Hornussen (Sport)

Hornussen (Sport)
„Schlagen“, Abschlag des Nouss vom Bock, Ziel ist es den Nouss möglichst weit zu schlagen.
„Abtun“, Abfangen des anfliegenden Nouss mit der Schindel. Ziel ist es, dass kein Nouss innerhalb des Spielfeldes ohne Berührung einer Schindel zu Boden fällt.
Der Nouss auf dem Bock, kurz vor dem Abschlag durch den Stecken
Schindel und Schutzhelm

Hornussen ist eine Schweizer Mannschaftssportart, die hauptsächlich in den Mittellandkantonen Bern, Solothurn und Aargau betrieben wird.

Das Hornussen wird zusammen mit dem Schwingen und dem Steinstossen zu den Schweizer Nationalsportarten gezählt. Außerhalb der Schweiz gibt es nur durch zwei deutsche Gesellschaften in Münnerstadt und Großrinderfeld einen regelmäßigen Spielbetrieb (Freundschaftsspiele und Deutsche Gruppenmeisterschaft). Außerdem leben in Südafrika einige Hornusser; diese nehmen regelmässig an den interkantonalen Festen und am Eidgenössischen Hornusserfest teil. Die Südafrikaner nennen das Hornussen Swiss Golf.

Das Hornussen verbindet Elemente des Einzelwettkampfes (möglichst weiter Abschlag des Nouss als Einzelleistung) mit Elementen des Mannschaftssports (Abfangen des geschlagenen Nouss als Mannschaftsleistung).

Das Hornussen ist eng mit anderen Schlag- und Fangspielen wie Cricket, Baseball, Knurr and Spell oder Mazza sowie dem Scheibenschlagen in der Alemannischen Fasnacht verwandt.

Inhaltsverzeichnis

Das Spiel

Das Spiel besteht für die schlagende Mannschaft darin, den Nouss so weit wie möglich in das gegnerische Spielfeld hinein (oder gar darüber hinaus) zu treiben. Für die abtuende Mannschaft geht es darum, den anfliegenden Nouss so früh wie möglich, spätestens jedoch vor dem Auftreffen am Boden des Spielfeldes, mit der Schindel zu stoppen.

Ein Spiel hat keine festgelegte Dauer (wie dies z.B. beim Fußball üblich ist). Im Normalfall (Wettspiel/Meisterschaft/Kleinanlass) werden zwei Umgänge gespielt, wobei jede Mannschaft pro Umgang einmal schlägt und einmal abtut. Jeder einzelne Spieler schlägt pro Umgang zwei Streiche mit drei Versuchen. Das Spielen von zwei Umgängen dauert ca. drei bis vier Stunden.

Es gewinnt die Mannschaft mit weniger Nummern, d.h. diejenige, bei welcher weniger Hornusse ungestoppt im Spielfeld zu Boden gegangen sind. Bei Gleichstand entscheidet das Total der Schlagpunkte; sind auch die Schlagpunkte identisch, entscheidet das längste Ries (Ries: Total 1. Streich, Total 2. Streich etc.). Ein Unentschieden als Spielresultat kommt daher praktisch nicht vor.

Zusätzlich zur Mannschaftswertung wird bei der Schweizer Meisterschaft und bei Festanlässen eine Einzelschlägerwertung geführt. Maßgeblich für die Einzelschlägerwertung sind bei Festanlässen die geschlagenen Punkte. Die komplexere Wertung in der Meisterschaft berücksichtigt zusätzlich Rangpunkte aus den einzelnen Spielen, um Mannschaften mit vorteilhaften Spielfeldern nicht zu begünstigen.

Bei Hornusserfesten werden drei Umgänge gespielt – an Eidgenössischen Hornusserfesten vier. Dabei heißt der erste Umgang – bei den eidgenössischen Festen die ersten zwei Umgänge – Anhornussen (analog der „Qualifikationsrunde“ bei anderen Sportarten). Für die verbleibenden Umgänge (den Ausstich) werden die Gegner dem Resultat des Anhornussens entsprechend neu eingeteilt.

Während bei Hornusserfesten mit drei gespielten Umgängen der Wettkampf am selben Tag abgeschlossen wird, findet der Ausstich beim Eidgenössischen Fest am Folgetag statt.

Physik

Bei Versuchen der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) wurden die folgenden Werte gemessen[1]:

  • Flugweite des Nouss: bis 330 Meter
  • Flughöhe des Nouss: bis 70 Meter
  • Geschwindigkeit bei Abschlag: bis 306 km/h
  • Geschwindigkeit bei Aufprall: bis 160 km/h

Die Flugweite des Nouss ist stark von den Windverhältnissen abhängig. Bei günstigen Bedingungen können Spitzenschläger auch höhere Weiten (bis ca. 350 m)[2] erreichen.

Begriffe

Anmessen 
Anzeigen der Schlagbereitschaft des Schlägers durch einen absichtlich zu hoch angesetzten Schlagversuch (Nouss wird nicht getroffen). Dient dem Schläger auch als Lockerungs- und Konzentrationsübung. Ist zwingend vorgeschrieben.
Anzeigen 
Melden der Flugbahn/Höhe/Geschwindigkeit und des vermuteten Landeortes des einfliegenden Nouss durch lautes Rufen und mit hochgehaltener und quergestellter Schindel an die anderen Spieler im Ries.
Abtun  
Stoppen des anfliegenden Nouss mit der Schindel. Entweder "gefaustet" (die Schindel bleibt in der Hand) oder "gestochen" (die Schindel wird hochgeworfen). Der Begriff "Abtun" wird im Schweizerdeutschen auch für die Tötung kranker Tiere verwendet.
Bock  
Abschlagrampe aus Aluminium oder Stahl/Chromstahl
Gesellschaft 
Mannschaft, bestehend aus mehreren Spielern, wovon (je nach Spielmodus) 16 bis 20 Personen an einem Spiel teilnehmen.
Horn  
Trinkhorn mit 1-2 Liter Fassungsvermögen. Traditioneller Preis für die erstrangierten Mannschaften eines größeren Festanlasses. Wird später meist im "Kranzkasten" (Trophäenvitrine) des Stammlokals der Mannschaft ausgestellt.
Hornuss/Nouss 
(Genus: i.a. maskulin „der Nouss“, ev. auch das Nouss) Ursprünglich aus Holz oder Horn gefertigte Scheibe, welche ins Ries geschlagen wird. Der Begriff „Hornuss“ leitet sich vom Wortstamm Horn ab. Den gleichen Wortstamm haben verschiedene ausgestorbene Spiele wie Hürnen, Hora schlagen, Horniggle, Horranus etc. Der Nouss wird heute aus Kunststoff hergestellt (Spritzguss) und hat ein Gewicht von 78 Gramm. Für Spiele darf ausschließlich der von zertifizierten Herstellern gefertigte, als Hornuss 98 bezeichnete Nouss verwendet werden.
Nummer  
Nouss, der nicht durch Schindel gestoppt wird, sondern innerhalb des Spielfeldes zu Boden kommt. Zählt für die Bewertung der Mannschaftsleistung.
Punkte  
Schlagweite der Streiche über 100 Meter (pro zusätzliche 10 Meter ein Punkt). Wird für Bewertung der Einzelleistung und der Mannschaftsleistung verwendet. Mannschaften der Nationalliga A erzielen in einem Spiel zwischen 1300 und 1100 Punkte, Mannschaften der Nationalliga B zwischen 1200 und 1000 Punkte.
Ries  
Trapezförmiges Spielfeld von 200 m Länge. Das Spielfeld beginnt 100 m vom Abschlagort (Bockstand) und hat dort eine Breite von 10 m, 300 m vom Abschlagort ist die Breite 15 m. Die Länge des Spielfelds ist vom Spielmodus abhängig. Der Bewuchs des Spielfelds ist ebenso wenig normiert wie die Anforderungen an das Gelände. Auch wenn heute Rasenplätze vorherrschen wird bei Festanlässen meist auf abgeernteten Äckern gespielt. Ein ebenes Spielfeld ist zwar die Regel, es existieren jedoch auch regelmässig bespielte Plätze bei denen zwischen Abschlagort und Spielfeldende 30 m Höhendifferenz bestehen (Biglen, Gfell). Der Begriff "Ries" wird auch für das Punktetotal der einzelnen Streiche (Total 1. Streich, Total 2. Streich etc.) der Mannschaft verwendet.
Schindel 
Abfangschaufel (in der Form ähnlich einer Bäckerschaufel). Wird verwendet, um den fliegenden Nouss vor dem Fall auf den Boden zu stoppen. Die Schindel besteht meist aus schichtverleimtem Holz oder aus Kunststoff. Der Einsatz von Kunststoffschindeln ist seit 2009 nur noch im Training und bei Wettspielen zugelassen.
Stärkeklasse
Anhand der Festresultate berechnete Spielstärkeklasse einer Mannschaft. Wird für die Einteilung bei Hornusserfesten verwendet. Nicht zu verwechseln mit der Ligazugehörigkeit (Meisterschaft).
Stecken  
Ursprünglich Weidenrute mit am Ende befestigtem runden Hartholzklotz (Träf). Heute meist aus Karbonfaser oder Fiberglas gefertigt. Maximallänge (3 Meter) und Minimaldurchmesser (3.6 Millimeter) sind festgelegt. Jeder Spieler benutzt seinen eigenen Stecken.
Streich  
Einzelner Schlag.
Träf  
Runder Klotz aus gepresstem Hartholz (vgl. Stecken). Das Gewicht des Träfs liegt meist zwischen 250 und 300 Gramm. Maximal sind 350 Gramm erlaubt.
Wettspiel
Freundschaftsspiel, auch Bezeichnung für den Wetteinsatz.
Zieli  
Markierungstafeln am Spielfeldrand. Dienen der Spielfeldbegrenzung, der Schlagweitenbestimmung und der Orientierung der für einen bestimmten Bereich des Spielfelds eingeteilten Spieler der abtuenden Mannschaft.

Verletzungen

Der 78 Gramm schwere Nouss trifft mit bis zu 160 km/h im Ries ein. Trotz fehlender Verpflichtung zum Tragen von Schutzausrüstung (Helmpflicht nur für Spieler mit Jahrgang 1984 oder jünger) sind Verletzungen durch direkte Körpertreffer selten. Dies ist unter anderem auch einer veränderten Spielphilosophie zu verdanken: in den Zeiten ohne festes Regelwerk (vor 1900) wurden Körpertreffer häufig höher gewertet als Nummern. Auch lag das Spielziel eher darin den Gegner durch Nummern als über die Schlagweite zu besiegen. Das absichtliche Schlagen des Nousses in eine flache (den Horizont kaum übersteigende) Flugbahn wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Einführung der Schussblende (siehe Fotografie) verhindert. Eine weitere Regeländerung strich das Recht auf einen zusätzlichen Schlag nach einer gefallenen Nummer.

Geschichte

Die Ursprünge des Hornussens sind nicht geklärt. In der Literatur (Jeremias Gotthelf) sind Hornusserspiele bereits im 19. Jahrhundert beschrieben. Damals war das Hornussen ein spielerischer Wettkampf zwischen Jungbauern im Emmental und wurde hauptsächlich im Herbst auf den abgeernteten Äckern gespielt. Die Regeln wurden jeweils vor Spielbeginn zwischen den Mannschaften vereinbart. Spieleinsatz war ein Zvieri (inkl. Getränke), welches die Verlierergesellschaft der Gewinnenden ausrichten musste. Im Anschluss an die Spiele wurden, befeuert durch Regelstreitigkeiten und Alkoholkonsum, häufig Raufereien ausgetragen. Dies und die Tatsache, dass die Spiele meist am Sonntag stattfanden (was den Kirchgang tangierte), führte zu einigen Verbotsversuchen durch die Obrigkeit.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte auch beim Hornussen die Vereinsbildung und Reglementierung ein. 1902 wurde der nationale Dachverband (Eidgenössischer Hornusserverband) gegründet. Der Eidgenössische Verband und seine regionalen Unterverbände organisieren die Meisterschaft der Nationalligen A und B sowie der restlichen fünf Ligen, das alle drei Jahre stattfindende Eidgenössische Hornusserfest, das Hornussen am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest sowie die jährlich stattfindenden Unterverbands- und interkantonalen Feste.

Zvieri und Wettspiel

In den Ursprüngen des Hornussens oblag es der verlierenden Gesellschaft, das nach dem Spiel eingenommene Zvieri (Brotzeit) zu bezahlen. Heute schließen die Mannschaften stattdessen eine Wette über den Spielausgang ab. Der Einsatz liegt bei 50 bis 100 CHF pro Spiel. Diese Wetten sind auch bei reinen Freundschaftsspielen üblich, weshalb diese als Wettspiele bezeichnet werden. Es ist ebenfalls üblich, dass einzelne Spieler ähnlicher Spielstärke über die geschlagenen Punkte um ein Bier wetten.

Etikette

  • Es gilt als unpassend, dass die schlagende Mannschaft nach dem Fallen eines Nummer jubelt.
  • Das absichtliche „Suchen“ eines Nummer durch zu hohes bzw. zu tiefes Setzen des Nouss (ergibt, auf Kosten der Schlagpunkte, unüblich hohe oder sehr flache Flugbahn) ist zwar regelkonform, aber verpönt.
  • Zuschauer verhalten sich beim Bock ruhig. Jede Störung der Konzentration des Schlägers ist zu vermeiden.

Einzelnachweise

  1. ehv.ch: Schlagen, Zugriff am 27. Januar 2010
  2. Rangliste des 53. Mittelländisch-Westschweizerischen Hornusserfestes. Abgerufen am 27. Januar 2010 (PDF-Datei).

Weblinks


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