- Hans-Jörg Rheinberger
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Hans-Jörg Rheinberger (* 12. Januar 1946 in Grabs) ist Direktor am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin. Innerhalb der Wissenschaftsgeschichte sind seine Arbeitsschwerpunkte die Geschichte und Epistemologie des Experiments, die Geschichte der Molekularbiologie und der Proteinbiosynthese.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Rheinberger studierte zunächst Philosophie, Soziologie, Linguistik und Biochemie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und der Freien Universität Berlin. Nach dem Abschluss des Magisterstudiums (1973) begann er Biologie und Chemie an der FU Berlin zu studieren (Diplom 1979). Dort promovierte er 1982 zum Dr. rer. nat. 1987 folgte die Habilitation in Molekularbiologie. Von 1982 bis 1990 arbeitete Hans-Jörg Rheinberger als Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin-Dahlem. Ab 1987 nahm er verschiedene Gastprofessuren an den Universitäten Innsbruck und Salzburg wahr. Nach einem Sabbatical an der Stanford University (1989/1990 innerhalb des Programms „History of Science“), war er als Hochschuldozent am Institut für Medizin- und Wissenschaftsgeschichte der Universität Lübeck beschäftigt. 1993–1994 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und lehrte 1994–1996 als Außerordentlicher Professor für Molekularbiologie und Wissenschaftsgeschichte am Institut für Genetik und Allgemeine Biologie der Universität Salzburg.[1]
Seit 1996 ist er wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und seit 1997 Direktor am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin. Im Jahr 2000 lehrte Rheinberger als Gastwissenschaftler am Collegium Helveticum der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Er ist Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina.
Werk
Rheinberger beschäftigte sich in den letzten Jahren v.a. mit der Geschichte des Experiments und der naturwissenschaftlichen Forschungspraxis. Er hat in seinen Studien "Experimentalsysteme" als treibende Momente der Entwicklung der modernen Naturwissenschaften identifiziert und in ihren Wirkweisen beschrieben.[2] Seine theoretische Begrifflichkeit entwickelt er in Anlehnung an die Philosophie von Jacques Derrida und Martin Heidegger.
Sein Hauptaugenmerk richtet sich auf die „Strukturen des Experiments“, die er durch genaue rekonstruktive Analysen der biowissenschaftlichen Laborarbeit zu entschlüsseln sucht. Im Gegensatz zum üblichen Selbstverständnis der forschenden Wissenschaften zeigt Rheinberger auf, dass weniger Planung und Kontrolle, sondern mehr Improvisation und Zufall den Forschungsalltag prägen. Für Rheinberger zeichnen sich erfolgversprechende „Experimentalsysteme“ dadurch aus, dass sie den „epistemischen Dingen“ genügend Spielraum zur Entfaltung geben. Dies ist nach Rheinberger für einen „produktiven Umgang mit Nichtwissen“ unerlässlich.
Auszeichnungen
- 2002: Ehrendoktorwürde der ETH Zürich[3]
- 2006: cogito-Preis[3]
Veröffentlichungen
Monographien
- Experiment, Differenz, Schrift: zur Geschichte epistemischer Dinge. Basilisken-Presse, Marburg/Lahn 1992, ISBN 3-925347-20-8.
- Experimentalsysteme und epistemische Dinge. Eine Geschichte der Proteinsynthese im Reagenzglas. Göttingen 2001, ISBN 3-89244-454-4
- Iterationen. Merve, Berlin 2005, ISBN 978-3-88396-205-4
- Epistemologie des Konkreten. Studien zur Geschichte der modernen Biologie. Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-518-29371-0
- Historische Epistemologie zur Einführung. Hamburg 2007, ISBN 978-3-88506-636-1
- Zusammen mit Staffan Müller-Wille: Vererbung. Geschichte und Kultur eines biologischen Konzepts. Fischer, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-596-17063-0
Herausgeber
- Zusammen mit Michael Hagner: Die Experimentalisierung des Lebens. Berlin 1993, ISBN 3-05-002307-4.
- Zusammen mit Michael Hagner und Bettina Schmidt-Wahrig: Räume des Wissens. Repräsentation, Codierung, Spur. Berlin 1997, ISBN 3-05-002781-9
Aufsätze
- Alles, was überhaupt zu einer Inskription führen kann. In: Norbert Haas, Rainer Nägele, Hans-Jörg Rheinberger (Hrsg.): Im Zug der Schrift. München 1994, S. 295–309
- Experimental Systems – Graphematic Spaces. In: Timothy Lenoir, Hans Ulrich Gumbrecht (Hrsg.): Inscribing Science. Scientific Texts and the Materiality of Communication. Stanford 1998, S. 285–303
- Vignette für W. H. In: Aris Fioretos (Hrsg.): Babel. Für Werner Hamacher. Urs Engeler, Basel 2009 ISBN 3-93876755-3, S. 314f.
Übersetzungen
- Jacques Derrida: Grammatologie. Aus dem Französischen zusammen mit Hanns Zischler. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983 (Paris 1967), ISBN 3-518-28017-1
Weblinks
- Literatur von und über Hans-Jörg Rheinberger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Homepage von H.-J. Rheinberger am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte
- Artikel der Wissenswerkstatt zu Hans-Jörg Rheinbergers Begriff der "Experimentalsysteme"
- Hans-Jörg Rheinberger: Man weiss nicht genau, was man nicht weiss. Über die Kunst, das Unbekannte zu erforschen. Neue Zürcher Zeitung, 5. Mai 2007
Einzelnachweise
- ↑ MPI-Website
- ↑ Wissenswerkstatt - "Experimentalsysteme"
- ↑ a b Hansjakob Ziemer: Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte ehrt Direktor Prof. Dr. Hans-Jörg Rheinberger, Pressemeldung in: Informationsdienst Wissenschaft vom 22. Januar 2011, abgerufen am 24. Januar 2011
Kategorien:- Wissenschaftshistoriker
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