Horst Ludwig Wessel

Horst Ludwig Wessel
Horst Wessel, 1929

Horst Ludwig Wessel (* 9. Oktober 1907 in Bielefeld; † 23. Februar 1930 in Berlin) war SA-Sturmführer und schrieb den Text zum Horst-Wessel-Lied, das kurz nach seinem Tod zur offiziellen Parteihymne der NSDAP wurde und dann von 1933 bis 1945 als inoffizielle Hymne stets nach dem Deutschlandlied gesungen wurde.

Inhaltsverzeichnis

Jugend und Werdegang

Horst Wessel war der Sohn des evangelischen Pastors Dr. Wilhelm Ludwig Georg Wessel (1879–1922), der von 1906 bis 1908 in der Bielefelder Pauluskirche und ab 1913 an der historisch wichtigen Berliner Nikolaikirche wirkte. Wessels Eltern blieben auch nach der Novemberrevolution 1918 stets kaiserlich gesinnt. Horst Wessel studierte zunächst vier Semester Jura und war Mitglied im Corps Normannia Berlin und Corps Alemannia Wien[1], gab das Studium dann jedoch auf und war nach 1928 Hilfsarbeiter. Er arbeitete unter anderem als Taxifahrer und als Schipper beim U-Bahnbau.

Eintritt in die NSDAP und in die SA

Wessel an der Spitze seines SA-Sturms.

1926 trat Wessel in die NSDAP und die SA ein, ab 1929 war er außerdem SA-Sturmführer des SA-Sturms 5 in Berlin. Im selben Jahr hatte er in der nationalsozialistischen Zeitschrift Der Angriff erstmals sein Gedicht „Die Fahne hoch, die Reihen dicht (später geändert in: fest) geschlossen!“ veröffentlicht, das später mit der Melodie eines Seefahrerliedes unterlegt zum Horst-Wessel-Lied wurde.

Tod

Die genauen Hintergründe seines Todes sind bis heute ungeklärt. Die Justiz kam zu der Auffassung, dass Horst Wessel am 14. Januar 1930 von Albrecht Höhler, einem aktiven Mitglied der KPD, und weiteren Kommunisten in seiner Wohnung aufgesucht wurde und Albrecht Höhler Horst Wessel beim Öffnen der Tür in den Kopf schoss.[2] Eine andere Variante besagt, dass Horst Wessel bei einer Schießerei zwischen zwei Zuhälterbanden zwischen die Fronten geriet und dabei getroffen wurde. Wessel wurde zwar sofort in ein Krankenhaus eingeliefert, verstarb aber dort am 23. Februar.

Schuldfrage

Beisetzung Horst Wessels in Berlin, 1930

Die KPD wies jede Schuld an dem Verbrechen von sich und gab an, es handelte sich um einen privaten Streit zwischen der Vermieterin Salm, welche von Hilde Benjamin verteidigt wurde, und der ehemaligen Prostituierten Erna Jänicke, mit der Wessel in deren Wohnung zusammen lebte. Der verstorbene Gatte der Vermieterin Salm war aktives KPD-Mitglied gewesen, und es war somit durchaus möglich, dass sich die Vermieterin mit der Bitte um handfeste Unterstützung im Streit mit der Freundin des bekennenden Nationalsozialisten Wessel an Parteifreunde ihres Gatten gewandt haben könnte.

Ebenso denkbar ist auch ein Vergeltungsakt der Kommunisten an Wessel, denn am selben Tag war zuvor Camillo Ross, ein 17-jähriger Jungkommunist, von SA-Männern ermordet worden, wobei Wessel als SA-Führer in das Umfeld des Mordes verwickelt und eine der bekannteren Personen der örtlichen NSDAP war.

Angeführt kann ebenfalls werden, dass die tödlichen Schüsse auf Wessel aus den eigenen Reihen hätten kommen können, da angenommen werden kann, dass er nach dem Tod seines Bruders und einem Streit mit seinen Kameraden wegen seiner ehemals prostituierten Freundin, aus der SA aussteigen wollte.[3]

Albrecht Höhler und seine Mittäter wurden bereits kurz nach der Tat verhaftet. Höhler wurde wegen Totschlags zu sechs Jahren und einem Monat Zuchthaus verurteilt. Die Rote Hilfe unterstützte zwar die Angeklagten bei der Verteidigung, die KPD distanzierte sich jedoch von ihnen. Weitere Beteiligte erhielten Bewährungsstrafen. Als die Nazis 1933 die Macht übernahmen, wurde Höhler während eines Gefängnistransportes von SA-Männern entführt und erschossen.

Stilisierung zum Märtyrer

Beisetzung Horst Wessels in Berlin, 1930

Die NSDAP (damals noch in der Opposition) nutzte Wessels Tod propagandistisch: er wurde zum „Märtyrer der Bewegung“ verklärt. Nach der Machtübernahme wurde der Berliner Bezirk Friedrichshain in „Horst-Wessel-Stadt“ umbenannt und trug diesen Namen bis 1945. Das Krankenhaus am Rande des Volksparks Friedrichshain, in dem Wessel verstorben war, erhielt den Namen „Horst-Wessel-Krankenhaus“. Der damalige Bülowplatz (heute Rosa-Luxemburg-Platz) in Berlin-Mitte wurde in „Horst-Wessel-Platz“, sowie die dortige U-Bahn-Station Rosa-Luxemburg-Platz, die Volksbühne und das heutige Karl-Liebknecht-Haus, umbenannt. Viele andere deutsche Plätze und Straßen wurden ebenfalls nach Wessel benannt, unter anderem in seiner Geburtsstadt Bielefeld die heutige August-Bebel-Straße, an der die Pauluskirche steht, in der sein Vater früher tätig war. Einer Division der Waffen-SS, der 18. SS-Freiwilligen-Panzergrenadier-Division, wurde der Beiname „Horst Wessel“ verliehen. Am 17. September 1934 wurde in Dresden mit großem, propagandistischen Aufwand die Knabenberufsschule Altstadt als „Horst-Wessel-Schule“ eröffnet.[4][5] Im Rahmen der Blut und Boden-Politik der Nationalsozialisten wurde ein neu eingedeichter Koog auf der Halbinsel Eiderstedt mit Horst-Wessel-Koog (heute: Norderheverkoog) benannt. Auch der zweite Segelschulschiffbau der Kriegsmarine erhielt den Namen Horst Wessel (heute: Eagle, United States Coast Guard, USA).

Abgesehen davon, dass das von Goebbels geleitete Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda den Mord im Rahmen von NSDAP-Propaganda politisierte und aus Horst Wessel einen nationalsozialistischen Helden machte, wurde das Schicksal des ehemaligen Studenten von dem bekannten Schriftsteller Hanns Heinz Ewers in dem Roman Horst Wessel (Stuttgart: Cotta, 1932) aufgegriffen. Dieser wurde später (1933) verfilmt, wobei aus rechtlichen Gründen der Name des Protagonisten in Hans Westmar geändert wurde. Im Umlauf befindliche Ausschnitte dieses NS-Propagandafilms, die die angebliche Störung des Trauerzugs und die Schändung des Sargschmucks durch Kommunisten zeigen, sind nicht authentisch.

Grabschändung im Februar 2000

Eine Gruppe, die sich selbst die „Autonomen Totengräber“ nannte, hatte anlässlich seines 70. Todestages im Jahre 2000 angeblich den Totenschädel Horst Wessels ausgegraben und diesen in die Spree geworfen. Laut Polizei wurde damals allerdings nur oberflächlich gegraben, so dass bis heute nicht geklärt ist, ob Horst Wessel nun mit oder ohne Kopf im Grab liegt oder ob eventuell stattdessen das Grab seines Vaters, in das er gebettet worden war, geschändet wurde.

Verwandte Themen

Literatur

  • Jay W. Baird: Goebbels, Horst Wessel, and the Myth of Ressurection and Return, in: Journal of Contemporary History 17 (1982), S. 633-650.
  • Jay W. Baird: To Die for Germany. Heroes in the Nazi Pantheon, Bloomington (Ind.) 1990 (ISBN 0-253-20757-6).
  • Sabine Behrenbeck: Der Kult um die toten Helden. Nationalsozialistische Mythen, Riten und Symbole 1923 bis 1945, Vierow b. Greifswald 1996 (ISBN 3-89498-006-0).
  • Manfred Gailus: Vom Feldgeistlichen des Ersten Weltkriegs zum politischen Prediger des Bürgerkriegs. Kontinuitäten in der Berliner Pfarrerfamilie Wessel, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 50 (2002), S. 773-803.
  • Manfred Gailus: Das Lied, das aus dem Pfarrhaus kam. "Die Fahne hoch!" 1933 wurde das Horst-Wessel-Lied zur zweiten Nationalhymne. Seine Geschichte verrät viel über die Verirrungen des deutschen Protestantismus, in: Die Zeit Nr. 39 v. 18. Sept. 2003, S. 86.
  • Heinz Knobloch: Der arme Epstein: Wie der Tod zu Horst Wessel kam, Berlin 1996 (ISBN 3-7466-8021-2).
  • Imre Lazar: Der Fall Horst Wessel, Stuttgart 1980 (ISBN 3-7630-1194-3).
  • Thomas Oertel: Horst Wessel – Untersuchung einer Legende, Köln 1988 (ISBN 3-412-06487-4).
  • Ralf Georg Reuth (Hg.): Joseph Goebbels Tagebücher, Bd. 2: 1930-1934, München 1999 (ISBN 3-492-04115-9).
  • Jochen von Lang: Und willst du nicht mein Bruder sein..., Darmstadt 1989 (ISBN 3-552-04119-2)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Horst Grimm/Leo Besser-Walzel, Die Corporationen, Frankfurt am Main, 1986
  2. zukunft-braucht-erinnerung.de
  3. Süddeutsche Zeitung: NS-Mythos Horst Wessel - Der Sänger des Herrenvolkes, 08.10.2008.
  4. Geschichte des BSZ für Agrarwirtschaft "Justus von Liebig"
  5. Geschichte des Beruflichen Schulzentrums für Technik "Gustav Anton Zeuner" Dresden

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