Heinrich Freiherr von Stackelberg

Heinrich Freiherr von Stackelberg

Heinrich Freiherr von Stackelberg (* 18. Oktoberjul./ 31. Oktober 1905greg. in Kudinow bei Moskau; † 12. Oktober 1946 in Madrid) war ein deutscher Ökonom.

Er legte zusammen mit anderen Ökonomen wie Joan Robinson, Edward H. Chamberlin, Ronald H. Coase, Frederik Ludvig Bang von Zeuthen und Borge Barfod die wesentliche Grundlage für die Marketingtheorie, indem über die mikroökonomische Kostenzurechnung hinaus Verbundeffekte, Qualität und Vertriebswege berücksichtigt werden.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der Sohn eines aus Estland stammenden Deutschbalten lebte während des ersten Weltkrieges mit der Familie in Jalta auf der Halbinsel Krim, floh nach dem ersten Weltkrieg erst ins Baltikum, später nach Stettin. Stackelberg studierte Mathematik und Wirtschaftswissenschaften in Köln und promovierte dort 1930. Im Jahr 1934 folgte die Habilitation. 1935 ging Stackelberg an die Universität Berlin. 1941 folgte er dem Ruf an die Universität Bonn. 1944 trat er eine Gastprofessur in Madrid an, wo er 1946 an Lymphdrüsenkrebs starb.

Wissenschaftlicher Beitrag

Von Stackelberg entwickelte in seinem Werk Marktform und Gleichgewicht eine eigenständige Marktformenlehre, die sich insbesondere Oligopolen widmet. Er zeigte darüber hinaus auf, dass das Modell der vollständigen Konkurrenz völlig wirklichkeitsfremd ist. Reale Märkte werden meist von Oligopolen bestimmt, bei denen die Anbieter in der Lage sind, Preise zu beeinflussen. Überdies maß von Stackelberg auch den klassischen Marketingfunktionen wie Produktqualität und Vertriebsweg eine hohe Bedeutung als Wettbewerbsparameter bei. Er gab damit der damals jungen Marketingtheorie ein theoretisches Gerüst.

Stackelbergs heute noch bekanntester Beitrag ist die Beschreibung einer seither Stackelberg-Duopol genannten Marktsituation. Wie im bereits vorher bekannten Cournot-Duopol stehen sich zwei gleichartige Anbieter eines Produktes auf einem Markt gegenüber und entscheiden über die von ihnen angebotene Produktmenge (dies unter allgemeinen Rahmenbedingungen, die denen in der später entwickelten Spieltheorie entsprechen). Während die Anbieter beim Cournot-Duopol ihre Mengenentscheidung simultan treffen, treffen die Stackelberg-Anbieter sie hintereinander. Diese Änderung führt dazu, dass der zuerst Entscheidende (Stackelberg-Führer) zu Lasten des Nachziehenden (Stackelberg-Folger) einen höheren Gewinn erreichen kann als im Cournot-Duopol.

Verhältnis zum Nationalsozialismus

Politisch wurde von Stackelberg stark geprägt als Mitglied in der Freischar Junger Nation. Zu Beginn der 1930er Jahre trat er als aktiver Nationalsozialist in Erscheinung: 1931 trat er in die NSDAP ein, 1933 auch in die SS. Zudem war er bis 1934 „Führer der Nationalsozialistischen Dozentenschaft“ an der Universität zu Köln.[1] In den Jahren nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ließ er jedoch bei mehreren Gelegenheiten eine gewisse Distanz zum Regime aufscheinen. 1936 ließ er sich gegen den Willen der SS kirchlich mit Elisabeth Gräfin von Kanitz trauen. Bei dieser und einer späteren Gelegenheit versuchte er aus der SS auszutreten, dennoch blieb er bis 1945 Mitglied. 1937 ließ er einen jüdischen Doktoranden bei sich promovieren. Weiterhin stand er in Kontakt mit dem Freiburger Kreis, einer Gruppe nicht nationalsozialistischer Wirtschaftswissenschaftler. Stackelberg hat sich allerdings – auch nach Kriegsende – nie ausdrücklich vom Nationalsozialismus und seiner eigenen Beteiligung daran distanziert. Als Besatzungssoldat in Frankreich hatte er die geringe Kriegsbegeisterung in diesem Land 1939 notiert und die Parole "Kanonen statt Butter" propagiert: Nicht einmal am Tag des Waffenstillstandes, also der größten Schmach Frankreichs, ließen sich "die Franzosen" aus dem Konzept bringen:

Es gab alles, was man sich denken konnte. Mein Fahrer, ein waschechter Berliner, machte große Augen, was so alles zu einem französischen Mittagessen gehörte und was man alles bekommen konnte. Da kamen viele kleine Schüsseln mit Vorspeisen auf den Tisch, mit Fischchen, Schinken, Eiern, Salaten und weiß der Himmel noch was allem. Dann aß man Fisch, dann ein Fleischgericht, eine Nachspeise hinterher, und das alles war keineswegs besonders viel für französische Verhältnisse. […] Wie ich die großen Augen meines Berliner Jungen sah, mußte ich daran denken, wie sparsam wir in Deutschland doch in den letzten Jahren zu leben gewohnt waren. Aber ich hatte dabei keine Trauer, sondern im Gegenteil Stolz, denn dank dieser Sparsamkeit hatten wir ja die Kanonen und die Waffen bauen können, mit deren Hilfe wir jetzt hier saßen. […] In einem Restaurant in Lyon saßen neben mir beim Mittagessen Franzosen, eine bürgerliche Familie, die sich ungefähr eine halbe Stunde, über die Speisekarte gebeugt, über das Essen unterhielten und dann breit und gewichtig über Stadtklatsch sprachen. Mir schien es merkwürdig, daß ihre Gedanken an diesem Tag nicht andere Bahnen nahmen, aber das Essen war wohl für sie etwas sehr Wichtiges.[2]

Wichtige Werke

  • Grundlagen einer reinen Kostentheorie, Wien 1932
  • Marktform und Gleichgewicht, Wien 1934
  • Grundlagen der theoretischen Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., Bern 1951
  • Theorie der Vertriebspolitik und Qualitätsvariation. In: A. E. Ott: Preistheorie, Köln 1965, S. 230–318

Literatur

  • Knut BorchardtStackelberg, Heinrich Freiherr von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, S. 779–800.
  • Walter Eucken: Heinrich von Stackelberg (1905–1946). In: Economic Journal, Vol. LVIII, London 1948
  • Xenia Matschke, Gautam Tripathi: Das Stackelberg-Dyopol. In: Das Wirtschaftsstudium (WISU), 28. Jg., Heft 1 (Januar 1999), S. 114–120.
  • Hans Möller: Heinrich von Stackelberg und sein Beitrag für die Wirtschaftswissenschaft. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 105. Band, Tübingen 1949, S. 395–428
  • Klaus O. W. Müller: Heinrich Stackelberg – ein moderner Bürgerlicher Ökonom. Berlin (DDR) 1965

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kampf um die Führung. In: Die Zeit, Nr. 42/1999
  2. Wolfgang Geiger: Das Frankreichbild im Dritten Reich. Vortrag an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, 2000, S. 19. Geiger gibt keine Quelle an.

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