- Handelsbräuche
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Ein Handelsbrauch ist eine durch kollektive Übung verbindlich gewordene kaufmännische Geschäftssitte. Im Gegensatz zum Gewohnheitsrecht, das nur durch langjährige Praxis sowie Rechtsüberzeugung entsteht, können sich Handelsbräuche auch in kürzerer Zeit bilden. Die konkrete Ausgestaltung kann dabei nach Ort und Branche durchaus unterschiedlich sein. In Deutschland sind Handelsbräuche kraft Gesetzes (§ 346 HGB) bei der Auslegung kaufmännischer Handlungen und Unterlassungen, insbesondere Willenserklärungen zu beachten. Sie stellen jedoch nach der herrschenden Meinung in der Rechtswissenschaft selbst keine Rechtsnormen dar[1]. Das bedeutet, dass Handelsbräuche kein Gewohnheitsrecht bedeuten.
Im Unterschied zu heutigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben Handelsbräuche in Deutschland und Österreich Geltung ohne Rücksicht auf Willensbekundung und Kenntnis der Vertragspartner, sie können allerdings ausdrücklich ausgeschlossen werden. Kommt es zum Streitfall, erstellen z. B. die deutschen Industrie- und Handelskammern Gutachten, die vor Gericht gelten.
In der Schweiz, in der es kein Handelsgesetzbuch gibt, gelten Handelsbräuche nur, falls sie ausdrücklich (schriftlich ) festgelegt und vereinbart wurden. Im internationalen Handelsverkehr gelten durch die Internationale Handelskammer Paris festgelegte Codifizierungen, die so genannten Incoterms.
Inhaltsverzeichnis
Beispiele
Eine veraltete Spielart so eines Handelsbrauchs ist die in bäuerlichen Viehmärkten übliche Praxis des "Handschlags". Schlugen zwei Beteiligte ein, d. h. sie klatschten ihre Handflächen aufeinander, galt der Kaufvertrag unverrücklich als abgeschlossen. Eine solche jahrhundertelang übliche Praxis nennt man auch Treu und Glauben-Geschäfte. Ein anderes Beispiel ist der Parketthandel in der Börse, wo durch winzige Zeichensignale Geschäfte zustandekommen. Auch dieses ist zunehmend strittig, ob es noch zeitgemäß sein könne, da gegenüber elektronischen Orders für die Geschäftskunden Nachteile und Risiken durch Zeitverzug bei der Abwicklung der Dokumentation und Durchreichung eintreten.
Siehe auch
Literatur
- Olav Selke: "Handelsbräuche als autonomes kaufmännisches Recht aus praktischer Sicht". Hannover, Univ., Diss., 2001
- Sabine Lißner: "Handelsbräuche". Augsburg, Univ., Dissertation 1999
- Wolfgang Michael Schroeter: "Die Auswirkungen tatsächlicher und technischer Veränderungen im Ablauf des Handelsverkehrs auf Handelsbräuche und 'Incoterms'". 139 S. Bielefeld, Univ., Diss., 1999
- Konrad Hagen: "Die Usance und Treu und Glauben im Verkehre". Veit, Leipzig 1894. 38 S. Leipzig, Univ.-Diss., 1894
Quellen
- ↑ vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 1 III 3a, S. 23, Köln 2002, ISBN 3-452-24679-5
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