- Herbesthal
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Das Dorf Herbesthal ist eine Ortschaft der belgischen Gemeinde Lontzen, welche zur Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens gehört. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts hatte das Dorf, das sich an der Grenze zwischen dem Königreich Preußen und dem Königreich Belgien befand, dank seines Bahnhofs und seines Postamts einen internationalen Bekanntheitsgrad erlangt.
Inhaltsverzeichnis
Ursprung
Der Ursprung des Namens des Dorfes Herbesthal ist ungewiss. Der Ort findet eine erste Erwähnung im Staatsarchiv Lüttich unter dem Namen „Hardwestal“ (1404-1405). Verschiedene Quellen führen den Namen auf folgende Bedeutungen zurück: „Herberge im Tal“, „herbes Tal“, „Herberts Wohnort“ (das Wort „stal“ im Germanischen bedeutet Wohnort) oder gar „Eggental“ (die Egge ist ein landwirtschaftliches Gerät). Als sich das Dorf unter französischer Herrschaft befand (1794 bis 1814), hieß es „Aubergeval“, was mit „Herberge im Tal“ übersetzt werden kann.[1]
Geschichte
Die politische Zugehörigkeit der Ortschaft Herbesthal war äußerst wechselhaft:
- vor 1789: zur Hochbank Baelen, welche zum Herzogtum Limburg gehörte;
- 1797 bis 1815: als Teil der Gemeinde (Mairie) Welkenraedt zum Ourthe Département Frankreichs;
- 1816 bis 1919: von Welkenraedt getrennt und an Lontzen angeschlossen zu Preußen (Regierungsbezirk Aachen, Rheinprovinz), später Deutsches Reich;
- 1920 bis 1940: nach dem Versailler Vertrag zum Königreich Belgien (Kreise Eupen-Malmedy, heute Ostkantone (Eupen, Malmedy und Sankt Vith); zuerst unterstanden die neubelgischen Gemeinden in einer Übergangssphase der Militärverwaltung unter Herman Baltia, nach 1925 wurden sie vollständig in Belgien einverleibt;
- 1940 bis 1945: nach dem Einmarsch der deutschen Truppen am 10. Mai 1940 zum Deutschen Reich (Nazi-Deutschland); es handelte sich nicht um eine deutsche Besatzung sondern um eine Wiedereinverleibung ins Reich („Volksdeutsche“);
- nach 1945: wieder zum Königreich Belgien; von 1973 bis 1983 zur „deutschen Kulturgemeinschaft“ Belgiens und seit 1983 zur Deutschsprachigen Gemeinschaft.
Herbesthal wurde 1906 als Pfarrei im rheinischen Erzbistum Köln gegründet. Herbesthal war in seiner Zeit als Teil des Deutschen Reichs Teil des Gebietes Eupen-Malmedy und gleichzeitig letzter deutscher Ort vor der Grenze zu Belgien. Tatsächlich stellte die Gemeindegrenze Herbesthals zu Welkenraedt die westliche Staatsgrenze des Deutschen Reiches dar. Diese Linie – die heutige Neutralstraße bzw. Rue Mitoyenne – ist heute die Grenze, welche die Deutschsprachige Gemeinschaft und die Französische Gemeinschaft Belgiens voneinander trennt.
Bahnhof und Postgebäude
Der Ort Herbesthal ist sehr eng mit der Geschichte der Eisenbahn in Europa verbunden.
Nach der Unabhängigkeit Belgiens 1831 gab es bereits erste Kontakte mit Preußen, um neue Absatzmärkte zu schaffen. Ein Handelsvertrag sah bereits eine Eisenbahnlinie zwischen Antwerpen und Köln vor. Nach einigen Startproblemen wurde am 9. Juni 1837 die Rheinische Eisenbahn-Gesellschaft gegründet und am 21. August die Konzession zum Bau der Bahnstrecke von Köln über Düren und Aachen zur belgischen Grenze erteilt. Im Oktober 1843 war der Anschluss an Herbesthal fertiggestellt.
Mit der Ankunft der Eisenbahn in Herbesthal war der erste Grenzbahnhof Europas entstanden. Durch die Grenzlage musste in Herbesthal auch eine Zollabfertigungsanlage eingerichtet, was mit der Ankunft zahlreicher Zollbeamter zu einem großen Bevölkerungsanstieg im Dorf führte. Durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes konnte Herbesthal mit anderen Zielorten verbunden werden, was den internationalen Charakter des Bahnhofs bestärkte. Auch der Güterverkehr konnte sich mit der Verfrachtung Erzen aus den Galmeiminen im nahgelegenen Neutral-Moresnet entfalten.
Weitere Anschlüsse mit Eupen 1864 und – nachdem die Reichsbahn bzw. die Preußische Staatseisenbahn auf Bestreben Bismarcks gegründet wurde – mit der Vennbahn 1887 machten Herbesthal zu einem Knotenpunkt. Die Erhöhung dieses Verkehrsaufkommens erzwang ab 1889 einen Bau eines neuen, größeren Bahnhofsgebäudes. Für das Bahnhofspersonal wurden in Herbesthal sogenannte „Eisenbahnsiedlungen“ gebaut.
Bis Mitte der 1960er Jahre fanden in Herbesthal die Lokwechsel zwischen der deutschen und der belgischen Bahn statt. Danach wurde der Bahnhof zugunsten des nur 100m entfernten Bahnhofneubaus im benachbarten Welkenraedt komplett aufgegeben und 1983 abgerissen. Originalstücke des ehemaligen Bahnhofs kann man in der Dorfgeschichtlichen Sammlung (DGS) in Lontzen besichtigen. Dazu zählen auch die Kaiserstühle, auf denen Kaiser Wilhelm II. anlässlich einer Reise weilte.
Siehe auch: Bahnstrecke Aachen–Lüttich, Wesertalstrecke
Sprachen
Herbesthal ist, wie die gesamte Gemeinde Lontzen, offiziell deutschsprachig mit Spracherleichterungen für Französischsprachige (siehe „Fazilitäten-Gemeinde“). Die Einwohner verwenden weitgehend die hochdeutsche Standardsprache in den Verwaltungen, Schulen, im Kirchenleben und in den Sozialbeziehungen. Daneben spielen Dialekte nach wie vor eine Rolle in den gesellschaftlichen Beziehungen. In Herbesthal vorherrschende Dialekte sind – wie im gesamten Kanton Eupen – Niederfränkisch und Rheinfränkisch.[2] Eine Bevölkerungsminderheit ist rein französischsprachig.
Wirtschaft
An der Neutralstraße, die Herbesthal von Welkenraedt trennt, liegen einige der "Belgischen Antikstraße" zugehörigen Antikläden. Größere Betriebe des produzierenden Gewerbes gibt es in Herbesthal nicht.
Söhne und Töchter der Stadt
- Joseph Cornelius Rossaint (1902–1991), Römisch-katholischer Priester, antifaschistischer Widerstandskämpfer und Hauptangeklagter im Berliner Katholikenprozess (1937). Nach ihm wurde eine Straße in der Ortschaft benannt.
- Günther Reul (1910–1985), Maler und Graphiker, ansässig in Gelsenkirchen
- Heribert Reul (1911–2008), Maler und Graphiker, ansässig in Kevelaer
- Peter Steffes (1907–ca. 1992), deutscher Radrennfahrer
Einzelnachweise
- ↑ Verkehrs- und Verschönerungsverein Herbesthal (Hrsg.), Im Zuge der Zeit – Beiträge zur Geschichte der Ortschaft Herbesthal, 1995.
- ↑ [1]
Weblinks
Wikisource: Bekanntmachung, betreffend die Einfuhr von Pflanzen und sonstigen Gegenständen des Gartenbaues. Vom 16. September 1888 – Quellen und Volltexte50.6612145.986004Koordinaten: 50° 39′ 40″ N, 5° 59′ 10″ OKategorien:- Ort in der Provinz Lüttich
- Lontzen
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