Hugo Spatz

Hugo Spatz

Hugo Spatz (* 2. September 1888 in München; † 27. Januar 1969 in Frankfurt a.M.) war ein deutscher Neuropathologe.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Walther Spielmeyer und sein Team, 1927. Stehend (v.l.n.r.): Eversbusch, Julius Hallervorden, Quast, Oskar Gagel, Kutter, Yushi Uchimura, Yushi Funakawa, Metz, Deisler. Sitzend: Adele Grombach, Gamper, Eduard Gamper, Spielmeyer, Hugo Spatz, unbekannt, unbekannt.

Hugo Spatz wurde 1888 in München geboren und studierte Medizin an den Universitäten München und Heidelberg. In Heidelberg hatte er Gelegenheit, in dem Laboratorium von Franz Nissl zu arbeiten. 1909 wurde er Mitarbeiter in der anatomischen Abteilung der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in München unter Emil Kraepelin. Er arbeitete mit Nissl und Walther Spielmeyer zusammen. 1922 beschrieb er zusammen mit Julius Hallervorden erstmals eine Krankheit, die Hallervorden-Spatz-Syndrom genannt wurde. Wegen der Verstrickungen der beiden Mediziner in die Verbrechen der NS-Euthanasie wird die Krankheit heute Neurodegeneration mit Eisenablagerung im Gehirn (NBIA, (engl. neurodegeneration with brain iron accumulation) genannt.

1923 habilitierte er sich in Psychiatrie. 1926 wurde er Oberarzt unter Kraepelins Nachfolger Oswald Bumke und im folgenden Jahr außerordentlicher Professor. Ab 1937 fungierte er in Nachfolge von Oskar Vogt als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung in Berlin-Buch. An diesem Institut wurden zwischen 1940 und 1945 etwa 700 Gehirne von Opfern des Euthanasie-Massenmordes an psychisch Kranken und geistig Behinderten untersucht.[1] Spatz, der 1938 Mitglied der NSDAP geworden war, gehörte zusammen mit Julius Hallervorden zu den Teilnehmern einer Aktion T4-Besprechung, in der über die Verwertung der Präparate der Euthanasieopfer beraten wurde.[2] 1941 beteiligte sich Spatz an einem DFG-Forschungsprojekt zur Luftfahrtmedizin mit der Bezeichnung Versuche über den Einfluß der Anoxämie (Sauerstoffmangel im Blut) auf den Zellgewebestoffwechsel der Hirnrinde und über die Wirkungen des Unterdrucks, die auf Menschenversuchen beruhten.[2] 1943 wurde Spatz zum Oberfeldarzt ernannt und gehörte als Hirnpathologe dem Stab des Chefs des Sanitätswesens der Luftwaffe an.[2] Spatz erhält 1943 außerdem die Ehrenmitgliedschaft in der Gesellschaft bulgarischer Neurologen und Psychiater in Sofia.[3]

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Spatz 1945 interniert, arbeitete aber bereits 1946 für das Aero Medical Center in Heidelberg.[2] Von 1948 bis 1957 leitete er das Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Gießen.[2] 1958 wurde er Direktor der Neuroanatomischen Abteilung des Max-Planck-Instituts.[2] 1959 wurde Spatz offiziell emeritiert, wirkte aber ab 1961 am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt am Main.[2] Der nach ihm benannte Hugo-Spatz-Preis der deutschen Gesellschaft für Neurologie, der seit 1975 für hervorragende Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Hirndurchblutung und des Hirnstoffwechsels vergeben wurde, wurde nach Bekanntwerden seiner Verstrickung in die Euthanasiemorde am 30. September 1999 in Adolf-Wallenberg-Preis umbenannt.[4] [5]

Werke (Auswahl)

  • Beiträge zur normalen Histologie des Rückenmarks des neugeborenen Kaninchens. Jena 1917
  • Über den Eisennachweis im Gehirn, besonders in Zentren des extrapyramidal-motorischen Systems. München 1921
  • Anatomische Beiträge zur Lehre von Pickschen umschriebenen Großhirnrinden-Atrophie (“Picksche Krankheit”). In: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie. 101/1926. S. 470−511 (mit K. Onari)
  • Physiologie und Pathologie der Stammganglien. In: Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie. Band 10. Berlin 1927
  • Enzephalitis. In: Handbuch der Geisteskrankheiten. Band 11(1). München 1930

Einzelnachweise

  1. Schmuhl, Hans-Walter: Medizin in der NS-Zeit: Hirnforschung und Krankenmord. In: Dtsch Arztebl 2001; 98(19): A-1240 / B-1058 / C-988 Volltext online
  2. a b c d e f g Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 589.
  3. Nachrichtenblatt der Deutschen Wissenschaft und Technik, Organ des Reichsforschungsrates (Hrsg.): Forschungen und Fortschritte. Personalnachrichten. Deutsche Wissenschaft und Ausland.. 19, 23/24, 1943, S. 252.
  4. Umbenennung in Adolf Wallenberg-Preis und Preisträger.
  5. Umbenennung, Artikel aus der „Zeit“ 08/2000

Literatur

  • August W. Holldorf: Negelein, Erwin. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, S. 31 f.
  • Biographien. Hugo Spatz. In: Heinz Bielka: Geschichte der medizinisch-biologischen Institute Berlin-Buch. Zweite Auflage. Springer-Verlag, Berlin und Heidelberg 2002, ISBN 978-3-540-42842-8, S. 178/179

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Spatz — ist eine verbreitete andere Bezeichnung für den Sperling, siehe Haussperling oder Feldsperling ein Kleinkraftrad aus der sogenannten „Vogelserie“ des ostdeutschen Fahrzeugherstellers „Simson Suhl“, siehe Simson Spatz die Typenbezeichnung für… …   Deutsch Wikipedia

  • Spatz — Hugo, German neurologist and psychiatrist, 1888–1969. See Hallervorden S. disease, Hallervorden S. syndrome …   Medical dictionary

  • Spatz — Haussperling; Sperling * * * Spatz [ʃpats̮], der; en und es, en: 1. Sperling: Spatzen lärmen vor dem Fenster; du isst wie ein Spatz (sehr wenig). 2. (fam.) [schmächtiges] kleines Kind: unser Spatz ist zurzeit krank; na, du kleiner Spatz… …   Universal-Lexikon

  • Hallervorden-Spatz-Syndrom — Klassifikation nach ICD 10 G23.0 Neurodegeneration mit Eisenablagerung im Gehirn Hallervorden Spatz Syndrom Pigmentdegeneration des Pallidums …   Deutsch Wikipedia

  • Hallervorden-Spatz disease — A genetic disorder in which there is progressive neurologic degeneration with the accumulation of iron in the brain. The gene for the disease is on chromosome 20 in region 20p13 p12.3. The syndrome was first described by Julius Hallervorden and… …   Medical dictionary

  • Hallervorden-Spatz-Krankheit — Hạllervorden Spạtz Krankheit [nach den dt. Neurologen Julius Hallervorden (1882 1965) und Hugo Spatz (1888 1969)]: erbliche Krankheit, in deren Verlauf es infolge Schwundes der ↑Ganglienzellen zu Muskelstarre an Beinen, Armen u. im Gesicht,… …   Das Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke

  • Liste der Biografien/Sp — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Julius Hallervorden — Julius Hallervorden, ca. 1930 Julius Hallervorden (* 21. Oktober 1882 in Allenberg/Ostpreußen; † 29. Mai 1965 in Frankfurt a.M.) war ein deutscher Arzt und Hirnforscher. In der Zeit des Nationalsozialismus arbeitete er am Kaiser Wilhelm Institut… …   Deutsch Wikipedia

  • Pantothenate kinase-associated neurodegeneration — Classification and external resources Pantetheine ICD 10 G …   Wikipedia

  • HSS-Syndrom — Klassifikation nach ICD 10 G23.0 Neurodegeneration mit Eisenablagerung im Gehirn Hallervorden Spatz Syndrom Pigmentdegeneration des Pallidums …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”