarbeitsgerichtes Sachsen
- ↑ Allgemeinverständliche Zusammenfassung der strittigen Punkte
- ↑ Streik im Güter- und Personenverkehr. Mitteilung auf der Homepage der GDL
- ↑ Grünes Licht zur Verhinderung von Arbeitskämpfen auf www.gdl.de
- ↑ Keine Gnade für Berlin - GDL will flächendeckend streiken. Spiegel Online, 7. März 2008.
- ↑ Streit beigelegt, Streiks abgesagt. Tagesschau, 9. März 2008.
- ↑ Schell (2009), S. 189
- ↑ Transnet droht mit Aufsplittern des Bahn-Tarifwerks. In: net tribune vom 20. August 2007
- ↑ Schell (2009), S. 186
Weblinks
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