Hermann Sinsheimer

Hermann Sinsheimer

Hermann Sinsheimer (* 6. März 1883 in Freinsheim; † 29. August 1950 in London) war ein deutscher Jurist jüdischer Herkunft, der als Journalist, Theaterkritiker und Schriftsteller bekannt wurde und in der Zeit des Nationalsozialismus über Palästina nach England floh. Ihm sind der Hermann-Sinsheimer-Preis und die Hermann-Sinsheimer-Plakette gewidmet.

Sein ältester Bruder Ludwig Sinsheimer wurde als sogenannter Staatsfeind verfolgt und starb schließlich als Opfer des Holocaust.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Sinsheimer kam aus einer jüdischen Familie, die väterlicherseits auf die Stadt Sinsheim im nordbadischen Kraichgau zurückgeht. Seine Eltern Samuel († 1928) und Fanny Sinsheimer lebten anfangs in Mannheim und zogen 1874 in das 20 Kilometer westlich gelegene vorderpfälzische Freinsheim, woher die Mutter stammte. Hermann Sinsheimer war das jüngste Kind aus der ersten Ehe des Vaters, seine Geschwister waren Ludwig (1873–1942), Karl (1875–1953), Eugenie Ida (1879–1942) und August (1880–1911). Bald nach Hermann Sinsheimers Geburt starb die Mutter. Mit seiner zweiten Frau Mina Reuter († 1917) hatte der Vater noch die Tochter Emma (1888–1963).[1]

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der älteste Bruder Ludwig schon Anfang 1934 wegen „heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung“ eingesperrt, weil er in Briefen an ausländische Zeitungen die beginnenden Judenverfolgungen geschildert hatte, und erst Ende 1935 wieder aus der Haft entlassen. 1942 starben er und die Schwester Eugenie durch den Holocaust.[1]

Ausbildung und Beruf

Hermann Sinsheimer besuchte in Bad Dürkheim die Lateinschule, das Abitur legte er am damaligen Humanistischen Gymnasium in Neustadt an der Weinstraße ab. Nach dem Militärdienst in München studierte er wie sein Bruder Ludwig Rechtswissenschaften – in Würzburg, Berlin und Wien. 1910 ließ er sich in Ludwigshafen als Rechtsanwalt nieder.[2]

Journalistisch-literarische Betätigung

Da die Juristerei ihn nach eigenen Worten[2] „wenig oder vorläufig gar nicht lockte“, wurde Sinsheimer Theaterkritiker für die Neue Badische Landeszeitung in Mannheim. 1916 wechselte er nach München und war zwei Jahre lang Leiter der Münchner Kammerspiele; anschließend schrieb er Theater- und Literaturkritiken für die Münchner Neuesten Nachrichten. Von 1923 an war er Chefredakteur der satirischen Zeitschrift Simplicissimus, bis er sich 1929 mit den Herausgebern überwarf.[2]

Ab 1930 arbeitete er in Berlin beim Berliner Tageblatt unter Theodor Wolff als Redakteur, 1932 für diese Zeitung auch kurze Zeit als Auslandskorrespondent in Wien.[3] Im Herbst 1933 wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft entlassen; freiberuflich publizieren konnte er nur noch unter verschiedenen Pseudonymen.[2] Nach dem Erlass der Nürnberger Gesetze 1938 verließ er Deutschland und floh über Palästina nach England.

Während er dort für einen Verlag tätig war, lernte er seine Frau Christobel kennen, die später seinen literarischen Nachlass betreute.[1] In seinem bekanntesten Werk, Gelebt im Paradies. Erinnerungen und Begegnungen, beschreibt er seinen Weg aus dem pfälzischen Dorf in die Stadt, aus der Schule in den Beruf sowie Gestalten und Erfahrungen aus seinem Leben. Seinen Heimatort Freinsheim sah er nicht mehr wieder, obwohl er nach dem Zweiten Weltkrieg noch einige Male Deutschland besuchte.[2]

Werke

(Auswahl)

  • Die drei Kinder. Roman. 1917 (Kessinger Publishing, Nachdruck 2010).
  • Peter Wildangers Sohn. Georg Müller Verlag, München 1919.
  • Maria Nunnez. Philo Verlag, Berlin 1934.
  • Rabbi, Golem und Kaiser. Philo Verlag, Berlin 1935 (Philo-Bücherei; 1).
  • Al Rondo. Limes Verlag, 1949.
  • Spatz in den Kirschen. Daniel Meininger Verlag, Neustadt/Weinstr. 1950.
  • Gerhard Pallmann (Hrsg.): Gelebt im Paradies. Erinnerungen und Begegnungen. Pflaum Verlag, 1953.
  • Shylock. Die Geschichte einer Figur. Ner Tamid Verlag, München 1960.
  • Christobel Sinsheimer (Hrsg.): Spatz in den Kirschen. 1963 (Neuauflage).
  • Josef Kaiser (Hrsg.): Die Welt meines Dorfes. Freinsheimer Erzählungen und Pfälzer Erinnerungen. Verlag Pro Message, Ludwigshafen (Rhein) 2010, ISBN 978-3-934845-48-0.

Andenken

Zu Ehren Sinsheimers verleiht die Stadt Freinsheim seit 1983, dem Jahr des 100. Geburtstages, in ungeraden Jahren den Hermann-Sinsheimer-Preis für Literatur und Publizistik. Aus Anlass des 50. Todestages stiftete die Stadt im Jahre 2000 zusätzlich die Hermann-Sinsheimer-Plakette für Verdienste um die pfälzische Literatur; die Vergabe der Plakette erfolgt in den geraden Jahren. Die Grundschule in Freinsheim ist nach Hermann Sinsheimer benannt.

Literatur

  • Oliver Bentz: Die Pfalz immer im Herzen. In: Literarischer Verein der Pfalz (Hrsg.): Neue Literarische Pfalz. Nr. 41/42, 2010, S. 43 f..
  • Barbara Hartlage-Laufenberg: Pfälzer und Jurist – Jude und Literat: Hermann Sinsheimer. In: Neue Juristische Wochenschrift (NJW). 1999, S. 1941–1943.
  • Jonathan Skolnik: Dissimilation and the Historical Novel: Herman Sinsheimer’s Maria Nunnez. In: Year Book of the Leo Baeck Institute. 43, 1998, S. 225–240 (in Englisch).
  • Deborah Vietor-Engländer: Hermann Sinsheimers deutsch-jüdisches Schicksal. In: Kerstin Schoor (Hrsg.): Zwischen Rassenhaß und Identitätssuche. Deutsch-jüdische literarische Kultur im nationalsozialistischen Deutschland. Wallstein, Göttingen 2010, S. 285–303.
  • Gert Weber, Rolf Paulus (Hrsg.): Schriftsteller und Theaterkritiker zwischen Heimat und Exil – Sinsheimer, Hermann. Auswahl aus dem Gesamtwerk. Pfälzische Verlagsanstalt, Landau (Pfalz) 1986, ISBN 3876290996.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Josef Kaiser: „Ein prächtiger Mensch“. In: Die Rheinpfalz. Ludwigshafen (Rhein), 20. November 2010.
  2. a b c d e Oliver Bentz: Die Pfalz immer im Herzen, S. 43 f.
  3. Anja Clarenbach: Der Schriftsteller und Journalist Heinrich Eduard Jacob (1889–1967). Universitätsdissertation. Hamburg 2003, S. 73, abgerufen am 7. Dezember 2010 (1,7 Mb).

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