Grändel

Grändel
Grendeltor und Schwirren von Nordosten her betrachtet. Rechts im Hintergrund das Ravelin «Kratz», im Vordergrund die Schifflände. Kolorierter Kupferstich von Hans Jakob Kull, um 1820.

Das Grendeltor oder umgangssprachlich «Der Grendel» bildete gegen den Zürichsee hin den Abschluss der spätmittelalterlichen Stadtbefestigung von Zürich. Der Grendel diente als Durchgang für den Schiffsverkehr zwischen Limmat und Zürichsee. Es war das einzige Zürcher Wassertor und stand am rechten Ufer in der Limmat, etwa beim nördlichen Ende des heutigen Bellevuehauses (Limmatquai 3) respektive beim Ausgangspunkt des Utoquais im im Quartier Rathaus (Kreis 1).

Inhaltsverzeichnis

Das Grendeltor als Teil der Stadtbefestigung

Hauptartikel: Stadtbefestigung (Zürich)
Die Stadtbefestigung auf dem Murerplan von 1576. Ganz rechts das Grendeltor mit den Schwirren.
Wellenberg und Grendeltor bei niedrigem Wasserstand. Schweizer Chronik von Christoph Silberysen, 1576.
Der obere Limmatraum auf dem Müllerplan von 1790. Rechts oben das Grendeltor mit den Schwirren, links davon die Schifflände.
Schifflände mit Grendeltor. Kolorierter Kupferstich von J. Meyer, um 1830.

Die Stadt Zürich schützte sich vermutlich bereits im Hochmittelalter zusätzlich durch Letzinen und Letzigräben, als den Stadtmauern vorgelagerte Verteidigungslinien, am linken und am rechten Limmatufer, am Zürichberg, Käferberg und Uetliberg sowie im Limmattal mit weiteren Vorwerken.

Beim Grendeltor verlief zur Seeseite hin ein hoher Zaun, der sogenannte «Gran»[1] über die Limmat zum gegenüberliegenden Ende der Stadtmauer. Eine doppelte Reihe von Palisaden schützte den Limmatabfluss auf Seeseite, die Schwirren.[2] Allgemein als «Schwirren» bezeichnet werden Seeuferbefestigungen in Ufernähe, die das Anlanden feindlicher Schiffe verhindern sollten – die bedeutendsten sind bei Arth, Brunnen und Stansstad. Sie sind von Letzinen abgeleitet, welche zumeist in Form von Hecken, Holzzäunen, Palisaden und später Steinmauern mit Gräben, topographische Besonderheiten nutzten.[3]

Grendeltor

Der Name Grendel (zuweilen auch «Grändel»[4] genannt) leitet sich ab von einem durch eine Kette gezogenen beweglichen, eisenbeschlagenen Sperrbalken, der den Schiffsverkehr durch die «Schwirren» sperrte.

Links neben dem Spitzbogen der Toröffnung war auf gelbem Grund, inmitten des Doppelschildes der Stadt Zürich, das Reichszeichen angebracht, ein schwarzer, zweiköpfiger Adler. Auf der Seeseite des Tores waren für den zur «Schifflände» am Limmatquai einfahrenden Schiffsverkehr die Öffnungszeiten des Tores und die Höhe des Wegzolls ersichtlich.[5] Mit dem rechten Flussufer war das Tor durch ein Mauerstück mit Wehrgang verbunden, eine Treppe führte zum Gebäude hoch.

Die Wohnung des Wächters (Gredenwart) befand sich im Fachwerkbau über dem Torbogen aus Quadern. Aus einem Raumprogramm von 1829 bekannt sind die Wächterstube mit Alkoven, Kammer, Vorplatz, Küche und Abort sowie eine Treppe zum Dachboden mit den Erkertürmchen. Diese dienten als Schlafkammern für den Grendelwart und die Besatzung des Turms, vermutlich auch für die Familie des Wächters. Darüber lag ein weiterer Boden. Zur Wohnung gehörten ausserdem ein kleiner Holzschopf und ein Keller ausserhalb der Mauer. 1829 war vom Wächter ein Zins von zehn Schilling an das Grossmünsterstift zu entrichten.

Grendelwart

Jeden Morgen um sechs Uhr liess der Grendelwart von seiner Wohnung aus den mit Stacheln bewehrten Sperrbalken, den sogenannten Grendel, der an einer langen Kette hing, durch die Strömung öffnen. Bei Torschluss am Abend kettete er diesen Balken wieder in die Durchfahrt.

Der Grendelwart überwachte tagsüber vom Turm hinab den Schiffsverkehr und war für die Erhebung des Wegzolls verantwortlich. Dazu liess er ein Kesselchen an einem Seil hinab, so dass die Einreisenden den Zoll darin deponieren konnten. Anschliessend wurde das Behältnis hinaufgezogen, und der Schiffsverkehr durfte das Grendeltor passieren.

Schifflände

Die Schifflände, nördlich des Grendeltors am rechten Limmatufer, war der mittelalterliche Landeplatz und Handelshafen für die See- und Limmatschifffahrt. Dort wurde Handelsware von den grossen Seeschiffen, die bis zu 60 Tonnen transportierten, auf Limmat-Weidlinge mit einer Tragfähigkeit von ungefähr 1,5 Tonnen umgeladen.[6] Die natürlichen Buchten am Seeabfluss zur Limmat hin wurden mit dem Ausbau der Stadt Zürich ab 1834 zugeschüttet und bilden die heutige Schifflände-Strasse zwischen Kirch- und Torgasse.

Geschichte

Als Baudatum wird eine Zeit um die Mitte des 15. Jahrhundert angenommen.[7] Dass die Erfahrungen aus dem «Seekrieg» während des Alten Zürichkriegs (1436/50) auf dem Zürichsee in den Bau des Grendeltors und seiner vorgelagerten Befestigung eingeflossen sind, gilt als wahrscheinlich.

In einer Belegungsliste aus der Zeit vor 1489 erscheinen zwei Büchsenschützen «uff der hutten», womit das Grendeltor gemeint sein dürfte. 1578 wurde die Grendelwache, «die wach zu den schwirren uff der hütten», Tag und Nacht garantiert. Mit Erweiterung der Stadtbefestigung wurde 1657 dem Grendeltor das fünfeckige Ravelin «Kratz» vorgelagert,[8] das heutige Bauschänzli.[9] 1661 wurden die Schwirren durch eine neue Palisadenreihe verstärkt, den äusseren Grendel. 1694 bis 1699 erfolgte der Ausbau des Grendels; seither war er auf der See- und auf der Stadtseite mit einem Zürcher Wappen versehen.[10] Eine zusätzliche und letzte Befestigung in Form eines sogenannten «Corps de Garde» erfolgte 1779/80.

Die Palisaden wurden 1834 abgebrochen, der Grendel 1836 – nicht zuletzt auf Druck der Landbevölkerung, die eine freie Einfahrt in die Stadt zum Stadtzürcher Markt forderten. Gleichzeitig wurde der überwiegende Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung abgetragen.

Verschiedenes

  • Aus drei Vorschlägen des Quartiervereins Zürich Altstadt wurde 1977 das Motiv «Grendeltor» von Ernst Siegrist als Quartierwappen für den Stadtkreis Altstadt (Kreis 1) gewählt.[11]
  • Im Pädagogischen Verlag des Lehrerinnen- und Lehrervereins Zürich ist ein Modellbogen des Grendeltores erschienen.[12]

Bildergalerie

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Wortherkunft von «Gran» im Zusammenhang mit der Zürcher Stadtbefestigung bedarf der Klärung. Im eigentlichen Sinn ist Gran, (von lat. granum: «Korn»,) eine alte Masseinheit der Masse, die auch heute noch für sehr kleine Gewichte und als (veraltete) Alternative zu den Gewichtseinheiten Milligramm und Karat in Gebrauch ist.
  2. Schwirrer ist auch ein vermutlich vorhistorisches Spielzeug aus Knochen, bei dem mit Hilfe eines verdrehten Fadens ein Ton erzeugt wird.
  3. Vortrag Die Letzinen in der Schweiz von Prof. Dr. Hans Jakob Streiff beim Historischen Verein des Kantons Glarus.
  4. «Grändel» hat verschiedene Bedeutungen: Im landwirtschaftlichen Gebrauch der hölzerne oder eiserne Träger eines Pfluges, es kann aber auch vom althochdeutschen Wort Grentil für ein Gatter oder einem Schlagbaum abgeleitet sein.
  5. Gang durch Alt-Züri: Grendel, abgerufen am 11. Mai 2008
  6. Geographisches Institut der Universität Bern. Verkehrspolitik von gestern, Verkehrsprobleme von heute? von Dominik Bucheli
  7. Thomas Germann: Zürich im Zeitraffer, abgerufen am 11. Mai 2008
  8. Website zum ehemaligen Kratzquartier mit Plänen, Abbildungen und weiteren Erläuterungen, abgerufen am 11. Mai 2008
  9. Neugestaltung Aussenraum Restaurant Bauschänzli, Zürich-Altstadt: Dokumentation zur Wiedereröffnung am 9. Mai 2006. Herausgegeben von der Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich, Mai 2006.
  10. Barraud/Jezler: Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, neue Ausgabe, Band 1, Basel 1999
  11. Heraldik Zürcher Dorfwappen, abgerufen am 11. Mai 2008
  12. Heinrich Pfenninger hat für den Pädagogischen Verlag des Lehrerinnen- und Lehrervereins Zürich einen Modellbaubogen entwickelt. Der Bogen ist noch in einigen Exemplaren vorhanden und kann zu sehr günstigen Bedingungen direkt beim Verlag oder in Bastelgeschäften bezogen werden. Weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten über www.paedag.ch.

Literatur

  • Stadtmauern. Ein neues Bild der Stadtbefestigungen Zürichs, Schrift zur Ausstellung im Haus zum Rech. Stadtgeschichte und Städtebau in Zürich; Schriften zu Archäologie, Denkmalpflege und Stadtplanung, 5. Zürich 2004.
  • Thomas Germann: Zürich im Zeitraffer, Band 1. Werd Verlag, Zürich 1997. ISBN 3-85932-227-3
  • Hans Peter Treichler: Bollwerke der Reaktion: Die Zürcher Schanzen. In: Hans Peter Treichler: Die bewegliche Wildnis. Biedermeier und ferner Westen. Schweizer Verlaghaus AG, Zürich 1990. ISBN 3-7263-6523-0
  • Franz A. Roedelberger: Zürich in 500 Bildern. Ein Stadtbuch. Verlagsgenossenschaft Zürich, Zürich 1944.

Siehe auch

Weblinks

47.3679722222228.54410555555557Koordinaten: 47° 22′ 5″ N, 8° 32′ 39″ O; CH1903: (683500 / 246936)


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