Hauptstadtfrage der BRD

Hauptstadtfrage der BRD

Die Hauptstadtfrage der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet die Suche nach einer Hauptstadt für den nach dem Zweiten Weltkrieg neuzugründenden westdeutschen Staat

Die alte Reichshauptstadt Berlin kam wegen des Viermächtestatus rechtlich nicht in Frage und war außerdem wegen der „Insellage“ West-Berlins innerhalb der Sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR unzweckmäßig. Daher musste eine andere Stadt gefunden werden, worum sich vier Städte bewarben:

Aufgrund der zu starken Kriegszerstörungen sowie seiner exponierten Lage unweit der Zonengrenze schied Kassel als mögliche Hauptstadt aus. Stuttgart scheiterte in erster Linie an seinen finanziellen Problemen: Die Stadt hatte im Jahre 1948 alleine für Mieten 1 Million DM aufzubringen. Die Frage spitzte sich auf zwei Kandidaten zu: Frankfurt am Main und Bonn. Bonn wurde stark durch die britische Besatzungsmacht unterstützt, während Frankfurt am Main aufgrund seiner bedeutenden Rolle in der deutschen Geschichte geschätzt wurde.

Bau des Plenarsaals in Frankfurt

Erst spät befasste sich der Parlamentarische Rat mit der Hauptstadtfrage. Frankfurt am Main war Favorit der SPD, Bonn wurde durch den gebürtigen Kölner Konrad Adenauer und mit ihm zusammen durch die meisten CDU/CSU-Abgeordneten favorisiert. Bereits am 5. Juli 1948 wurden auf Anregung von Walter Menzel, des damaligen Innenministers von Nordrhein-Westfalen, die vorbereitenden Sitzungen des Verfassungskonvents im Bonner Museum Koenig und in der damaligen Pädagogische Akademie (dem späteren Bundeshaus) anberaumt. Auch für dieses Gremium kamen weitere Kandidaten in Betracht: Frankfurt, Karlsruhe und Celle - Bonn erhielt schließlich den Zuschlag. Noch im August desselben Jahres wurde eine Kommission gebildet, welche alle in Frage kommenden Städte bereiste und vor Ort das jeweilige „Für und Wider“ einer Eignung als zukünftigen Bundessitz in einem Abschlußbericht festhielt. Am 10. Mai 1949 erhielt Bonn in geheimer Abstimmung des Parlamentarischen Rates mit 33 zu 29 Stimmen die Stimmenmehrheit und wurde somit zum „vorläufigen Sitz der Bundesorgane“ ernannt. In Frankfurt hatte Oberbürgermeister Walter Kolb, der sich sicher war, seine Stadt würde favorisiert werden, bereits ein „Regierungsviertel“ an der Bertramstraße arrondiert und – um Fakten zu schaffen – sogar einen Plenarsaal für das Parlament bauen lassen. Diese Anlage beherbergt heute den Hessischen Rundfunk. Die beiden Hauptgründe, welche gegen Frankfurt sprachen, waren zum einen der Büro- und Wohnraummangel der stark zerstörten Stadt und zum anderen die Frage, ob man die Amerikaner dazu bewegen könne, ihr militärisches Hauptquartier für die amerikanische Besatzungszone zu verlegen, denn die neue Hauptstadt sollte besatzungsfrei sein.[1]

Später diskutierte der 1. Deutsche Bundestag am 3. November 1949 erneut die Hauptstadtfrage. Auch hierbei fand sich eine Mehrheit von 200:176 Stimmen für Bonn als Hauptstadt. Den Ausschlag dafür hatten auch die unzerstörten und teilweise repräsentativen Räumlichkeiten in Bonn gegeben. Nach Bekanntgabe des Ergebnisses wurde dieses von der Bonner Bevölkerung gefeiert. An der wiederaufgebauten Rheinbrücke wurde das „Brückenmännchen“ derart gedreht, dass es seinen Hintern nach Frankfurt zeigt.

Das Magazin Der Spiegel schrieb in seiner Ausgabe vom 27. September 1950 über angeblich erfolgte Geldzuwendungen an Abgeordnete, die dadurch in ihrem Abstimmungsverhalten zu Gunsten Bonns beeinflusst worden sein sollen. Der daraufhin eingesetzte Untersuchungsausschuss stellte fest, dass Geld für das Abstimmungsverhalten einzelner Parlamentarier gezahlt wurde, wie genau das die Abstimmung beeinflusste, ist allerdings nicht bekannt.

Dass Bonn ursprünglich als Provisorium gedacht war, ließ sich noch lange an den Gebäuden der Ministerien und Parteizentralen sowie der unzureichenden Verkehrsinfrastruktur erkennen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass der Umbau Bonns zu einer vollwertigen Hauptstadt erst abgeschlossen war, als 1991 mit dem Hauptstadtbeschluss der Umzug nach Berlin schon beschlossen war.

Allerdings werden – vor allem auch aufgrund des Berlin/Bonn-Gesetzes vom April 1994 – fast alle bundeseigenen Gebäude weiterhin durch Ministerien und sonstige zugezogenen Behörden und Institutionen genutzt. Somit wird die ehemalige „Hauptstadtinfrastruktur“ der Bundesstadt in großen Teilen weiterhin aufrechterhalten, nicht zuletzt durch die beiden vom Bund getragenen Kulturinstitutionen Bundeskunsthalle und Haus der Geschichte.

Einzelnachweise

  1. Edith Ennen, Dietrich Höroldt: Kleine Geschichte der Stadt Bonn, Stollfuß Verlag, Bonn 1967 (S. 278 ff)

Literatur

  • Nikolas Dörr: Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands im Parlamentarischen Rat 1948/1949. WVB, Berlin 2007, S. 78–81. ISBN 978-3-86573-265-1
  • Andreas Salz: Bonn-Berlin: Die Debatte um Parlaments- und Regierungssitz im Deutschen Bundestag und die Folgen. Monsenstein und Vannerdat, Münster 2006. ISBN 978-3-86582-342-7
  • allgemein aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht: Günter Püttner: Verwaltungslehre, 4. Aufl., München 2007, § 8, IV, 2.

Weblinks


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