Högni

Högni
Hagen. Aus dem Nibelungenzyklus am Marmorpalais in Potsdam

Hagen ist eine Figur in verschiedenen Werken der Nibelungensage und mit ihr verwandter Sagen. Im Nibelungenlied trägt er den Beinamen "von Tronje", in der Thidrekssaga "von Troia".

Inhaltsverzeichnis

Etymologie Tronje

Von den Haupthandschriften des Nibelungenliedes schreiben die Hauptvertreter der beiden Fassungen, B und C, immer Tronege(Von Tronege Hagene, Hagen von Tronege, geborn von Tronege, helt von Tronege); die deutlich weniger sorgfältig geschriebene und spätere Handschrift A schreibt meist Trony (auch Troni und Tronie). Tronje ist die entsprechende neuhochdeutsche Form. In den Hauptquellen B und C steht der Name seiner Herkunft also im Dativ, wobei dann der Nominativ "Hagen" und "Troneg" lautet. "Tronje" ist folglich ein -allerdings gebräuchlicher - Irrtum; wenn nach einem Ort gesucht wird, dann nach Troneg.

Alle folgenden Versuche, ob sie eine Deutung des Namens oder die Heimat von Hagen betreffen, sind hoch spekulativ, mit mehr oder weniger einsichtigen Argumenten unterlegt. Zwar hat das "Nibelungenlied" einen historischen Kern, aber niedergeschrieben wurde es erst Jahrhunderte später, um 1200, wobei das mittelalterlich geprägte Wissen und die Intentionen des Verfassers mit einflossen.

Es gibt Vorschläge, den Beinamen Hagens an mehr oder weniger ähnlich klingende Ortsnamen anzuknüpfen. Insbesondere werden Namen, die nur lautliche Ähnlichkeit bieten, aber keine sinnvolle Anknüpfung an die Sage, von der Fachwissenschaft abgelehnt. Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Anklänge zufällig sind, ist groß, und sie geben vor allem nichts für die Deutung der literarischen Figur her. Der Dichter des Nibelungenliedes dachte wohl, Tronje sei ein realer Ortsname im Herrschaftsgebiet der Burgunden; aber ob er selbst genau wusste, wo dieser Ort zu lokalisieren sei, ist fraglich. Er kannte sich in der Gegend um Worms nicht besonders gut aus und machte Fehler in der Lokalisierung von Schauplätzen. Doch ist das für das Werk ganz unwesentlich; der Interpret sollte solche Dinge nicht wichtiger nehmen als der Autor.

Vorschläge, die trotzdem diskutiert werden, sind:

Der Namenszusatz 'von Tronje' könnte eine Abstammung vom griechischen Troja bedeuten, da es im spätantiken und frühmittelalterlichen Europa Mode war, sich solche Ahnen zuzuschreiben. Damit setzte man sich den Römern gleich.

Andere Vorschläge sind: Mehrfach wurde versucht, das Tronje des Nibelungenliedes mit einem realen Ortsnamen gleichzusetzen. Es existiert nun ein Ortsname, der in seiner keltischen Form Truncinas hieß und der im Laufe der Jahrhunderte folgende („romanische“) Schreibweisen aufwies: Truncinas (820822), Truncinis (1040) und Troncinium (1198). Sein heutiger französischer Name ist Tronchiennes. Wenn man den letzten Namen französisch ausspricht, so hat man fast den Namen Tronje. Im Neuniederländischen heißt der Ort nunmehr Drongen und liegt im Arrondissement Gent (Belgien). In dieser Gegend lokalisieren neuniederländische Autoren die Kudrunsage, da sich dort Orts- und Landschaftsnamen aus der Kudrunsage wie Wulpe Tenen (Tenemarke, Tenelant) und Orte finden. Nach dieser Interpretation könnte der Hagen des Nibelungenliedes mit dem Hagen des Kudrunliedes identisch sein.

Hagen und die Undine von Danubius, Gemälde von Johann Heinrich Füssli

„Tronje“ könnte auch auf die Colonia Ulpia Traiana verweisen, ein festes Militärlager der Römer gegen die rechtsrheinischen Germanen in der Nähe von Xanten (woher Siegfried kam).

Entfernt ähnlich klingt auch der Name eines kleinen Burgdorfes im Hunsrück, das heute Dhronecken heißt. Im Mittelalter Troneck genannt war es bereits eine Burg, im historischen Reich der Burgunden gelegen. In nicht allzu großer Entfernung davon finden sich Ortsnamen, die an weitere Figuren des Nibelungenliedes anklingen: Ein Verwandter Hagens ist Ortwin von Metz, ein Mitstreiter Hunold. Wenn man Burgen aus der Umgebung Dhroneckens hinzuzieht, lässt sich Hunold Hunoldispetra (heute Hunolstein), Hagen Dhronecken und Ortwin Metz zuordnen. Dies sind Orte, die für einen Reisenden, etwa aus Xanten kommend und über Metz nach Passau reisend, Tagesreisen aufeinander folgen.

Wenn man in die Etymologie auch die jeweilige Aussprache der Wörter miteinbezieht, wird eine Interpretation des Namens „Hagen von Tronje“ als „Haakon von Trondheim“ möglich. Trondheim wird auch heute noch im Norwegischen wie „Tronje“ ausgesprochen, der Name Haakon ist dort verbreitet. Abgesehen von den lautlichen Schwierigkeiten, bietet die Nibelungensage keine sachliche Anknüpfung an Trondheim. Diese Erklärungsmöglichkeit ist also wertlos.

Hagen in der Sage

Kriemhild zeigt Hagen das Haupt Gunthers, Gemälde von Johann Heinrich Füssli

Im Nibelungenlied erschlug Hagen erst mit List (Aushorchung Kriemhilds), dann mit Tücke (hinterrücks) den fast unverwundbaren Helden Siegfried an einer Quelle in den Vogesen oder im Odenwald. In der Thidreks saga ist dazu keine List nötig; Högni ersticht einfach Sigurd (entspricht dem deutschen 'Siegfried'), als dieser sich auf den Boden legt, um aus einem Bach zu trinken. In den übrigen skandinavischen Versionen der Nibelungensage ist Högni nicht der Mörder Sigurds.

In einem weiteren Sagenkreis, der Walthersage, wird seine langjährige Freundschaft mit Walther von Aquitanien im Kampf am Wasigenstein auf eine harte Probe gestellt. Der 'Waltharius manu fortis' und das Nibelungenlied schildern die Sage ähnlich: Walther von Aquitanien, Hagen und Hiltgunt werden dem Hunnenkönig Attila als Geiseln nach Pannonien gegeben. Hagen flieht (bzw. nach dem Nibelungenlied: wird von Etzel freiwillig heimgesandt), als Gunther auf den Thron gelangt. Als Walther und Hiltgunt aus der Geiselhaft fliehen, überqueren sie bei Worms den Rhein und werden erkannt. Gunther will Walther seinen Schatz abnehmen und befiehlt Hagen zu kämpfen, obwohl dieser mit Walther befreundet ist. Hagen weigert sich erst. Als Walther jedoch im Kampf Hagens Neffe tötet, nimmt auch Hagen den Kampf auf. Erst nachdem die drei (Hagen, Walther und Gunther) arg verstümmelt und kampfunfähig sind, endet der Kampf: Hagen verliert dabei ein Auge. Die Thidrekssaga bietet eine etwas andere Version der Walthersage.

In den altisländischen Atliliedern (Atli = der historische Attila; im Nibelungenlied: König Etzel) werden die Burgundenkönige von Atli, der den Nibelungenschatz an sich bringen will, an den Hof der Hunnen gelockt. Dort werden Högni (= Hagen) und Gunnar (= Gunther), die in der Edda Brüder sind, von einer Übermacht von Hunnen überwältigt. Atli versucht, Gunnar das Geheimnis zu entlocken, wo der Niflungenhort verborgen liegt. Gunnar fordert daraufhin den Tod Högnis, da erst sicher sein kann, dass man sie beide nicht gegen einander ausspielt, wenn nur mehr einer lebt. Erst als er Högnis blutiges Herz in Händen hält, verkündet er triumphierend, dass nun nurmehr er das Versteck wisse, und Atli es nie erfahren werde. Daraufhin lässt Atli Gunnar in eine Schlangengrube werfen.

Hagen im Nibelungenlied

Das Nibelungenlied verbindet ältere Sagenfassungen, die sich beispielsweise in der Edda im Atlilied niederschlagen und im deutschen Raum zuvor nur mündlich überliefert wurden, zu einer durchgehenden Verserzählung. Im Nibelungenlied ist Hagen nicht Gunthers Bruder, sondern entfernter Verwandter und wichtigster Berater des Königs.

Er gilt als heldenhafter Kämpfer und unverbrüchlich treu (die „Nibelungentreue“), doch auch als düster und verschlagen.

Bei Siegfrieds Ankunft in Burgund ist Hagen der einzige bei Hof, der den fremden Helden kennt. Bei einem Angriff sächsischer Truppen auf Burgund schlägt Hagen vor, Siegfried als Heerführer einzusetzen. Gemeinsam mit Siegfried wirbt Hagen für Gunther auf Isenstein um die Königin Brünhild.

Das gute Verhältnis zu Siegfried endet, als Hagen von Siegfrieds Vergehen an der Königin Brunhild erfährt: Hagen verspricht ihr, die erlittene Überwältigung durch den Tod Siegfrieds zu rächen. Nach Siegfrieds Tod versenkt Hagen dessen Schatz – den Nibelungenhort – im Rhein.

Kriemhild heiratet den Hunnenkönig Etzel und lockt ihre Verwandten an ihren Hof, um an Hagen Rache zu nehmen. Nach der Schlacht an Etzels Hof zwischen Hunnen und Burgunden am Ende des Nibelungenliedes stirbt Hagen als letzter der Helden durch Kriemhild, die ihm im Kerker mit Siegfrieds Schwert den Kopf abschlägt.

Hagen in der Thidrekssaga

In den isländischen Versionen der Thidrekssaga trägt "Högni", wie die nordische Namensform von Hagen lautet, auch den Zusatz "von Troia", in der altschwedischen Fassung wird die deutsche Namensform "Hagen" verwendet und ist gegen Ende des Textes meist mit "von Tröuia" und einmal mit "von Trönia" assoziiert[1]. Dort wird auch der Endkampf der Nibelungen gegen die Hunnen anders geschildert als z.B. im Nibelungenlied. Hagen wird in einem letzten Zweikampf mit „Thidrik af Berne“ (Dietrich von Bern) so schwer verwundet, dass er seinen Tod voraussieht. Er bittet Thidrik um die Gunst, seine letzte Nacht mit einer Frau zu verbringen. Die Frau, die ihm Thidrik zuführt, hat in der Saga keinen Namen. Am Morgen sagt Hagen/Högni zu der Frau: „Du hast einen Sohn empfangen, den Du nach seiner Geburt Aldrian nennen sollst.“ Außerdem übergibt er der Frau den Schlüssel zu Siegfrieds Schatzkeller.

Im Nibelungenlied ist Aldrian der Name von Hagens Vater. In den Handschriften A und B des Nl. ist die Schreibweise des Namens durchweg „ALDRIAN“. Der Autor von Handschrift C macht den Namen durchweg zu „Adrian“ (fünfmal) und verdoppelt die Anzahl der Zeilen (auf 10), in welchen A(L)DRIAN genannt wird, ohne den Inhalt der entsprechenden Zeilen jeweils zu ändern.

Hagen in Wagners Ring

In der Tetralogie Der Ring des Nibelungen von Richard Wagner ist Hagen der Sohn von Alberich, nachdem es diesem trotz seines Liebesfluchs gelungen war, ein Kind zu zeugen. Der Fluch wirkt in Hagen jedoch weiter („frühalt, fahl und bleich, hass’ ich die Frohen, freue mich nie!“), dem so bei aller Düsternis der Charakterzeichnung ein tragischer Zug nicht abgesprochen werden kann. Hagen betritt die Bühne der Handlung erst im letzten Werk der Tetralogie, der Götterdämmerung. Hier beherrscht er die Intrige, die Siegfried verleitet, sich trotz seiner Bindung an Brünnhilde mit Gutrune zu vermählen und Brünnhilde selbst für Gunther zu gewinnen. Ebenso ist Hagen die treibende Kraft bei dem Komplott zur Ermordung Siegfrieds. Sein Ziel ist dasjenige seines Vaters Alberich, der ihm nächtlich erscheint und darauf einschwört: den aus dem Rheingold geschmiedeten Nibelungenring zurück zu gewinnen. Nach Siegfrieds Tod tötet er im Streit um diesen auch Gunther, seinen Halbbruder. Als Brünnhilde den Ring an die Rheintöchter zurückgibt, versucht Hagen ihn an sich zu reißen und wird von den Rheintöchtern mit in die Tiefe des Rheins gezogen.

Deutung

Eine Deutung des Nibelungenthemas als Geschichte der Christianisierung Germaniens sieht in Hagen den alten heidnischen Glauben verkörpert.

Große Teile der Wissenschaft ziehen Parallelen zwischen der Hagengestalt und dem römischen Feldherrn Flavius Aëtius, der in Dorostorum geboren wurde und als Kind sowohl Geisel bei den Westgoten als auch am hunnischen Hof war. Die Burgunder kämpften in der Völkerschlacht auf den Katalaunischen Feldern 451 unter Aetius gegen Attila. Nach Merobaudes war Aetius ein gefürchteter Speerwerfer und in allen damaligen Reichen bekannt. Nach Frigeridus konnte er lange Nachtwachen ohne Schlaf bestreiten wie kein anderer. Alle diese Eigenschaften werden auch Hagen von Tronje zugeteilt.

Hagen in der Kudrun

Die Hagengestalt der Kudrunsage findet keine Parallele zur Gestalt Hagen von Tronjes. Die Hagengestalt der Kudrunsage ist eine Gestalt der nordischen Sage.

Hagen in der Dichtung und politischen Propaganda

Das Zwieschlächtige, zugleich Helden- und Schauderhafte an Hagen wurde in der Dichtung seit der Wiedererschließung des Nibelungenliedes im 19. Jahrhundert vielfach thematisiert (vgl. Friedrich Hebbel bis Agnes Miegel).

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges bezeichnete das Schlagwort der Nibelungentreue die Verbindung Deutschlands zu Österreich. Es bezieht sich auf die absolute Treue Hagens zu seinem Herrn Gunther und umgekehrt.

Die Germanenpropaganda des Nationalsozialismus hob Hagen als Sinnbild der Treue besonders hervor.

Wolfgang Hohlbein behandelt das Leben des Helden in seinem Buch „Hagen von Tronje“, in dem Hagen, nicht Siegfried, die Hauptrolle spielt. Der amerikanische Autor Stephan Grundy erzählt in dem Roman Attila’s Treasure (dt.: Wodans Fluch) die Erlebnisse des jugendlichen und jungen Hagen vor den Ereignissen des Nibelungenliedes. Grundy vermischt dabei verschiedene Inspirationsquellen wie die Edda, das Libretto zu Wagners „Ring“ und tatsächliche historische Fakten über die damaligen Lebensweisen der Hunnen und Germanen.

Literatur

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  • Gerd Backenköhler: Untersuchungen zur Gestalt Hagens von Tronje in den mittelalterlichen Nibelungendichtungen. Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn 1961
  • Heinz Cüppers: Die Römer in Rheinland-Pfalz. Theiss Verlag, Stuttgart 1990
  • P. Stockmann: Geschichtsatlas. Bochum.
  • Wolfgang Hohlbein: Hagen von Tronje.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Heinz Ritter-Schaumburg: Die Didriks-Chronik, Otto Reichl Verlag, St Goar, 1989. ISBN 3876671027

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