- Ibn Ishāq
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Muhammad ibn Ishaq (محمد بن إسحاق, DMG Muḥammad b. Isḥāq) (* um 704 in Medina; † 767 oder 768 in Bagdad) war ein muslimischer Historiker, bekannt vor allem durch seine Biographie über das Leben des Propheten Mohammed.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Er war der Enkel von Yasār, der einer der ersten Gefangenen von ʿAyn at-Tamr im Irak[1] im Jahre 633-634 auf einem Feldzug von Chalid ibn al-Walid war, und nach Mekka gesandt wurde, wo er an Qays ibn Machrama ibn al-Muṭṭalib ibn ʿAbd Manāf ibn Quṣayy versklavt wurde. Zum Islam konvertiert, wurde Yasār freigelassen und zu dessen Maulā, so erhielt er die nisba al-Muṭṭalibī. Seine drei Söhne waren alle als Verbreiter historischer Nachrichten bekannt.
Muhammad ibn Ishaq trat in die Fußstapfen seiner Onkel und seines Vaters und spezialisierte sich in der Sammlung der Geschichten und Legenden über das Leben der Propheten, über die Erschaffung der Welt und die Geschichten der arabischen Stämme in der vorislamischen Zeit.[2].
Zunächst wirkte er in Medina; im Jahre 733 hielt er sich in Alexandria auf, wo er sich dem Studium des Hadith widmete. Gegen 749 verkehrte er wieder in Gelehrtenkreisen seiner Heimatstadt Medina, wo er den Traditionarier Sufyān b. ʿUyaina traf,[3] der nach ihm Traditionen überlieferte und seine Gelehrsamkeit schätzte.[4] Es war wohl nicht die Machtübernahme der Abbasiden, die ihn dazu veranlasst haben soll, Medina gegen 749-750 zu verlassen[5] und nach Al-Hira, Rayy und schließlich nach Bagdad auszuwandern, sondern die Feindschaft der öffentlichen Meinung in der Stadt, die ihm vorwarf, Urheber von Legenden und Gedichten über den Propheten Mohammed gewesen zu sein.[6] Unter den Medinensern ist namentlich Malik ibn Anas zu nennen, welcher ihn verdächtigt haben soll, schiitische Neigungen gehabt und die Lehre der Willensfreiheit des Menschen[7] vertreten zu haben.
Werke
Ibn Ishāqs historische Schriften werden auch unter dem Titel „Das große Buch“ (al-kitāb al-kabīr) genannt, das aus drei Teilen bestand: aus dem Mubtadaʾ: es behandelt den Zeitraum von der Weltschöpfung bis zum Auftreten Mohammeds; aus dem Mabʿaṯ: die „Sendung“ Mohammeds, d. h. die mekkanische Periode der Prophetie; aus dem Maġāzī: die medinensische Periode und die Feldzüge des Propheten. Er soll sein Werk auf Befehl des Kalifen al-Mansur (regiert zwischen 754-775) für den späteren Kalifen al-Mahdi (regiert zwischen 775-785) verfasst haben.[8] Einige Biographen fügen auch das „Buch der Kalifen“ (Kitāb al-ḫulafāʾ) diesem Sammelwerk hinzu. Ibn an-Nadim standen die Werke Ibn Ishāqs unter den folgenden Titeln zur Verfügung: Kitāb al-ḫulafāʾ (Das Buch der Kalifen, d.i. die Geschichte der Kalifen), Kitāb as-sīra wal-mubtadaʾ wal-maġāzī (Die Prophetenbiographie, die Schöpfungsgeschichte und die Feldzüge). Keines seiner Werke ist im Original erhalten; vielmehr kennen wir sie aus den Rezensionen (Riwāya) seiner Schüler und deren Nachfolger.[9]
Werkrezensionen
- Unter seinen Schriften werden das Kitāb al-maġāzī („Über die Feldzüge des Propheten“) und das Kitāb ta'rīḫ al-ḫulafā' („Geschichte der Kalifen“) als die bekanntesten genannt. Ersteres Werk ist auf 300 Manuskriptseiten (unvollständig) in der Rezension seines Schülers Yunus ibn Bukair († 815) erhalten und von M. Hamidullah im Jahre 1976 herausgegeben worden.[10] Das Werk beginnt mit der Genealogie Mohammeds und endet mit der islamischen Legende von Mohammeds Himmelfahrt. Auf die Existenz dieser Werkrezension hat erstmalig der deutsche Orientalist Johann Fück hingewiesen.[11]
Charakteristisch für diese Werkrezension sind die zahlreichen Ergänzungen durch Yunus ibn Bukair nach weiteren Quellen, die Ibn Ishāq selbst nicht benutzt hatte. Somit schuf Ibn Bukair ein eigenständiges Werk, das Ibn 'Asakir in seiner biographischen Stadtgeschichte von Damaskus und Ibn Hadschar al-'Asqalani in seinem Kommentar zu Al-Buchari unter dem Titel: Ziyadat al-maghazi زيادات المغازي / ziyādāt al-maġāzī /‚Ergänzungen (zum Buch) der Feldzüge‘ mehrfach zitieren.[12]
- Ein kurzes Fragment einer weiteren Rezension nach Mohammad ibn Salama († 807) hat M. Hamidullah als Anhang zu seiner oben genannten Werkedition herausgegeben; es umfasst nur wenige Seiten und enthält eine Episode über den Feldzug nach Dhu Amarr, die in den einschlägigen Überlieferungen der Feldzüge Mohammeds nicht erhalten ist.[13]
- Zitate oder paraphrasierte Auszüge aus seinen Werken sind bei den späteren Historiographen, vor allem in der annalistischen Weltgeschichte von at-Tabari erhalten. In der zweiten Generation nach Ibn Ishāq hat 'Abdalmalik b. Hisham al-Himyari († 834) das erstgenannte Werk unter dem Titel Sirat Muhammad Rasulillah („Biographie Mohammeds des Gesandten Gottes“) überarbeitet. Dieses Werk ist heute noch eine der wichtigsten Quellen für die Erforschung von Mohammeds Leben.
- Eine weitere Bearbeitung des Werkes, die im frühen 14. Jahrhundert berühmt wurde, verfasste Ibn Sayyid an-Nās (*1273; †1334 in Kairo) unter dem Titel: Uyun al-athar fi funun al-maghazi wa-sch-schama'il wa-s-siyar / عيون الأثر في فنون المغازي والشمائل والسير / ʿuyūn al-aṯar fī funūn al-maġāzī wa-š-šamāʾil wa-s-siyar /‚Die besten Nachrichten auf dem (Fach)gebiet der Feldzüge, der (guten) Eigenschaften (des Propheten) und (seiner) Lebensweise‘. Neben Ibn Ishaq zitiert er auch weitere Autoritäten der maghazi-Literatur aus dem 8. Jahrhundert, deren Werke heute nicht mehr vorliegen. [14] Dieses Werk in zwei Bänden ist im Orient mehrfach (zuletzt in Beirut 1974)gedruckt worden.
Es ist Ibn Ishāqs Verdienst, in der islamischen Historiographie als erster ein Geschichtsbuch verfasst zu haben, das der Chronologie der Prophetie entspricht und mit Kapitelüberschriften versehen ist. Die zeitgenössische Forschung geht von der schriftlichen Überlieferung der Prophetenbiographie zur Zeit von Ibn Ishāq aus, wie sie um seine Zeit auch auf dem Gebiet des Fiqh der Fall gewesen ist.[15]
Der Orientalist Josef Horovitz würdigt ihn wie folgt: „Das Traditionsmaterial, das ihm von seinen Lehrern überliefert worden war und das er mit zahlreichen von ihm selbst gesammelten Feststellungen erweiterte, stellte Ibn Isḥāq zu einer wohlgeordneten Darstellung des Lebens des Propheten zusammen.“[16] Er verstand es,„die Geschichte des Propheten und des neuen Glaubens in die Geschichte der göttlichen Offenbarung seit Anbeginn der Welt“ einzuordnen.[17] Er gilt als die bedeutendste Autorität auf dem Gebiet der maghazi und eine unverzichtbare Quelle in der Erforschung von Mohammeds Leben und seiner Zeit. [18]
Einzelnachweise
- ↑ The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 1, S. 788
- ↑ Fuat Sezgin (1967), S. 289-290
- ↑ Fuat Sezgin (1967), S. 288
- ↑ al-Mizzī: Tahḏīb al-kamāl fī asmāʾ ar-riǧāl, Bd. 24, S. 410; 418; 426
- ↑ Gregor Schoeler (1996), S. 43
- ↑ Brockelmann, C.: Enzyklopaedie des Islam, Bd. 1, S. 414.
- ↑ The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 4, S. 368: Kadariyya
- ↑ Gregor Schoeler (1996), S. 42-43
- ↑ Gregor Schoeler (1996), S. 48-51
- ↑ Alfred Guillaume: New Light on the Life of Muhammad. Journal of Semitic Studies. Monograph No. 1. Manchester University Press (1960); Muranyi (1991), passim.
- ↑ Muḥammad b. Isḥāq. Literarhistorische Untersuchungen. Frankfurt am Main 1925. S. 34. Anm. 8; M. Muranyi (1991), S. 214; 216.
- ↑ Muranyi (1991), passim; Gregor Schoeler (1996), S. 50-51.
- ↑ Muranyi (1991), 248-249, Anm. 80; Gregor Schoeler (1996), S. 127-128.
- ↑ Carl Brockelmann: Geschichte der arabischen Litteratur. Brill, Leiden 1949. Bd. 2. S. 85; The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 3, S. 932
- ↑ Gregor Schoeler (1996), S. 39-40
- ↑ Josef Horovitz (1928), S.181
- ↑ Gregor Schoeler (1996), S. 41 nach J. Fück (1925), S. 37
- ↑ Gregor Schoeler (1996), S. 37-47
Schriften
- Alfred Guillaume (Übersetzer): The Life of Muhammad. A translation of Ishaq's Sirat rasul Allah. 19. Auflage. Oxford University Press, Karachi 2006, ISBN 0-19-636033-1.
- Gernot Rotter (Übersetzer): Das Leben des Propheten. As-Sira An-Nabawiya. Spohr, Kandern im Schwarzwald 1999, ISBN 3-927606-22-7.
- Ferdinand Wüstenfeld (Hrsg.): Das Leben Muhammeds. Nach Muhammed Ibn Ishāk, bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischām. Göttingen 1859. Nachdruck der Original-Auflage: Minerva Journals, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-86598-204-2.
- Gustav Weil (Übersetzer): Das Leben Mohammeds nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm. Stuttgart 1864.
Literatur
- Johann Fück: Muḥammad ibn Isḥāq. Frankfurt a. M. 1925
- Fuat Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums. Band 1: Qur'ãnwissenschaften, Hadith, Geschichte, Fiqh, Dogmatik, Mystik. Bis ca. 430 H. Brill, Leiden 1967, S. 288–290; S. 297–299 (mit weiteren Quellenangaben)
- Miklos Muranyi: Ibn Isḥāq's Kitāb al-Maġāzī in der Riwāya von Yūnus b. Bukair. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam. 14 (1991), S. 214–275.
- Uri Rubin (Hrsg.): The Life of Muhammad. Ashgate Variorum, Aldershot 1998 (The Formation of the Classical Islamic World, Band 4), ISBN 0-86078-703-6.
- Harald Motzki (Hrsg): The Biographies of Muhammad. The issue of the sources. Brill, Leiden 2000, ISBN 90-04-11513-7.
- Maher Jarrar: Die Prophetenbiographie im islamischen Spanien. Ein Beitrag zur Überlieferungs- und Redaktionsgeschichte. Europäische Hochschulschriften. Reihe 3. Frankfurt 1989, ISBN 3-631-42087-0.
- Josef Horovitz: The Earliest Biographies of the Prophet and their Authors. In: Islamic Culture. 2 (1928) S. 169-180.
- Gregor Schoeler: Charakter und Authentie der muslimischen Überlieferung über das Leben Mohammeds. Walter de Gruyter, Berlin/New York 1996. S. 37ff; 124ff. ISBN 3-11-014862-5.
- The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 3, S. 810
Siehe auch
Weblinks
- Literatur von und über Ibn Ishāq im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
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