Homosexualität in Polen

Homosexualität in Polen

Homosexualität in Polen ist gesellschaftlich tabuisiert, wird aber zunehmend stärker in der Gesellschaft diskutiert.

Inhaltsverzeichnis

Legalität

Homosexuelle Handlungen wurden in Polen bereits 1932 legalisiert und das Schutzalter dem heterosexueller Personen angeglichen. 1969 wurde auch homosexuelle Prostitution legalisiert. Bis 1991 galt Homosexualität allerdings offiziell als eingetragene Krankheit.

Gesetzeslage

Aufkleber mit homophobem Slogan

2003 wurde ein Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet, welches eine von der sexuellen Orientierung unabhängige Behandlung vor dem Gesetz garantiert. Ein bereits 1995 von der damaligen sozialdemokratischen Regierung erarbeiteter Vorschlag, ein Diskriminierungsverbot auf Grund sexueller Orientierung in die Verfassung aufzunehmen, wurde wegen großer Einwände der römisch-katholischen Kirche nicht realisiert.

Schwule waren bis zur Abschaffung der Wehrpflicht in Polen bis 2010 vom Militärdienst nicht gesetzlich ausgeschlossen.

Die Rechte von Lesben und Schwulen werden von den Parteien SLD, UP, Zieloni 2004, Demokraci und weiteren linksgerichteten oder liberalen Parteien unterstützt.

Im März 2007 legte Roman Giertych, Polens damaliger Bildungsminister und Vorsitzender der rechtspopulistischen LPR, dem Parlament einen Gesetzesentwurf vor, der „homosexuelle Propaganda“ wie Aufklärungsmaterialien über gleichgeschlechtliche Beziehungen an Schulen unter Strafe stellen sollte. Lehrer, die im Sexualunterricht homosexuelle Lebensformen auch nur erwähnten, müssten dann mindestens mit Geldstrafen rechnen.[1] Entlassungen sollten auch besonders dann Maßnahmen sein, wenn Lehrerinnen und Lehrer sich offen zur Homosexualität bekennen würden.[2] Aufgrund der im Oktober 2007 abgehaltenen Neuwahlen traten die Gesetzesentwürfe nicht in Kraft. Die neue liberal-konservative Regierungskoalition unter Ministerpräsident Donald Tusk bereitete 2007 einen Gesetzesentwurf zum Schutz Homosexueller vor Diskriminierung vor.[2] Ein grundlegender Richtungswechsel zugunsten Homosexueller trat allerdings nicht ein.

Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften

Es gibt keine gesetzliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. Ende 2003 schlug die Senatorin Maria Szyszkowska vor, gleichgeschlechtliche Verpartnerungen unter der Bezeichnung „Registrierte Partnerschaft“ einzuführen. Am 2. Dezember 2004 stimmte zwar der polnische Senat diesem Vorschlag zu, der jedoch vor den Wahlen 2005 keine Mehrheit im polnischen Parlament fand.

2004 gestattete der städtische Verkehrsverbund in Warschau gleichgeschlechtlichen Partnern ihrer Angestellten das Verkehrsnetz mit den gleichen Vergünstigungen zu nutzen, wie heterosexuelle Partner. Dieser Akt stellte die erste Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare in Polen dar. 2007 beschloss schließlich auch das städtische Amt für Sozialhilfe in Chorzów, gleichgeschlechtlichen Paaren Transferleistungen in Entsprechung zu denen heterosexueller Paare zu gewähren. 2011 brachte erstmals mit der linken Oppositionspartei Bündnis der demokratischen Linken (SLD) eine Partei einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Lebenspartnerschaft im Sejm ein. [3] Auch die im Oktober 2011 neu in das polnische Parlament eingezogene Partei Ruch Palikota befürwortet die Einführung von Lebenspartnerschaften für homosexuelle Paare.[4]

Gesellschaftliche Situation

Die Parada Równości 2006

Gegenwärtig ist Polen eines der gegenüber Homosexuellen intolerantesten Länder Europas. Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2004 lehnen 94 % der Polen Homosexualität ab.[5] Nach dem Eurobarometer von Dezember 2006 stimmen lediglich 17 % der Polen der Aussage zu, dass es homosexuellen Menschen erlaubt sein sollte zu heiraten (in Deutschland 52 %).[6] Obwohl während der 1990er Jahre und den frühen 2000er Jahre unter jungen Leuten in größeren Städten und mit höherer Bildung eine Zunahme der Toleranz zu verzeichnen war, nahm die Diskriminierung homosexueller Minderheiten auf politischer Ebene unter der 2005 bis 2007 regierenden Koalitionsregierung aus konservativen und populistischen Parteien erneut zu.[7] Warschau, Krakau und andere polnische Städte untersagten homosexuelle Demonstrationen in den Jahren 2004 und 2005 unter der Anführung verschiedenster Gründe, unter anderem auf Grund von möglichen Gegendemonstrationen oder Eingriffen seitens religiöser oder nationalistischer Gruppen sowie auf Grund allgemeiner Ablehnung von Homosexualität und aus moralischen Gründen. Dennoch versammelten sich am 11. Juni 2005 etwa 2.500 Demonstranten zur Parada Równości, wobei es zu zehn Festnahmen kam. Die Parade wurde von dem damaligen Bürgermeister und spätere Staatspräsident Lech Kaczyński mit der Aussage „Die Erlaubnis einer Schwulenveranstaltung in Warschau würde homosexuelle Lebensformen fördern“ stark verurteilt. Die Einstellung der damaligen Regierung gegenüber Homosexuellen ließ ein Spannungsverhältnis zwischen Polen und der Europäischen Union entstehen.[8] Übergriffe gegen homosexuelle Veranstaltungen waren auch durch die rechtsextreme Allpolnische Jugend zu verzeichnen.

Dennoch existiert in allen größeren Städten eine homosexuelle Szene. Es existieren zudem landesweit über 30 homosexuelle Organisationen.

Die römisch-katholische Kirche kämpft mit großem Einsatz gegen die Anerkennung von homosexuellen Paaren und wird dabei vor allem von rechtsgerichteten Parteien unterstützt. [9]

In einem Report der Europäischen Union forderte deren Vertreter Thomas Hammarberg als Menschenrechtskommisar die polnische Regierung unter Lech Kaczyński auf, Homophobie in Polen zu bekämpfen.[10] Hammaberg erklärt: „I think we should remember that one of the groups that were targeted by the Nazis were homosexuals, and we should really avoid to fall into that trap now.“

Europride 2010

Vom 9. bis 18. Juli 2010 fand in Warschau die erste Europride in Polen statt, die am 17. Juli mit der Parada Równości (dt. Parade der Gleichheit) beendet wurde. Im Warschauer Nationalmuseum war zeitgleich die Ausstellung Ars Homo Erotica zu sehen.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Homosexualität in Polen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Tagesschau.de: Polen will „homosexuelle Agitation“ verbieten (nicht mehr online verfügbar), 14. März 2007
  2. a b derStandard.at: Polnischer Vizeminister will offen homosexuelle LehrerInnen entlassen, 15. März 2007
  3. Standard:Lebenspartnerschaft für Lesben und Schwule gefordert
  4. Queer:Polens Parlament wird bunter
  5. Maneo: Polen
  6. Europäische Kommission: Eurobarometer, Abschnitt 2.4 Einstellungen zur Homosexualität, Dezember 2006.
  7. Merkur-Online: Erneut Wirbel um Schwulen-Demo, 10. Juni 2006
  8. Queer.de: EU-Parlament verurteilt Polen, 16. Juni 2006
  9. Cicero:Langer Weg bis zur Gleichstellung
  10. 365gay.com: EU Blasts Poland's Anti-Gay Stance

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