Hardt-Waltherr Hämer

Hardt-Waltherr Hämer
Hardt-Waltherr Hämer im August 2006

Hardt-Waltherr "Gustav" Hämer (* 13. April 1922 in Hagen bei Lüneburg) ist ein deutscher Architekt - insbesondere im Theaterbau - und Hochschullehrer. Er gilt als „Vater der behutsamen Stadterneuerung“.

Inhaltsverzeichnis

Architekt

Stadttheater Ingolstadt

Hämer studierte an der Berliner Hochschule für bildenden Künste (HfbK, heute Universität der Künste Berlin) und an der staatlichen Schule für Baukunst in Weimar. Noch vor Abschluss des Architekturstudiums an der HfbK (1952) entwarf und realisierte er eine Kirche im Ostseebad Ahrenshoop (Schifferkirche, 1949 bis 1951, Erweiterung und Glockenturm, 2005).

Parallel zu selbstständiger Tätigkeit arbeitete er 1949–1953 im Büro von Hans und Wassili Luckhardt (Berlin) und 1953–1957 bei Gerhard Weber (Frankfurt am Main) u. a. als Planungsleiter beim Neubau des Nationaltheaters Mannheim. Ab 1956 führte er mehrere Bauvorhaben und Wettbewerbe (Opernhaus Sydney) mit seinem Vater Walter Hämer aus. Anschließend folgten u. a. Planung und Ausführung des Stadttheaters Ingolstadt (1961–1966) und des dortigen Katharinen-Gymnasiums (1967–1970).

Von 1959–1985 führte er ein gemeinsames Büro mit der Architektin und Ehefrau Marie-Brigitte Hämer-Buro.

Eine Auswahl weiterer Planungs- und Bauvorhaben sind:

1985 wurde Hämer mit dem Deutschen Kritikerpreis ausgezeichnet.

Hochschullehrer

Am 2. Juni 1967 erhielt Hämer die Professur für Entwerfen an der HfBK Berlin (heute Universität der Künste Berlin), die er bis 1986 innehatte. 1977 gründete er dort den Forschungsschwerpunkt Stadterneuerung, der wesentlichen Einfluss auf die Sanierungspraxis in Berlin ausübte und die Internationale Bauausstellung 1984/87 Berlin vorbereitete und begleitete.

Seit 1970 ist Prof. Dr.-Ing. E.h. Hardt-Waltherr Hämer zudem Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, deren Vizepräsident er von 1989 bis 1997 war. Von 1971 bis 1973 war er Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts Wohnen und Umwelt (IWU) in Darmstadt und von 1995-2003 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats und 1998 kommissarischer Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau.

Stadterneuerung

Ab 1968 (‚Modellsanierung Putbusser Straße‘ in Berlin-Gesundbrunnen) engagierte sich Hämer streitbar und wenig konfliktscheu gegen die damals vorherrschende Kahlschlagsanierung. Gegen den Widerstand von Bauträgern und Planungsbehörden versuchte er den Nachweis zu erbringen, dass bei einer Altbausanierung nicht nur wertvolle Bausubstanz und das städtebauliche Bild erhalten und wiederhergestellt, sondern zugleich auch die Kosten von Abriss und Neubebauung unterschritten werden können.

Von 1972 bis 1980 begleitete Hämer die Stadterneuerung im Sanierungsgebiet der Städtebaulichen Sanierungsmaßnahme Klausenerplatz (SCK) in Berlin-Charlottenburg; zunächst als Gutachter, sodann mit der Planung und Durchführung der Sanierung von 450 Wohneinheiten im Block 118 (seitdem Hämer-Block genannt). Gemeinsam mit Bewohnern und Mieterinitiativen wurde ein Sanierungs- und Beteiligungsverfahren installiert, das einem großen Teil der Mieter bei erträglichen Mieten den Verbleib im Gebiet bzw. die Rückkehr in die zuvor genutzte Wohnung garantierte.

1979 bis 1985 war Hämer als Planungsdirektor der Internationalen Bauausstellung Berlin verantwortlich für den Bereich der sogen. ‚IBA-Alt‘ mit dem Schwerpunkt ‚Behutsame Stadterneuerung Kreuzberg‘. In Kreuzberg hatten sich zu diesem Zeitpunkt die Widersprüche der überkommenen Sanierungs- und Wohnungspolitik am heftigsten offenbart, mit Leerstand, Abriss, Wohnungsnot und Hausbesetzungen einerseits, Spekulation, Bewohnerverdrängung und arroganter Machtpolitik andererseits. Die 1982 formulierten und im März 1983 vom Berliner Abgeordnetenhaus bestätigten „12 Grundsätze der Behutsamen Stadterneuerung“ dokumentierten den Abschied der Berliner Sanierungspolitik von der Flächen- und Kahlschlagsanierung und eine Hinwendung zu demokratisch organisierter Stadtreparatur unter Berücksichtigung gewachsener baulicher und sozialer Strukturen. Die ‚Zwölf Grundsätze‘ wurden von Kreuzberg sowohl auf die übrigen Erneuerungsgebiete West-Berlins übertragen wie auch auf den späteren Stadterneuerungsprozess in Ost-Berlin. Nach der Wiedervereinigung Berlins initiierte Hämer die Arbeitsgruppe ‚Stadtvertrag‘, die sich im Rahmen des Planungsbeirats Stadtforum Berlin etablierte.

In Fortführung der Arbeit für die IBA gründete Hämer 1986 die S.T.E.R.N. Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung mbH und wurde deren Geschäftsführer. Die S.T.E.R.N. ist heute in erster Linie Sanierungsbeauftragte in mehreren Bezirken Berlins, beteiligt sich jedoch auch bundesweit als Sanierungsträger und ist u. a. bei Planungsvorhaben wie dem ‚KdF‘-Seebad Prora auf Rügen tätig. Seine Gesellschaftsanteile verkaufte Hämer 1997 an die Landesbank Berlin, Nachfolger als S.T.E.R.N.-Geschäftsführer wurde 1997 Cornelius van Geisten.

Trotz Emeritierung und Reduzierung des aktiven Geschäfts ist Hardt-Waltherr Hämer der Öffentlichkeit als streitbarer Verfechter der Stadtbewahrung erhalten geblieben; u. a. begleitete er seit 1998 den Konflikt um den Erhalt des Studentendorfes Schlachtensee in Berlin. Mit dem im März 2003 gefassten Beschluss des Berliner Senates, das Studentendorf an die Genossenschaft Studentendorf Berlin-Schlachtensee e.G. zu verkaufen, bleibt das Baudenkmal bis auf weiteres vom Abriss verschont. Zu Ehren Hämers wurde der zentrale Weg im Studentendorf "Gustav-Hämer-Weg" genannt.

Literatur

  • Wilhelm Reissmüller und Rudolf Koller: Stadttheater Ingolstadt. Festschrift zur Eröffnung des Stadttheaters am 21. Januar 1966. Ingolstadt 1966.
  • Hardt-Waltherr Hämer, Marie Brigitte Hämer-Buro; Bearbeiter: Hardt-Waltherr Hämer, Jürgen Rosemann, Alfred Grazioli, Urs Kohlbrenner: Kostenanalyse der Modellmodernisierung von Altbauten. (= Schriftenreihe „Städtebauliche Forschung“ des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, 03.041) Bonn-Bad Godesberg 1976.
  • Manfred Sack (Hrsg.): Stadt im Kopf - Hardt-Waltherr Hämer. Jovis Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-931321-47-9.
  • Marianne Mang, Frida Zellner, Paul Melia: DENK MAL THEATER INGOLSTADT. Die Stadt, das Theater, der Architekt Hardt-Waltherr Hämer. Ingolstadt 2003.
  • Michael Bollé (Hrsg.), Karl-Robert Schütze (Bearb.): Hardt-Waltherr Hämer. Architekt HBK. Theaterbau. Berlin 2006, ISBN 3-89462-132-X.
  • Michael Bollé (Hrsg.), Karl-Robert Schütze (Bearb.): Hardt-Waltherr Hämer. Architekt HBK. Behutsame Stadterneuerung. Berlin 2007, ISBN 978-3-89462-144-5.
  • Michael Bollé (Hrsg.), Karl-Robert Schütze (Bearb.): Hardt-Waltherr Hämer. Architekt HBK. Berlin 2009, ISBN 978-3-89462-169-8.

Weblinks


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