Homosexualität in Vatikanstadt

Homosexualität in Vatikanstadt

Die gesetzlichen Regelungen zur Homosexualität in der Vatikanstadt orientieren sich am italienischen Strafrecht in der Fassung von 1929, also zum Gründungszeitpunkt des souveränen Staates Vatikanstadt.

Inhaltsverzeichnis

Legalität

In Vatikanstadt gibt es keine Strafgesetze gegen homosexuelle Handlungen. Das Schutzalter liegt wie in anderen Staaten mit relativ großem katholischen Einfluss wie etwa Malta[1] oder bis November 2003[2] Spanien einheitlich bei 12 Jahren.

Antidiskriminierungsgesetze

Es gibt keinen ausdrücklichen Schutz gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung.

Lebenspartnerschaften

Eine rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften besteht staatlicherseits nicht.[3]

Ausländische Diplomaten, die beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden sollen und in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft leben,[4] werden ebenso wie Geschiedene[5] zurückgewiesen.

Historische Entwicklung des Strafrechts

Bei der Gründung von Vatikanstadt als souveräner Staat im Jahre 1929 wurde das italienische Strafgesetzbuch (Codic Penal, CP) aus dem Jahre 1889 in der damals geltenden Fassung übernommen[6]. Dieses enthielt keine Sonderregelung für gleichgeschlechtliche Beziehungen und legte das Mindestalter für sexuelle Kontakte einheitlich bei 12 Jahren fest[7]. Für sexuelle Kontakte in Autoritätsverhältnissen (zum Beispiel Lehrer/Schüler) war eine Altersgrenze von 15 Jahren festgelegt[7]. Im Jahre 1969 wurde der Stichtag für die Bestimmungen des übernommenen italienischen Strafrechts vom 8. Juni 1929[6] auf den 31. Dezember 1924 vorverlegt[8]. Damit wurde unter anderem die Todesstrafe abgeschafft, welche in Italien 1926 wiedereingeführt wurde. Für das Sexualstrafrecht hatte dies jedoch keine Auswirkungen.

In Italien selbst wurde 1930 ein neues, noch heute gültiges, Strafgesetz verabschiedet, welches die Mindestaltersgrenze auf 14 Jahre und die Altersgrenze bei Autoritätsverhältnissen auf 16 Jahre anhob[9].

In Vatikanstadt wurde bis heute die eigenständige Gesetzgebung in einigen Bestimmungen des allgemeinen Teils geändert, die Regelungen auf dem Gebiet des Sexualstrafrechts blieben indes bis heute unverändert, was der österreichische Psychiater und Ethikprofessor Hans Rotter nicht für eine Nachlässigkeit, sondern für eine gewollte Entscheidung hält[1]. Der Vatikan kann auf seinem Gebiet straffällig gewordene Personen, egal ob sie dort von der Gendarmerie des Pontifikats oder von Hilfstruppen der italienischen Polizei verhaftet werden, zur Aburteilung an Italien übermitteln, welches zur Übernahme verpflichtet ist und dann vatikanisches Recht anzuwenden hat. Nur bei einer vorherigen Flucht auf italienisches Territorium kommt das dort geltende Strafrecht zur Anwendung[10].

Wortlaut des Strafgesetzes

Art. 331 CP

Wer, mit Gewalt oder Drohung, eine Person des gleichen oder anderen Geschlechts zur fleischlichen Vereinigung zwingt, wird mit Zuchthaus von drei bis zu zehn Jahren bestraft.
Der gleichen Strafe unterliegt, wer sich mit einer Person des gleichen oder anderen Geschlechts fleischlich vereinigt, die zur Tatzeit:

  1. noch nicht das 12. Lebensjahr vollendet hat;
  2. noch nicht das 15. Lebensjahr vollendet hat, wenn der Täter ihr Aszendent, Vormund oder Lehrer ist;
  3. ... [betrifft sexuelle Kontakte von Aufsehern mit Häftlingen oder Verurteilten, Anm.]
  4. ... [betrifft Willensunfähige, Anm.]
Art. 333 CP

Wer, unter Anwendung der Mittel oder unter Ausnutzung der Zustände oder Umstände, die in Art. 331 angeführt sind, gegenüber einer Person des gleichen oder anderen Geschlechts libidinöse Akte begeht, die von jenem Artikel nicht erfasst sind, ist mit Zuchthaus von einem bis zu sieben Jahren zu bestrafen.

Einschränkungen durch andere Paragrafen
  • Wenn es sich bei dem Opfer um eine öffentliche Dirne („pubblica meretrice“) handelt wird die Strafe um die Hälfte bis zwei Drittel reduziert. (Art. 350 CP)
  • Wenn die Beteiligten die Ehe geschlossen haben (bei mehreren Tätern reicht es für alle, wenn dies einer tut) bleibt die Tat straffrei und eventuelle strafrechtliche Wirkungen einer Verurteilung fallen weg. (Art. 352 CP).
  • Nur wenn die Tat öffentlich oder unter Missbrauch der väterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt erfolgt, kann sie von den staatlichen Behörden ohne Antrag verfolgt werden (Art. 336 CP). Ansonsten ist der Antrag vom Verletzten, einem Aszendenten, dem Vormund oder dem Ehemann spätestens innerhalb eines Jahres ab der Kenntnis der Tat zu stellen (Art. 104, 336 CP).

Religion

Die offizielle religiöse Haltung der römisch-katholischen Kirche und des Heiligen Stuhls unterscheidet zwischen mehreren Arten der Homosexualität.

„Tiefsitzende homosexuelle Tendenzen“ sind nach dieser Ansicht eine nicht selbst gewählte Veranlagung die „objektiv ungeordnet“ ist und keiner wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit entspringt, aber für sich selbst keine Sünde ist. Des Weiteren würden die Betroffenen keine affektive Reife besitzen und seien zur Keuschheit aufgerufen. Die Kirche schätzt dadurch die Empfindung vieler Lesben und Schwulen so ein, dass es für sie oft eine Prüfung darstelle, deren daraus sich ergebende Schwierigkeiten mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen seien. Homosexuellen Menschen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen.[11][12]

„Homosexuelle Handlungen“ dagegen, welche – im Widerspruch zur Mehrheit der psychologischen Fachwelt – manchmal auch Ausdruck eines vorübergehenden Problems wie zum Beispiel einer noch nicht abgeschlossenen Adoleszenz entstehen, werden als schwere Sünde (Todsünde) gesehen, die „in sich nicht in Ordnung“, „in sich unsittlich“ sind und einen „Verstoß gegen das natürliche Gesetz“ darstellen.[11][12]

Dies geschieht in einem Zusammenhang, in dem alle sexuellen Handlungen, die nicht zumindest ihrer Natur nach zu einer Zeugung führen können, ebenso wie nicht in der Ehe stattfindende, als Sünde angesehen werden. Im Fall von heterosexuellem Verkehr, bei dem einer oder beide Partner unfruchtbar sind (auch aus Altersgründen), wird eine theoretische Zeugungsmöglichkeit gesehen, solange keine künstliche Verhütungsmethoden benutzt werden, jedoch nicht bei gleichgeschlechtlichen Partnern.

Ereignisse

Am 13. Januar 1998 zündete sich der schwule italienische Schriftsteller Alfredo Ormando auf dem Petersplatz – der zum Territorium des Vatikan gehört – an, um gegen die Haltung der römisch-katholischen Kirche gegenüber Homosexualität zu protestieren. Einige Tage später verstarb er im Krankenhaus.

Literatur

  • Helmut Graupner: Sexualität, Jugendschutz und Menschenrechte, Band 2 - Seiten 700ff, Verlag Peter Lang, Frankfurt - Berlin - Bern - New York - Paris - Wien 1997, ISBN 3-631-31790-5

Siehe auch

Quellen

  1. a b Österreichische Parlamentsdirektion: Unterausschuß des Justizausschusses - Zusammenfassende Darstellung über die Anhörung von ExpertInnen zu den §§ 209, 220 und 221 StGB am 10. Oktober 1995
    zu Malta und Spanien: Manfred Nowak
  2. National Laws - Legislation of Interpol member states on sexual offences against children: Spain - Espagne - España, interpol.int, Version: 30. Juni 2006
  3. Rechtskomitee Lambda: Rechtsvergleich, Stand: 29. August 2005
  4. Vatican blocks appointment of gay diplomat, pinknews.co.uk, 2. Oktober 2008
  5. Vatican accepts Juan Pablo Cafiero as Argentine Ambassador, en.wikinews.org, 28. September 2008
  6. a b Art. 4 [alte Fassung] Art. 3 Legge sulle fonti del diritto, N.II., 7. Juni 1929
  7. a b Art. 331, 333
  8. Art. 39 Legge che modifica la legislazione penale e la legislazione processuale penale, N.L vom 21. Juni 1969,
    mit dem Art. 4 des Legge sulle fonti del diritto 1929 geändert wurde
  9. Art. 519, 521, heute: Art. 609quater
  10. Art. 22 Trattato fra la Santa Sede e l’Italia 1929
  11. a b Vatikan: Katechismus der Katholischen Kirche 2357-2359, Stand: 11. Oktober 1992
  12. a b Kongregation für die katholische Erziehung: Instruktion über Kriterien zur Berufungsklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen im Hinblick auf ihre Zulassung für das Priesterseminar und zu den Heiligen Weihen, 4. November 2005, auf HuK.org

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