Hydrierte Kohlevergasung

Hydrierte Kohlevergasung

Verfahren der Kohleverflüssigung sind Verfahren, welche aus fester Kohle flüssige petrochemische Produkte gewinnen. Die Verfahren werden entsprechend der international üblichen Benennung häufig auch als Coal-to-liquid-, kurz CtL-Verfahren bezeichnet. Man unterscheidet indirekte Verfahren, denen eine Kohlevergasung vorausgeht (z. B. Fischer-Tropsch-Synthese) und die direkte Hydrierung von Kohle (Bergius-Pier-Verfahren). Neuere experimentelle Verfahren benutzen Wasser als gleichzeitig hydrierendes und oxidierendes Medium.

Inhaltsverzeichnis

Verfahren

Bei der Kohlehydrierung nach dem Bergius-Pier-Verfahren werden aus Kohle (C) und Wasserstoff (H2) in einer exothermen chemischen Reaktion Kohlenwasserstoffe erzeugt. Das Produktspektrum hängt von der Reaktionsbedingungen (Wasserstoffdruck, Temperatur, Verweilzeit) und der Reaktionsführung (Sumpfphasenhydrierung oder Gasphasenhydrierung) ab, es werden vorwiegend flüssige Fraktionen erhalten, die als Kraftstoffe verwendet werden. Beim Fischer-Tropsch-Verfahren wird die Kohle zunächst in der Kohlevergasung mit Wasserdampf und Luft oder Sauerstoff zu Synthesegas umgesetzt, welches anschließend katalytisch zu Kohlenwasserstoffen und Wasser umgesetzt wird.

Endprodukte sind:

Wegen des hohen Energieaufwandes und der damit einhergehenden CO2-Freisetzung bereits bei der Herstellung sind die erzeugten Stoffe deutlich klimaschädlicher als entsprechende Erdölprodukte. Im Falle von Fischer-Tropsch-Kraftstoffen etwa liegt die gesamte CO2-Freisetzung im Bereich des Doppelten konventioneller Kraftstoffe.

Bedeutung

Die Verfahren der Kohleverflüssigung haben aus Kostengründen derzeit keine größere wirtschaftliche Bedeutung. Bei anhaltend hohen Erdölpreisen ist allerdings mit einer Änderung dieses Zustands zu rechnen.

Kommerziell werden nur in Südafrika drei Fischer-Tropsch-Anlagen von der Firma Sasol betrieben, die mit einer Produktion von 160.000 Barrel/Tag ungefähr ein Drittel des südafrikanischen Kraftstoffverbrauchs decken. Die Errichtung einer vierten Anlage ist vorgesehen. Das Syntheseprodukt kann hier zu einem Preis von ca. 25 $/Barrel erzeugt werden. Entscheidend hierfür sind neben einer über Jahrzehnte ausgereiften Verfahrenstechnik insbesondere die niedrigen Kohleförderkosten in unmittelbarer Nähe des Standortes sowie die niedrigen Lohnkosten.

Steigende Erdölpreise lassen mittlerweile auch an anderen Orten mit Kohlevorkommen mit geringen Förderkosten eine wirtschaftliche Produktion möglich erscheinen. In der Volksrepublik China gibt es Planungen zum Bau von zwei Kohleverflüssigungsanlagen in den Provinzen Ningxia und Shaanxi. Die Anlagen sollen eine Kapazität von jeweils 80.000 Barrel/Tag haben (ca. 12.720 m3/Tag) und mit der Technologie der südafrikanischen Firma Sasol arbeiten. In Australien plant Monash Energy, eine Kooperation von Anglo American und Shell, ein langfristig angelegtes Großprojekt, das einen neu zu erschließenden Kohleabbau, Kohleverflüssigung und CO2-Sequestrierung umfasst und schließlich ungefähr ein Viertel des australischen Kraftstoffbedarfs liefern könnte.

Für Europa und Nordamerika wird damit gerechnet, dass bei einem bei 25-45 US-$ [1] je Barrel liegenden Ölpreis eine Kohleverflüssigung im großtechnischen Maßstab wirtschaftlich sein könnte. Hier bestünde zwar immer ein Kostennachteil gegenüber günstigen Kohlelagerstätten, es sind allerdings auch strategische Überlegungen von Bedeutung. Die amerikanische Luftwaffe (USAF) startete im September 2006 Testflüge mit B-52 Bombern, die teilweise durch synthetischen Kraftstoff angetrieben werden. Hintergrund hierzu ist die Verringerung der Abhängigkeit der Landesverteidigung von Ölimporten.

Geschichte

Bereits 1913 patentierte Friedrich Bergius ein Verfahren zur Herstellung von flüssigen oder löslich organischen Verbindungen aus Steinkohle und dergleichen, für das er 1931 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Das Kohleverflüssigungsverfahren von Bergius lieferte "aus 100 kg Steinkohle und 40 kg Schweröl, das aus dem Prozess stammte, unter Zusatz von 5 kg Eisenoxid und 5 kg Wasserstoff bei 120-150 at und 450 bis 480 °C etwa 30 kg Leichtöle und 50 kg Schweröle und Asphalt, neben 20 kg Gas, hauptsächlich Methan und Ethan."[2] 1925 meldeten Franz Fischer und Hans Tropsch ein Verfahren zur indirekten Verflüssigung zum Patent an. Die deutsche chemische Industrie entwickelte in den 1920er Jahren beide Verfahren zur großtechnischen Reife und nahm einige Anlagen in Betrieb, die jedoch nicht wirtschaftlich arbeiten konnten, insbesondere nicht nach einem Rückgang der Erdölpreise.

Autarkiebestrebungen in Deutschland

Erstmals größere Bedeutung erlangten Verfahren der Kohleverflüssigung in der Zeit des Nationalsozialismus zur Herstellung von synthetischem Benzin. Neben der geringen, damals aber noch nennenswerten, deutschen Ölförderung standen nur Erdölreserven in Rumänien bedingt zur Verfügung. Leit-Werk waren die Leunawerke der I.G. Farben bei Merseburg. Zwischen 1936 und 1940 wurden 8 große Kohleverflüssigungsanlagen gebaut, weitere drei folgten bis 1943. Die Gesamtkapazität der Kohlehydrierungsanlagen lag bei etwa 4 Mio. Tonnen Kohlenwasserstoffe / Jahr. [3] Neben Hydrierwerken nach dem Bergius-Verfahren wurden auch Anlagen nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren gebaut. Die beiden größten Bergius-Pier-Anlagen mit jeweils 600.000 t/a befanden sich in den Leunawerken sowie in Pölitz (heute Police (Polen)); die größte Fischer-Tropsch-Anlage in Ruhland-Schwarzheide (210.000 t/a) [4]. Nach der systematischen Zerstörung der Anlagen durch alliierte Luftangriffe seit Mai 1944 wurden Anlagen auch unterirdisch errichtet (Geilenberg-Programm). Teilweise fand die Produktion mit Zwangsarbeitern [5] und in KZ-Außenlagern statt [6].

In Westdeutschland wurde nach dem Krieg die Kohleverflüssigung wegen der konkurrenzlos niedrigen Erdölpreise nicht fortgeführt. In der DDR wurde sie, obwohl ebenfalls „untragbar unwirtschaftlich“, dagegen erst Anfang der 1970er Jahre endgültig aufgegeben. Aufgrund des kurz danach einsetzenden Ölpreisanstiegs war jedoch eine Wiederaufnahme der Kraftstoffsynthese aus Braunkohle zu Exportzwecken mit verbesserten Verfahren noch bis zum Zusammenbruch der DDR Bestandteil der strategischen Planung des Ministerrats.

In der Bundesrepublik Deutschland kam es in der Folge der Ölkrise von 1973 im 1974 von der Bundesregierung beschlossenen Programm Energieforschung zur Errichtung von sieben Pilotanlagen zur Kohleveredelung (Vergasung und Verflüssigung), die von 1977 bis 1980 in Betrieb gingen. Ab 1980 wurden 14 großtechnische Anlagen mit einem Gesamtverbrauch von 22 Mio. Tonnen Stein- und Braunkohle pro Jahr geplant. Der Rückgang der Ölpreise Mitte der 1980er Jahre machte diese Planungen jedoch hinfällig. Die Pilotanlagen gingen seither ebenfalls sukzessive außer Betrieb. Die Kohleölanlage Bottrop wurde zunächst noch umgestellt auf die Hydrierung von chemischen bzw. Kunststoffabfällen. Die letzte noch betriebene sehr kleine Anlage in Essen mit einer Produktion von ca. 200 kg/Tag wurde 2004 demontiert und für China Shenhua Energy in China wiederaufgebaut.

Durch die Entwicklung der Hochtemperaturreaktor-Technik war es ebenfalls angedacht, die notwendige Prozesswärme durch Kernreaktoren zu erzeugen und damit höhere Wirkungsgrade zu erzielen. Unter anderem erklärt der Zusammenhang HTR/CtL, warum in China und Südafrika die HTR-Technik weiterentwickelt wird. [7][8]

Ausbau von CtL-Anlagen in Südafrika

In der Republik Südafrika, die ebenfalls über ausreichend Kohleressourcen verfügte und Erdöl importieren musste, wurde aus politischen Gründen 1955 die erste moderne CtL-Anlage Südafrikas in Betrieb genommen. Gebaut wurde sie durch durch die Suid Afrikaanse Steenkool en Olie (Sasol) unter Beteiligung der deutschen Lurgi AG. Die Pilotanlage Sasol 1 wurde für etwa 6.000 barrel Kraftstoff pro Tag ausgelegt. Trotz sehr niedriger Kosten der vor Ort geförderten Kohle von Mpumalanga musste der erzeugte Kraftstoff bis in die 1960er Jahre subventioniert werden, schließlich machten zunehmende Verfahrensverbesserungen den Betrieb wirtschaftlich. Ab 1980 wurden die Kapazitäten deutlich ausgeweitet, bedingt durch die politische Entwicklung Südafrikas als Apartheidsregime und internationale Embargen.

So wurden 1980 und 1982 Sasol II und Sasol III in Betrieb genommen, damit stand eine Gesamtkapazität von 104.000 barrel/Tag zur Verfügung. Mit der politischen Öffnung wurde das Programm auf Erdgas als Rohstoffquelle ausgedehnt und 1995 und 1998 wurden weitere Kapazitäten für 124.000 barrel/Tag CtL- und GtL-Kraftstoff geschaffen.

Quellen

  1. www.faz.net
  2. Robert Haul: Friedrich Bergius (1884-1949), S. 62 in 'Chemie in unserer Zeit', VCH-Verlagsgesellschaft mbH, 19. Jahrgang, April 1985, Weinheim.
  3. Robert Haul: Friedrich Bergius (1884-1949), S. 64 in 'Chemie in unserer Zeit', VCH-Verlagsgesellschaft mbH, 19. Jahrgang, April 1985, Weinheim.
  4. https://kb.osu.edu/dspace/bitstream/1811/3612/1/V47N06_259.pdf
  5. http://www.vfkk.de/pdf/Zwangsarbeit.pdf
  6. Marlies Mrotzek, Das KZ-Aussenlager der Gelsenberg-Benzin AG, Taschenbuch)
  7. Beantwortung einer kleinen Anfrage im Bundestag zum Energieforschungsprogramm - insbesonder zur Kohleverflüssigung
  8. Mitteilungsblatt 2/2005der Arbeitsgemeinschaft für angewandte Forschung, Wiesbaden

Siehe auch

Weblinks


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