Hans Kohlhase

Hans Kohlhase
Hans Kohlhase, Kupferstich aus dem 19. Jahrhundert
Gedenktafel am Königsweg 313, in Berlin-Nikolassee

Hans Kohlhase (* um 1500 in Tempelberg bei Müncheberg; † 22. März 1540, hingerichtet in Berlin), war Bürger und Kaufmann in Cölln an der Spree (heute ein Teil Berlins), Befehder Sachsens 1534–1540 und Vorbild für die Titelfigur in Heinrich von Kleists Novelle Michael Kohlhaas. In den vorliegenden historischen Akten wird sein Name uneinheitlich geschrieben, es tauchen gelegentlich Varianten wie Hanns, Kolhase, Kholhase, Kolhaze und Kohlhas auf.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kohlhase stammte aus einer weitverzweigten Handwerkerfamilie von Schmieden und Tuchmachern. Seit 1530 war er Bürger von Cölln. Er galt als rechtschaffener und ehrlicher sowie ausweislich der Cöllner Bürgerbücher durchaus wohlhabender Kaufmann. Am 1. Oktober 1532 brach er von Cölln nach Leipzig auf, um die dortige Herbstmesse zu besuchen. Er hielt sich im Gasthof Wellaune auf, als ihm auf Geheiß des Junkers Günther von Zaschwitz widerrechtlich zwei seiner Pferde genommen wurden, mit der Begründung, er habe sie gestohlen.[1]

Dadurch verpasste er große Teile der Messe, die für ihn somit zum Verlustgeschäft wurde. Um wenigstens einen Teil der Verluste abzudecken, versuchte er, zunächst die Pferde zurückzuerhalten. Dazu hatte er beim Kurfürsten Joachim I. Einspruch erhoben, der sich wiederum an den Kurfürsten von Sachsen wandte, in dessen Herrschaftsbereich sich das Anwesen von Zaschwitz befand. Der hatte die Tiere aber zum Arbeiten verwendet und auch kein gutes Futter gereicht, so dass Kohlhase die Rücknahme verweigerte. Stattdessen forderte er vom Ritter einen Schadenersatz, was dieser wiederum ablehnte.[1]

Zurück in Cölln war Hans Kohlhases Existenzgrundlage gefährdet, da ihm der Kredit entzogen wurde. Zur Sicherung seines Lebensunterhalts musste Kohlhase seine Besitztümer verpfänden. Die beteiligten Kurfürsten beriefen nun, auch auf Drängen Kohlhases hin, Vergleichsverhandlungen ein. Diese fanden am 13. Mai 1533 auf der Burg Düben statt, führten jedoch zu keiner friedlichen Beilegung des Konfliktes. Ein Grund bestand vor allem darin, dass der Ritter von Zaschwitz inzwischen verstorben war und seine Erben eine angemessene Entschädigungszahlung verweigerten.

Kohlhase sandte daraufhin nach damaligem Brauch dem Landvogt von Sachsen am 13. März 1534 einen Fehdebrief und erklärte darin, von nun „der Feind von Zaschwitz' und des ganzen Landes Sachsen zu sein“ und solange kämpfen zu wollen, bis er den geforderten Schadenersatz erhielte.[1] Er sammelte Freiwillige um sich, die unter anderem in der sächsischen Residenzstadt Wittenberg Brände legten, die Herrschaft Teupitz sowie den Adel in Zossen bedrängten und das Kloster Zinna angriffen. Dabei bereicherte sich Kohlhase nicht, sondern hinterlegte die Beute bei Treuhändern oder verteilte sie an die Armen. Daraufhin drängten die Geistlichen und Adligen den sächsischen Landesherrn Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen, den Streit beizulegen. Nach einem Vergleich in Jüterbog gestand man Kohlhase am 7. Dezember 1534 600 Gulden Entschädigung zu, doch der Kurfürst annullierte den Vertrag. Brieflich wandte sich Kohlhase im Dezember 1534 an Martin Luther um Rat. Auch trafen sich beide, um über die Angelegenheiten zu sprechen. Luther empfahl ihm, den Kampf aufzugeben:

Es „ist ja wahr, daß Euch Euer Schaden und Schande billig wehe tun soll und [erg.: Ihr] schuldig seid, dieselbige zu retten und zu erhalten, aber nicht mit Sünden oder Unrecht. Was gerecht ist, wirst du gerecht zu Ende führen, sagt Moses; Unrecht wird durch ander Unrecht nicht zurecht bracht. […] Was ihr mit Recht ausführen moget, da tut ihr wohl; könnt ihr das Recht nicht erlangen, so ist kein anderer Rat da, denn Unrecht leiden. […] Demnach, so Ihr meines Rats begehret (wie ihr schreibet) so rate ich, nehmt Friede an, wo er Euch werden kann, und leidet lieber an Gut und Ehre Schaden, denn daß Ihr Euch weiter sollt begeben in solch Fürnehmen“ [= in solch ein Unternehmen/Vorhaben].

Kohlhase kämpfte dennoch weiter und wurde in Sachsen gesucht. Zunächst genoss er die heimliche Unterstützung Brandenburgs, doch ab 1539 gab Brandenburg dem sächsischen Druck nach und ließ blutige Verfolgungsaktionen reisender sächsischer Richter auf brandenburgischem Territorium zu. Anfang Februar 1540 überfiel Kohlhase bei der später nach ihm benannten Siedlung Kohlhasenbrück (Berliner Ortsteil Wannsee am heutigen Teltowkanal) einen Silbertransport des Kurfürsten Joachims II. von Brandenburg, den er sich damit zu seinem erbitterten Feind machte. Er ließ Kohlhase und seine Mitstreiter als Räuber im ganzen Land verfolgen und verbot bei Todesstrafe, diesen Rächern der Armen zu helfen. Kohlhase weilte 1540 mit seinem Späher Nagelschmidt zu Besuch bei Verwandten in Berlin, als sie entdeckt und von Joachims Häschern ergriffen wurden.[1]

Am 22. März 1540 fand der Prozess gegen Kohlhase und weitere Mitgefangene statt, denen Landfriedensbruch zur Last gelegt wurde. Hans Kohlhase verteidigte sich selbst und beharrte auf der Rechtmäßigkeit seiner Taten. Er wurde aber zum Tode verurteilt und auf dem Rabenstein in der Nähe des Georgentores (heute Strausberger Platz) in Berlin gerädert.

Im 19. Jahrhundert verarbeitete Heinrich von Kleist die Geschichte von Hans Kohlhase in der Novelle Michael Kohlhaas. Dabei blieb er in der Schilderung der Ereignisse jedoch nicht authentisch, da ihm die Untersuchungsakten von 1539 nicht vorlagen.

Literatur

Quellen und historische Veröffentlichungen

Sekundärliteratur

  • C.A.H. Burkhardt: Der historische Hans Kohlhase und Heinrich von Kleists Michael Kohlhaas. Leipzig 1864. Burkhardt war Archivar und entdeckte die Kohlhase-Untersuchungsakten in Weimar. Sein Bericht ist mit rund 60 Seiten recht kurz. (auf Google Books)
  • Christoph Müller-Tragin: Die Fehde des Hans Kolhase. Jur. Diss. Zürich 1997.
  • Kurt Neheimer: Der Mann, der Michael Kohlhaas wurde. Ein historischer Bericht. Diederichs, Düsseldorf/Köln 1979. Populärwissenschaftliche Darstellung aus dem politisch-historischen Blickwinkel der damaligen DDR-Forschung. Es erfolgen keinerlei Nachweise der verwendeten Akten und Literaturstellen.
  • Malte Dießelhorst, Arne Duncker: Hans Kohlhase. Die Geschichte einer Fehde in Sachsen und Brandenburg zur Zeit der Reformation. Frankfurt/Main u.a. 1999. Auf S. 171–424 werden die wichtigsten Kohlhase-Akten im Original wiedergegeben und eingehend kommentiert. Auf S. 511–560 Namens- und Ortsverzeichnis zur Fehde Kohlhases.
  • Albrecht Beutel: Luther und Kolhase. Eine Fallstudie zur cura conscientiae des Reformators; in: Luther 73, Göttingen 2002, S. 119–140.
  • Corinna Bethke: Bis vor den Richterstuhl Gottes: Die Fehde des Hans Kohlhase, Halle: Projekte-Verlag, 2007, ISBN 3-86634-327-2
  • Rochus von LiliencronKohlhase, Hans. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 16, Duncker & Humblot, Leipzig 1882, S. 448–450.
  • Wolfgang Ribbe: Kohlhase, Hans. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, S. 427 f.
  • Dietmar Langberg: Hans Kohlhase – ein rechtschaffener Mordbrenner; Theaterstück, Schwerin/Flensburg 2002/2007

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d Hans Kohlhase. In: Der Stralauer Fischzug. Sagen, Geschichten und Bräuche aus dem alten Berlin. Verlag Neus Leben Berlin 1987, ISBN 3-355-00326-3; S. ff.

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