Hermann Tempel

Hermann Tempel

Hermann Tempel (* 29. November 1889 in Ditzum; † 27. November 1944 in Oldenburg) war ein deutscher Politiker (SPD).

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Tempel besuchte die Volksschule in Ditzum. Später besuchte er eine Präparandenanstalt und das Lehrerseminar in Aurich. 1910 legte er die Lehrerprüfung ab. Von 1915 bis 1916 nahm Tempel als Infanterist am Ersten Weltkrieg teil, wo er verwundet wurde.[1] Danach kehrte er als Volksschullehrer in Leer ins zivile Leben zurück. Von 1920 bis 1921 studierte Tempel – ohne Abschluss – an den Universitäten Hamburg und Berlin die Fächer Psychologie und Philosophie.

1919 trat Tempel in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ein. Für diese gehörte er zunächst dem Magistrat der Stadt Leer an. Daneben war er als Redakteur für die Parteizeitung Volksbote tätig. Von 1925 bis 1933 gehörte Tempel knapp acht Jahre lang für seine Partei dem Reichstag der Weimarer Republik als Abgeordneter an. Sein erster Einzug in das Berliner Parlament im September 1925 ergab sich aus dem Ableben des SPD-Abgeordneten für den Wahlkreis 14 (Weser-Ems) Wilhelm Helling, dessen Mandat Tempel für den Rest der Legislaturperiode bis 1928 wahrnahm. In den Jahren 1928 bis 1933 wurde Tempel insgesamt fünf Mal als Abgeordneter des Wahlkreises 14 bestätigt.

Im März 1933 stimmte Tempel gemeinsam mit den übrigen Abgeordneten seiner Fraktion gegen das Ermächtigungsgesetz. Im gleichen Monat wurde ein Redeverbot gegen ihn erlassen; sein Haus wurde mehrfach von der SA durchsucht.[2] Rechtzeitig gewarnt, konnte sich Tempel im Sommer 1933 seiner Verhaftung entziehen und in die Niederlande flüchten, wo er in den folgenden Jahren als Emigrant lebte. Im Oktober 1937 wurde er ausgebürgert. In Amsterdam gehörte Tempel zu den neun Männern, die den inneren Kreis der dortigen Exil-Gruppe der SPD bildeten. Im Gegensatz zur sechsköpfigen Mehrheit der Gruppe lehnten Tempel, Anton Reissner und Alfred Mozer die Bestrebungen zur Bildung einer linken Einheitspartei mit den Kommunisten ab.[3]

Nach dem deutschen Einmarsch in den Niederlanden im Frühjahr 1940 tauchte Tempel unter, stellte sich jedoch der Amsterdamer Gestapo, nachdem sein Vermieter verhaftet worden war.[2] Seit 5. Dezember 1940 zunächst in Polizei-, dann in „Schutzhaft“, wurde er im Juli 1941 vom Oberlandesgericht Hamm wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu zwei Jahren Haft verurteilt - Ankläger war Hubert Schrübbers, der später in der Bundesrepublik noch zum Verfassungsschutzpräsidenten avancierte[4] -. Nach der Entlassung aus dem Strafgefängnis Wolfenbüttel im Dezember 1942 stand Tempel unter Polizeiaufsicht; Anfang 1944 zog er nach Oldenburg und arbeitete dort als Hilfsarbeiter im Schuhgroßhandel. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wurde er in der „Aktion Gitter“ für zwei Tage verhaftet. Tempel starb „an einem Tumor, den Folgen der Haft und physischer Mißhandlung“.[2] Zum Zeitpunkt seines Todes war seine Einweisung in ein Ausländerlager als Staatenloser angeordnet worden.

In der sozialdemokratischen Erinnerungskultur ist Tempel im Vergleich zu den meisten Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik verhältnismäßig viel Aufmerksamkeit zu Teil geworden: 1974 erinnerte der damalige Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bonner Bundestag Herbert Wehner in einer öffentlichen Ansprache an Tempels Leben, an sein politisches Wirken und seine „Ermordung“.[5] Vor dem Berliner Reichstag ist Tempel eine der 96 Gedenktafeln zur Erinnerung an von den Nationalsozialisten ermordete Reichstagsabgeordnete gewidmet. Außerdem erinnert der seit 2000 vom SPD-Bezirk Weser-Ems vergebene Hermann-Tempel-Preis an Tempel. Dieser Preis (und die dazugehörige Hermann-Tempel-Medaille) wird jährlich auf dem Bezirksparteitag der Weser-Ems-SPD an Personen verliehen, die sich „in herausragender Weise“ gegen den deutschen Rechtsextremismus engagieren.

Schriften

  • Horst Milde (Hrsg.): Wilhelm Tempel. Verse aus Meiner Zelle, Wilhelmshaven 1965.
  • Hermann Tempel. 1889-1944. Eine Dokumentation aus dem literarischen Nachlass, 1980.

Literatur

  • Klaus Dede/ Werner Valenkampf: Hermann Tempel, Leer. Biografie und Dokumentation über den Lehrer und Politiker aus dem Raum Weser-Ems, Oldenburg 1979.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Justiz im Nationalsozialismus. Verbrechen im Namen des Volkes. Katalog zur Ausstellung. S. 40. Nomos Verlag, Baden-Baden 2002, ISBN 3-7890-81787.
  2. a b c Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933−1945. Droste-Verlag, Düsseldorf 1991, ISBN 3-7700-5162-9, S. 576f.
  3. Ursula Langkau-Alex: Deutsche Volksfront 1932-1939, S. 8.
  4. DER SPIEGEL Nr. 5/1972, S. 27: Der Wille muß gebrochen werden
  5. Günther Scholz: Herbert Wehner, 1986, S. 172.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Tempel (Begriffsklärung) — Tempel steht für: Tempel, religiöse Gebäude die als Kultstätte oder Heiligtum dienen Tempel 1, ein kurzperiodischer Komet, der im Sommer 2005 durch die NASA Raumsonde Deep Impact untersucht wurde einen Ortsteil der Stadt Ribnitz Damgarten im… …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Volrath Hilprecht — (* 28. Juli 1859 in Hohenerxleben (Sachsen Anhalt); † 19. März 1925 in Philadelphia (USA)) war ein deutsch amerikanischer Archäologe und Assyriologe. Bekannt ist Hilprecht vor allem für die aus seinem Nachlass hervorgegangene Hilprecht Sammlung… …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Kätelhön — Hermann Kätelhön, Selbstbildnis (Radierung, 1915) …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Raschhofer — (* 26. Juli 1905 in Ried/Österreich; † 27. August 1979 in Salzburg) war ein in Deutschland tätiger Jurist und Völkerrechtslehrer. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Volksgruppenrecht 3 Verachtung der Menschenrech …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Rauschning — Hermann Adolf Reinhold Rauschning (* 7. August 1887 in Thorn/Toruń; † 8. Februar 1982 Portland, Oregon, USA) war ein deutscher Politiker. Seit 1932 war er in der Partei der Nationalsozialisten, lehnte aber d …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Junker — (* 29. November 1877 in Bendorf/Rhein; † 9. Januar 1962 in Wien) war ein deutscher Ägyptologe. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Ehrungen 3 Werke (Auswahl) …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann von Sachsenheim — (* um 1365 in Groß Sachsenheim oder auf dem Gut Ingersheim am Neckar; † 29. Mai 1458 in Konstanz) war ein deutscher Dichter. Von 1419 bis 1442 war Hermann Rat der verwitweten Gräfin Henriette von Mömpelgard, die damals als Vormund ihrer Söhne die …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann [1] — Hermann (männlicher Taufname, der Tapfere). I. Fürsten. A) Cheruskerfürst: 1) (Arminius), Sohn des Cheruskerfürsten Sigimer, geb. 16 v. Chr.; bildete sich (als Geißel) in Rom u. dann im römischen Kriegsdienst aus u. erhielt von Augustus das… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Hermann Mensch — (* 22. Mai 1831 in Angerburg, Ostpreußen; † Februar 1914) war ein deutscher Lehrer und Autor. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke 3 Einzelnachweise 4 …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Speelmans — Hermann Maria Louise Speelmans (* 14. August 1902[1] in Uerdingen, heute Ortsteil von Krefeld; † 9. Februar 1960 in Berlin) war ein deutscher Schauspieler und Hörspielsprecher. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Filmografie …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”