Großtorpedoboot

Großtorpedoboot

Die Großtorpedoboote der Kaiserlichen Marine, auch als Große Torpedoboote oder Hochsee-Torpedoboote bezeichnet, waren das Äquivalent zu den Torpedobootszerstörern ausländischer Marinen ähnlicher Größenordnung. Primär sollten, wie der Name beweist und im Gegensatz zu den Zerstörern, diese Fahrzeuge als offensiver und hochseeverwendungsfähiger Torpedoträger dienen, der Artilleriebewaffnung kam dabei nur eine Defensivrolle zu.

Die Boote wurden mit einem die Bauwerft bezeichnenden Kennbuchstaben und einer durchlaufenden Nummer bezeichnet. Dabei stand V für die Vulcan-Werft in Stettin und später auch in Hamburg, S für die Schichau-Werft in Elbing und Danzig, B für Blohm & Voß in Hamburg, G für die Germaniawerft in Kiel, H für die Howaldtswerke in Kiel und Ww für die Kaiserliche Werft Wilhelmshaven.

Nach dem 1911 von Stapel gelaufenen Boot G 197 begann die Nummerierung mit V 1 wieder von vorn. 1917 wurden der Kennbuchstabe aller Boote bis G 197 unabhängig von der Bauwerft auf "T" geändert.

Die Baupolitik des Reichsmarineamtes (RMA) setzte den ausführenden Werften nur grobe Richtlinien über die Dimensionierung des Schiffskörpers. Die Vorgaben bezüglich Bewaffnung, Antriebsanlage (insbesondere die Kesselanlage), Marschbereich und Besatzungsstärke waren dagegen strikt einzuhalten. Aufgrund dieses Prozederes und der stetigen Detailverbesserung kann bei den deutschen Torpedobooten auch nicht von Schiffsklassen im eigentlichen Sinn gesprochen werden, sondern nur von Schiffsserien der einzelnen Werften. Um trotzdem einen gewissen Überblick zu behalten, werden die Boote grob in Klassen, beginnend ab einem bestimmten Baujahr, eingeordnet.

Inhaltsverzeichnis

Kleine Torpedoboote

  • S 7 bis S 41 (T 7 bis T 41)
  • S 42 bis S 65 (T 42 bis T 65)
  • S 66 bis G89 (T 66 bis T 89)

Große Torpedoboote

S 90 bis G 136 (T 90 bis T 136)

Die Boote dieser Serien liefen zwischen 1898 und 1906 vom Stapel. Größenmäßig schlossen sie an die zuvor gebauten Divisionsboote der Serie SMS D 7 und D 8 an. Gegenüber der letzten Serie der kleinen Boote wurde das Deplacement mehr als verdoppelt und die Geschwindigkeit auf 27 kn gebracht. Zugleich stiegen die Seefähigkeit, das heißt das Fahren bei schwerem Seegang, und die Seeausdauer. Diese Klassen hatten eine etwas schwächere Geschützbewaffnung als gleichaltrige britische Torpedobootszerstörer, trugen jedoch ein Torpedorohr mehr. Größenmäßig waren sie den gleichaltrigen französischen Torpedobootszerstören überlegen.

Technische Daten

Allgemein

  • Länge: 61 m bis 64 m
  • Breite: 7 m
  • Tiefgang: 2,3 m
  • Verdrängung: 400 bis 572 Tonnen
  • Antrieb: Dreifach-Expansionsmaschinen (S 125 Parsons-Turbinen), 2 Schrauben, 6500 WPS, 26 bis 27 kn
  • Reichweite: 1400 Seemeilen bei 15 kn; G 132 – G 136: 2000 Seemeilen bei 12 kn.
  • Besatzung: ca. 60

Bewaffnung

  • Artillerie: 3 x 5 cm L/50; G 132 – G 136: 4 x 5,2 cm L/55; G 135: 1 x 8,8 cm L/35; 2 x 5,2 cm L/55
  • Torpedorohre: 3 x 45 cm (3 x 1)

Verbleib

  • S 90 am 17. Oktober 1914 nach der Versenkung des japanischen Kreuzers Takachiho bei Tsingtau selbstversenkt.[1]
  • S 100 am 15. Oktober 1915 durch Kollision gesunken
  • S 115 bis S 119 am 17. Oktober 1914 im Gefecht mit britischen Seestreitkräften gesunken
  • S 116 am 6. Oktober 1914 durch britisches U-Boot HMS E9 versenkt
  • S 122 und S 123 am 5. Oktober 1918 bzw. 1. Mai 1916 durch Minentreffer gesunken
  • S 124 am 23. November 1914 durch Kollision gesunken
  • S 129 am 4. November 1915 nach Grundberührung gesunken

Die Boote, die nicht während des Ersten Weltkriegs verlorengingen, verblieben nach Kriegsende zum Abwracken oder zur zivilen Verwendung in Deutschland.

G 137 bis S 149 (T 137 bis T 149)

Die Boote liefen 1906 bis 1907 von Stapel. Diese Klassen waren die Einzigen mit einer gemischtkalibrigen Geschützbewaffnung.

Technische Daten

Allgemein

  • Länge: 70,4 m; G 137: 63,1 m
  • Breite: 7,8 m
  • Tiefgang: 3,1 m; G 137: 2,7 m
  • Verdrängung: 530 Tonnen; G 137: 572 Tonnen
  • Antrieb: Dreifach-Expansionsmaschinen, 2 Schrauben, 10000 PS, 30 kn; G 137: Parsons-Turbinen, 10800 PS, 34 Knoten
  • Besatzung: ca. 80

Bewaffnung

Verbleib

T 139, T 141, T 143, T 144, T 146, T 148, T 149 wurden in die Reichsmarine übernommen, die übrigen verblieben nach Kriegsende zum Abwracken oder zur zivilen Verwendung in Deutschland. T 139 wurde 1938 unter dem Namen Pfeil zum "Schnellschlepper" umgebaut.

S 138 bis G 197 (T 138 bis T 197)

Die Klasse 1906 der Großtorpedoboote wurde aufgrund der geringen Reichweite und der mäßigen Erfolge der 5-cm-Geschütze auf der Klasse 1898 eingeführt. Mit 59 gebauten Exemplaren ist es die zweithäufigst gebaute Klasse von Großtorpedobooten der kaiserlichen Marine. Sie waren etwas größer als ihre Vorgänger. Die Einsatzgebiete sind weitgehend gleich geblieben. Die meisten überlebten den 1. Weltkrieg, da sie kaum eingesetzt wurden. Der Hauptgrund war, dass obwohl sie für den Hochseeeinsatz konzipiert waren, bei sehr hohen Wellen und hohen Geschwindigkeiten dazu neigten zu kentern. Einige waren, obwohl sie völlig überaltert waren, noch bis in die 1950er Jahre hinein modernisiert in der sowjetischen Flotte im Dienst.

Technische Daten

Allgemein

  • Länge: 74 m (über alles) 73,5 m (Wasserlinie)
  • Breite: 8 m
  • Tiefgang: ca. 3 m
  • Verdrängung: 684 bis 875 Tonnen
  • Antrieb: 2 Dampfkessel, 2 Dampfmaschinen, 2 Schrauben, 11000 bis 19000 WPS, 30 bis 34 kn
  • Reichweite: 900 bis 1300 sm bei 17 kn, ca. 400 sm bei 30 kn
  • Besatzung: 80 bis 85

Bewaffnung

  • Artillerie: 2 x 8,8 cm L/35; 3 x 10,5 cm L/35
  • Torpedo-Rohre: 3 Ø 45 cm (3 x 1)

Siehe

V 1 bis S 24

Da die letzten Boote größenmäßig die 800-ts-Grenze erreichten, war man seitens der Torpedo-Inspektion der Meinung, zukünftig einen kleineren und damit auch preiswerteren Typ zu bauen. Der neue Chef der T.-I., Vizeadmiral von Lans setzte gegen den breiten Widerstand verschiedener Institutionen eine Verkleinerung der Boote durch. Natürlich litt darunter die Seefähigkeit, so dass die Boote gemeinhin als Fehlkonstruktion erachtet wurden und folgerichtig den Namen Lans-Krüppel erhielten. Neu war hingegen die erstmals ausschließliche Verwendung von Ölkesseln.

V 25 bis G 95

Der Entwurf für die Flottille 1913 der Großtorpedoboote war der Größte dieser Serien, es wurden mit 70 Stück auch die meisten Boote dieses Typs gebaut. Die Dimensionen waren grundlegend größer, und die Verdrängung überschritt erstmals die 1000-Tonnen-Marke. Diese Boote stellten die Masse der aktiven deutschen Torpedobootsflottillen. Unglücklicherweise kam die Führung zu dem Schluss, das man nicht so sehr in Richtung des Typs des Zerstörer gehen sollte. So wurde die artilleristische Komponente zwar auf drei 8,8 cm TK/L45 verstärkt, war aber immer noch schwächer (in Kaliber und Zahl) als die gleichwertiger ausländischer Entwürfe. Stattdessen baute man nun statt 3 Einzel-50-cm-Torpedorohren drei Zwillingssätze ein. In der Praxis bedeutete dies das weiterbestehen der uneingeschränkten Torpedoboots-Doktrin – die Vielseitigkeit des Typs wurde verkannt. Lediglich die Reichweite und die Geschwindigkeit der Torpedos des neuen Typs G 07 wurden verbessert. In der Skagerrakschlacht zeigte sich, dass diese Klasse den britischen Zerstörern artilleristisch unterlegen war. Sukzessive wurden die noch vorhandenen Boote ab Sommer 1916 mit der Torpedobootskanone 1916, 10,5 cm Utof /L 45, ausgerüstet. Dieser Typ wurde in zwei verschiedenen Ausführungen gebaut: Die 1913er Flottille (V 25 bis S 36) noch nach dem Ursprungsentwurf. Die folgenden 12 Boote der 1914er Flottille (G 37 bis V48) sowie die 48 des Mobilmachungsauftrags (S 49 – S 66, V 67 – V84 und G 85 – G 96) vom 6. August 1914 wurden – je nach Baufortschritt – nach einem leicht modifizierten Typ (um 3 Meter verlängert durch den Einbau von Marschturbinen und zusätzlicher Ölbunker) gebaut.

Technische Daten

Allgemein

  • Länge: 79 bis 85 m (über alles); 78 bis 84 m (Wasserlinie)
  • Breite: 8,3 m
  • Tiefgang: 3,4 bis 3,96 m
  • Verdrängung: 975 bis 1188 Tonnen
  • Antrieb: 2 Dampfkessel, 2 Dampfmaschinen, 2 Schrauben, 23500 bis 26000 WPS, 33 – 36 kn
  • Reichweite: 1300 bis 1900 sm bei 20 kn
  • Besatzung: 83 bis 87 Mann

Bewaffnung

G 96, V 125 bis H 169

Dieser Entwurf war die geringfügig abgewandelte Version des modifizierte MS-Typ (Mobilmachungstyp) 1913. Zum Erzielen einer größeren Seefähigkeit wurde die Brücke etwas nach hinten zum ersten Schornstein versetzt und die Back (unter Fortfall der Kuhl bzw. des Versauflochs) verlängert. Das Boot G 96, welches ursprünglich am 6. August 1914 mit den Booten S 49 bis G 95 geordert worden war, wurde aufgrund der Bauverzögerung schon nach diesem abgeänderten Entwurf gebaut. Im Herbst 1916 bestellte das RMA, unter dem Eindruck das die 12 sehr großen und aufwändigen Boote der Serie S 113 bis B 124 zahlenmäßig nicht genügen würden, 14 Boote (V 125 bis H 147) des kleineren und schneller zu bauenden MS-Typs als Ersatz für eingetretene Kriegsverluste und Sommer 1917 weitere 22 Boote (G 148 bis H 169).

Torpedoboot-Zerstörer

Die Boote B 97, 98, 109 – 112 und die Boote G 101 – 104 bildeten einen gemeinsamen Verband, die II. Torpedobootsflottille, bestehend aus der 3. und 4. Torpedobootshalbflottille.

B 97 – B 98, V 99 – V 100 und B 109 – B 112

17. Aug. 1915: Der Torpedoboot-Zerstörer V99 sinkt nach einem Minentreffer.

Torpedoboot-Zerstörer im amtlichen Sinne hat es in der Kaiserlichen Marine nie gegeben. Diese Schiffe wurden generell als Große Torpedoboote bezeichnet. Inoffiziell wurden sie aufgrund ihrer Kampfkraft als Zerstörer bezeichnet. Diese Boote entsprachen eigentlich nicht der deutschen Torpedobootsdoktrin und schienen den verantwortlichen Stellen insgesamt zu groß. Nur durch die sehr kurze Lieferzeit nach Kriegsausbruch sind sie überhaupt geordert worden. Der Torpedoboot-Zerstörer war eine verbesserte Version des Nowik-Typs den die Blohm & Voss-Werft und die A.G. Vulcan für die russische Marine bauten bzw. Teile dafür zulieferten.

Auf deutscher Seite favorisierte man letztlich bis 1918 das Torpedoboot bzw. die daraus abgeleiteten Großen Torpedoboote als Offensivwaffe und ordnete der Torpedobootsdoktrin alle weiteren Faktoren unter. Das heißt, der artilleristischen Komponente kam nur ein Defensivwert zu. Erst mit dem letzten Entwurf, dem MS-Typ 1918, gestand man im Reichsmarineamt insgeheim die bisherige Fehlentwicklung ein. Diese Boote orientierten sich an der Serie B 97/V 99 und nutzten die Mehrzweckeigenschaften (Artilleriekampf, Torpedoangriff, Minenlegen, Geleitschutz, Minensuchen) der großen Boote. Den britischen Zerstörern waren die Boote dieser Klasse mindestens ebenbürtig und nach der Umarmierung auf 10,5-cm-Geschütze glichen sie den britischen Flottillenführen in Größe und Kampfkraft.

Der größte Nachteil war die unzureichend gepanzerte Brücke. Viele Offiziere hielten sich deshalb unter der Brücke an Deck auf. Diese Boote waren ebenfalls mit zwei Zwillings-Torpedorohrsätzen achtern und zwei Einzeltorpedorohren hinter der Back ausgerüstet. Zwar waren von Anfang an 10,5-cm-Torpedobootskanonen vorgesehen. Diese waren aber 1915 nicht verfügbar, so dass man zunächst wieder die üblichen 8,8-cm-Geschütze einbaute und die Boote erst Anfang 1916 endgültig umrüstete. Obwohl dieses Schiff technisch ein Zerstörer war, wurde es von der Hochseeflotte noch als Großes Torpedoboot bezeichnet.

Technische Daten

Allgemein

  • Länge: 99 m (über alles); 97 m (Wasserlinie)
  • Breite: 9, 3 m
  • Tiefgang: 4 m
  • Verdrängung: 1843 Tonnen
  • Antrieb: 2 Hochdruckkessel, 2 Satz Dampfturbinen, 2 Schrauben, 36700-42100 WPS, 35-38 kn
  • Reichweite: 2500 sm bei 20 kn
  • Besatzung: 115 Mann

Bewaffnung

G 101 bis G 104

S 113 bis B 124

Siehe auch

Literatur

  • Hans Mehl: Torpedoboote und Zerstörer. Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1983.
  • Franz F. Bilzer: Die Torpedoboote der k.u.k. Kriegsmarine 1875-1918. 2. Auflage. Weishaupt, Gnas (Steiermark) 1996, ISBN 3-900310-16-5.

Einzelnachweise

  1. Blew Up Victorious Vessel – Germans Wrecked Destroyer S-90 When Pursued by Japanese. In: The New York Times. 25. Oktober 1914. S. 11.

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